Die Industrie wächst und wächst und wächst …
Die österreichische Industrie gibt weiter kräftig Gas. Allerdings steigen auch die Kosten – ebenso wie die internationale Verunsicherung.
Nach der besonders dynamischen Expansionsphase rund um den Jahreswechsel 2017/18 hat die Industriekonjunktur in den vergangenen Monaten etwas an Schwung verloren.
Durch steigende Unsicherheiten im globalen Handel verstärkt sich die zyklisch bedingte Verlangsamung. Trotz der weiteren Verschärfung der protektionistischen Tendenzen zeigen sich mittlerweile aber klare Anzeichen einer Stabilisierung.
„Im Sommer hat sich das Wachstum auf einem anhaltend hohen Tempo eingependelt“, erklärt UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Seit zweieinhalb Jahren läuft die Industriekonjunktur in Österreich im europäischen Vergleich überdurchschnittlich gut.
Auslandsaufträge stagnieren
Das Wachstum der Neuaufträge hat im Juli abermals nachgelassen, was ausschließlich der Nachfrage aus dem Ausland geschuldet ist, die erstmals seit zwei Jahren nur noch stagnierte. Dagegen haben die Aufträge aus dem Inland weiter kräftig zugelegt: Trotz der insgesamt nachlassenden Auftragsdynamik haben die heimischen Betriebe im Juli das Tempo der Produktionsausweitung sogar leicht erhöht.
Mit 56,2 Punkten liegt der Produktionsindex des UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex um 0,2 Punkte über dem Vormonatswert und weist damit auf ein Wachstum der Produktionsleistung über dem langjährigen Mittel hin.
Ein Plus von mehr als 20.000
Im Sog der etwas verstärkten Produktionsausweitung hat sich auch der Jobaufbau in der heimischen Industrie wieder beschleunigt. Die Beschäftigung in der Sachgütererzeugung steigt mittlerweile seit über zwei Jahren stetig an, seit dem Herbst 2017 mit besonders hoher Dynamik.
Im ersten Halbjahr 2018 hat sich der Beschäftigtenstand in Österreichs Industrie um beachtliche 3,5 Prozent zum Vorjahr bzw. mehr als 20.000 Personen auf über 610.000 erhöht. Die Industrie hat damit für rund ein Viertel des Beschäftigungsanstiegs in Österreich in diesem Zeitraum gesorgt; die Arbeitslosenquote ist klar unter die Marke von vier Prozent gesunken und damit nur halb so hoch wie in der Gesamtwirtschaft.
Jobs, Jobs, Jobs
Für das Gesamtjahr erwarten die Ökonomen der UniCredit Bank Austria einen Rückgang der Arbeitslosenquote in der Gesamtwirtschaft auf 7,7 und in der Sachgütererzeugung auf 3,8 Prozent. Damit wird die Arbeitslosenquote in der Sachgütererzeugung erstmals wieder nahe dem Vorkrisenniveau liegen, während die Arbeitslosenquote in der Gesamtwirtschaft aus dem Jahr 2008 mit 5,9 Prozent außer Reichweite bleibt.
Steigende Kostenbelastung
Trotz der weniger dynamischen Auftragsentwicklung haben die heimischen Betriebe die Einkaufsmenge an Rohstoffen und Vormaterialien deutlich gesteigert. Angesichts niedriger Lagerbestände der Lieferanten schlug sich dies in einer weiteren Verlängerung der Lieferzeiten nieder und sorgte auch für spürbaren Aufwärtsdruck bei den Preisen.
Darüber hinaus wurden die Industriebetriebe abermals durch steigende globale Preistrends belastet: Viele Rohstoffe mussten im Juli deutlich teurer als im Juni eingekauft werden. Die Nachfrage war jedoch nicht stark genug, um die Verkaufspreise zumindest ebenso stark anzuheben. Unterm Strich ergab sich eine leichte Anspannung der Kosten- und Ertragslage der heimischen Betriebe gegenüber dem Vormonat.
Die mittelfristigen Aussichten werden von der Industrie günstig eingeschätzt – der Zukunftsindex für die Produktionserwartungen in den kommenden zwölf Monaten verspricht trotz eines Rückgangs zum Vormonat mit 58,2 Punkten eine kräftige Aufwärtsentwicklung. Mit den aktuell starken Anzeichen einer Konjunkturstabilisierung im Rücken, wird von einem Anstieg im Gesamtjahr 2018 von rund fünf Prozent ausgegangen, womit das Wachstum der Industrie voraussichtlich sogar stärker als im Vorjahr ausfallen wird.
Es ist nicht alles Gold …
Angesichts der großen politischen Unsicherheiten und der Gefahr einer Ausweitung der Handelskonflikte könnten sich jedoch die vorhandenen positiven Signale als wenig zuverlässig erweisen.
Inwiefern die Verhandlungsergebnisse zwischen den USA und der EU die Unsicherheiten stoppen können, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Die Unternehmen haben jedenfalls vorerst eine abwartende Haltung eingenommen; dies hat sich unter anderem in stagnierenden Exportaufträgen niedergeschlagen. Die derzeit noch optimistische Grundstimmung könnte rasch drehen, und die angezeigte Stabilisierung der Industriekonjunktur sich als nicht nachhaltig erweisen. Summa summarum haben sich die Abwärtsrisiken für die heimische Industrie erhöht, auch wenn die Wachstumsaussichten vorerst weiterhin sehr günstig einzuschätzen sind.
23.9.2018, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at