Zittert: Robinhood kommt!
Erstens boomen in den USA die Spacs. Das sind leere Firmenhüllen, die an der Börse Geld einsammeln, um damit ein anderes Unternehmen aufzukaufen, dem dann ein Börsengang quasi durch die Hintertür ermöglicht wird. Und zweitens locken fast gebührenfreie Trading-Apps neue Anleger in den Aktienhandel.
Doch der Reihe nach: Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) gibt es schon lange. Doch bis zum Vorjahr kam es kaum zu Börsengängen. 2020 waren es dann schon knapp 250 Spac-Börsengänge. Diese „Blankoscheck-Firmen“ gehen erst nach der Erstnotiz auf die Suche nach Unternehmen, die sie dann übernehmen. Damit locken sie zahlreiche Anleger. Vor allem Zukunftstechnologien sorgen für einen Boom an Investitionen – gerade in Zeiten der Niedrigzinspolitik, in der besondere Nachfrage nach potenziell ertragreichen Anlageformen herrscht.
Europa im Visier?
Für Firmen, die sich von einem Spac „schlucken“ lassen, kann das ein effizienter und schneller Weg an die Börse sein. Sie müssen sich nicht selbst um Investoren bemühen, was gerade in Coronavirus-Zeiten schwierig sein kann, und kürzen den langwierigen und aufwendigen Genehmigungsprozess der (US-)Börsenaufsicht ab.
Ob dieser Trend auch nach Europa schwappt, bleibt allerdings abzuwarten. Mit ähnlichen Konstrukten machte man in Deutschland vor etlichen Jahren eher schlechte Erfahrungen, außerdem gibt es andere rechtliche Grundlagen. Dennoch wurden bereits Pläne auch für deutsche Spacs bekannt.
Der Boom der Trading-Apps
Covid-19 hat u.a. auch die Kleinanleger-Szene beeinflusst – Millionen strömten an die Aktienmärkte. Für den Boom sorgten nicht nur die Suche nach Anlagemöglichkeiten und vermehrte Freizeit im Lockdown, sondern vor allem neue technische Möglichkeiten. Trading-Apps – die schon einige Zeit auf dem Markt sind – hoben 2020 ab. Die Trading-App Robinhood als Marktführer in den USA hält bei 13 Millionen Usern, um drei Millionen mehr als vor der Pandemie. Insgesamt sollen nach Schätzungen zehn Millionen neue Kleinanleger allein in den USA registriert worden sein.
Dabei ist dies nicht „nur“ ein Trend im Westen: Ähnlich viele waren es 2020 in Indien, gleich 18 Millionen in China. Auch ohne weltweite Pandemie würde sich auf den globalen Aktienmärkten wahrlich genug tun. Fintechs, InsureTechs, Spacs oder Trading Apps sind nur einige der neuen Begriffe, mit denen sich versierte Anleger auseinandersetzen müssen.
Aber bitte nicht spielen!
Ein Erfolgsbeispiel ist die Robinhood-App aus Kalifornien, mit der man per Handy (ver-)kaufen kann – und das sehr günstig: Depotgebühren und Provisionen fallen bei diesem FinTech meist keine an, auch Ordergebühren sind überschaubar. Anleger können schon ab einem Cent Aktien kaufen. Damit wird sichergestellt, dass niemand aufgrund von zuwenig Kapital vom Aktienhandel ausgeschlossen wird. Das Startup wurde durch das Geld von Venture Capital-Firmen und Privatfinanzierungen gegründet. Promis wie Jared Leto oder Snoop Dogg haben sich ebenfalls beteiligt. Auch Krypto-Handel (also z. B. für Bitcoin relevant) kann betrieben werden. Mit TD Ameritrade, ETrade, Schwab, MerrillEdge, Acorns, Stash&Co. existieren etliche Alternativen.
Trade Republic gilt im deutschsprachigen Raum als Platzhirsch, daneben gibt es weitere Apps wie eToro, Flatex, Justtrade, Gratisbroker etc., die sich durch Funktionsumfang, Kostenstruktur und bedienbare Märkte unterscheiden. Allerdings werden in diesemUmfeld auch Erinnerungen an die Dotcom-Blase Anfang des Jahrtausends wach. Damals hatten sehr viele Kleinanleger und unerfahrene Marktneulinge die Kurse von wackeligen Startups mit einer oft nur halben Geschäftsidee geradezu in den Himmel wachsen lassen – bis klar wurde, dass meistens keine Substanz vorhanden war, und die Blase mit einem lauten Knall platzte.
Außerdem erinnern die meisten Trading-Apps mit ihren bunten Oberflächen an Computerspiele – es geht aber um echtes Geld und es ist die Rede von hohem Suchtpotenzial und enormen Risiken. Für Schlagzeilen sorgte im Dezember des vergangenen Jahres der Selbstmord eines 20-jährigen Robinwood-Users in Nebraska, dessen Account plötzlich ein Minus von 730.000 Dollar aufwies.
Der ATX als heißer Tipp
In Österreich ist die – oft unterbewertete – „klassische“ Wiener Börse ein wichtiges Thema. Im Vorjahr blieb der ATX im internationalen Vergleich klarer Under-Performer, dafür könnten die ATX-Ergebnisse heuer um mehr als 70 Prozent steigen. Denn auch wenn die Pandemie noch lange nicht besiegt ist, sollte 2021 von einer Erholung der Wirtschaft geprägt sein.
Höhere Bewertungen auf Basis von KGVs müssen nicht beunruhigen, da eine vollständige Rückkehr zur Normalität und zu Gewinn-Niveaus von 2019 voraussichtlich erst 2022 erreicht werden können. Das derzeitige Zinsumfeld spricht allgemein für Aktien, der ATX könnte zusätzlich von den stabilen Rahmenbedingungen und positiven Wachstumsaussichten in der Region Zentral- und Osteuropa profitieren. Mitte Mai 2021 erreichte der ATX bereits 6.688,08 – nur 40 Punkte vom Höchststand (6727,44, 9.7.2007) entfernt.
Vor allem ist der ATX im Vergleich zu anderen Indizes immer noch günstig. Bei den Einzelwerten gelten etwa AT&S, Andritz, RBI, CA Immo und Immofinanz als empfehlenswerte Aktien. Für die AT&S alsTechnologiewert sprechen der langfristige Ausblick und steigende Wachstums-und Gewinndynamik, Andritz und RBI sollten überproportional von der Wirtschaftserholung profitieren. Immobilienwerte werden aktuell noch etwas skeptisch betrachtet, es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Kurse mittelfristig wieder den Nettoimmobilienwerten annähern werden.
Die heimischen Anleger können jedenfalls durchaus mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft schauen, rechnen die Analysten und Banken-Fachleute mit einer weiteren Normalisierung der Wirtschaft. „Insbesondere europäische Aktien befinden sich wieder im oberen Bewertungsbereich“, erklärt Markus Dürnberger, Leiter Asset Management im Bankhaus Spängler. „Auch Asien wird von den Marktteilnehmern gut bewertet, u.a. lässt der Handelspakt zwischen China und 14 Asien-Pazifik-Staaten auf ein konjunkturelles Hoch hoffen.“
„Beim Gewinnwachstum ist erkennbar, dass Lateinamerika und Osteuropa, deren Firmen von der Krise besonders getroffen waren, jetzt sehr stark aufholen“, weist Ingrid Szeiler, CIO der Raiffeisen KAG, speziell auf diese beiden Regionen hin.
Am Rentenmarkt sollte man sich wegen der niedrigen Zinsen und knappen Risikoaufschläge jedoch auf niedrigere Erträge einstellen.
Für aufmerksame Anleger könnte 2021 aber definitiv ein Jahr zahlreicher interessanter Möglichkeiten werden.
Das Lexpress-Trend-Barometer
• „Bei den aktuellen Veranlagungsoptionen bieten sich neben den Klassikern wie Sparbuch (71 Prozent), Bausparen (53) sowie Lebens- und Kapitalversicherung (42 ) auch Wertpapiere (30 Prozent) als eine relevante und langfristige Alternative zum klassischen Sparen an“, sagt Gerhard Fabisch, Vorstandsvorsitzender der Steiermärkischen Sparkasse.
• Das Kundeninteresse an Wertpapieren sowie die Kaufentscheidung für Wertpapiere sind laut Fabisch deutlich gestiegen.
• Generell wurde Banking durch Corona auch in Österreich „digitaler“. In den vergangenen Monaten machte sich auch bei der Abwicklung der Geldgeschäfte ein großer Digitalisierungsschub bemerkbar.
• „Online Banking wurde in der Krise noch attraktiver und ,George‘ als modernstes Internetbanking fungierte dabei als zentrale Drehscheibe“, berichtet Gerhard Fabisch.
• InsurTech im Fokus: Um die digitale Transformation und Innovationen voranzutreiben, setzt die Wiener Städtische ihre Kooperation mit Startups fort. Durch die Zusammenarbeit mit der digitalen Vertriebsplattform für betriebliche Altersvorsorge FINABRO wird eine Kooperation mit einem InsurTech im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) realisiert und damit das Angebot erstmals digital ausgebaut. In der Startup-Szene ist die Wiener Städtische bereits seit Jahren aktiv. „Zu den wichtigen Meilensteinen zählt die Gründung der viesure innovation center GmbH, die schon mehrere innovative Lösungen wie etwa die „losleben“-App auf den Markt gebracht hat“, meint Vorstandsdirektorin Sonja Steßl.
• Um den gewünschten Lebensstandard im Alter auch finanziell abzusichern, wird es zunehmend notwendig, selbst rechtzeitig vorzusorgen. Eine der attraktivsten – und bisher zu wenig genutzten – Vorsorgelösungen ist das sogenannte „300 Euro-Modell“ in der bAV (steuerfreie Zukunftssicherung nach § 3/1/15 EStG). Bei diesem können Arbeitnehmer 300 Euro ihres Gehalts „brutto für netto“ in eine Vorsorge umwandeln und sich so auch die Lohnsteuer sparen. Dank diesem Steuervorteil lassen sich auch mit einer klassischen Lebensversicherung attraktive Renditen erzielen; bis zu zwei Millionen Österreicher könnten von diesem gemeinsam von Wiener Städtischer und FINABRO angebotenen Vorsorgemodell profitieren.
5.6.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at