Alarm! Zu wenig Geld fürs Wohnen
Im Rahmen einer repräsentativen Wohnstudie von IMAS International, die im Frühling 2021 die aktuelle Wohnsituation der Österreicher abgefragt hat, gaben 39 Prozent aller Mieter an, in den nächsten Jahren Eigentum erwerben zu wollen.
Setzt man diesen Wert allerdings in Relation mit den Befragungsergebnissen von vor drei Jahren, zeichnet sich eine traurige Tendenz ab: 2018 wollten noch 49 Prozent Eigentum erwerben, heute sind es um gleich zehn Prozent weniger. Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank: „Die Wohnstudie 2021 liefert eine klare Antwort für diesen deutlichen Rückgang: Fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten gibt an, dass diese zwar gerne Eigentum erwerben möchte, sich dieses aber nicht leisten kann.“ Besonders davon betroffen ist die Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen (54 Prozent), also genau jene Zielgruppe, die sich ersten Wohnraum schaffen möchte.
Wohnen wird immer teurer
Bereits seit der Finanzkrise 2008 wird vermehrt auf den „sicheren Hafen“ Immobilien gesetzt, aber das Angebot am Wohnungsmarkt ist nicht entsprechend mitgewachsen. Die Pandemie gab diesem Trend in den vergangenen Monaten einen zusätzlichen Schub und die Experten der Österreichischen Nationalbank schätzen, dass sich heimische Wohnimmobilien 2020 um beachtliche sieben Prozent verteuert haben. 2019 betrug der durchschnittliche Preisanstieg nur 3,9 Prozent.
Gleichzeitig sind die durchschnittlichen Einkommen der Österreicher nicht gestiegen. Laut Deloitte Property Index mussten in Österreich 2020 für einen durchschnittlichen Wohnraum (70 m²) zehn durchschnittliche Bruttojahresgehälter bezahlt werden. 2019 waren es noch sechs durchschnittliche Bruttojahresgehälter. „Wie sich dieser Markt weiterentwickelt, hängt stark vom weiteren Verlauf der Pandemie, der Zins- und Baustoffrohpreisentwicklung ab“, sagt Schaufler. „Derzeit ist aber nicht davon auszugehen, dass sich die Dynamik am Immobilienmarkt wesentlich abschwächt und das zeigt auch Auswirkungen bei der aktuellen Wohnsituation der Österreicher.“
Aufholbedarf beim Eigentum
Laut einer Eurostat-Statistik leben rund 55 Prozent der Österreicher im Eigentum. Vergleicht man diese Daten mit jenen der EU27, zeigt sich, dass es hier einen ziemlichen Aufholbedarf gibt. Denn durchschnittlich 70 Prozent der europäischen Bevölkerung darf sich über ein Eigenheim freuen.
Große Unterschiede bei der Relation von Eigentum und Miete gibt es in Österreich vor allem zwischen Stadt und Land. Während am Land 72 Prozent der Personen im eigenen Heim wohnen, sind es in Wien nur 25 Prozent der Befragten. Neben dem allgemeinen Stadt-Land-Gefälle spielt hier im Speziellen ebenso die traditionelle Versorgung mit gemeinnützigen bzw. geförderten Wohnungen eine Rolle. Christian Reingruber, Vorstandsvorsitzender der s Bausparkasse: „Der niedrige Eigentumsanteil im urbanen Raum hängt unmittelbar mit der Preissituation zusammen. Überall dort, wo Immobilien noch günstig zu haben sind, wird gekauft und nicht gemietet. Im derzeit vergleichbar günstigen Burgenland ist zum Beispiel der Eigentumsanteil mit 77 Prozent am höchsten in Österreich.“
Obwohl die Österreicher in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben, ist die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnsituation deutlich gestiegen. Heute sind 72 Prozent der Befragten „sehr zufrieden“ mit ihrer Wohnsituation. 2020 waren es nur 66 Prozent.
„Aber in den vergangenen Monaten spielte das Thema Wohnen nur eine untergeordnete Rolle“, relativiert Reingruber. „Die Themen Gesundheit und Jobsicherheit waren sicher die dominierenderen Themen bei den Österreichern.“ Was sich aber deutlich zeigt, ist, dass Eigentümer wesentlich zufriedener (+20 Prozent) mit ihrer Wohnsituation sind als Mieter. „Ein Unterschied in der Zufriedenheit zwischen Mieter und Eigentümer hat zwar schon immer bestanden, aber 2021 ist dieser weiter gestiegen“, erläutert Reingruber.
21 Prozent wollen mehr Platz
Aus der aktuellen Wohnstudie geht klar hervor, dass sich jeder fünfte Befragte (21Prozent) mehr Platz wünschen würde. Reingruber: „Gerade in Zeiten von Lockdowns, Homeoffice und Homeschooling konnte es in einer Wohnung sehr schnell eng werden.“ Besonders junge Erwachsene zwischen 18 und 34 (37), Mieter (33) und Mehrpersonenhaushalte (33 Prozent) haben derzeit das Bedürfnis nach mehr Wohnfläche.
Aufgrund der günstigen Konditionen für Wohnraumfinanzierungen konnte z.B. die Sparkassengruppe 2020 bei der Zahl der Neukredite für Wohnraumfinanzierungen im Vergleich zu 2019 weiter zulegen. „Vergangenes Jahr hat die Sparkassengruppe 28.700 Menschen ihren Wohntraum erfüllt. Das sind um 1.700 Finanzierungsabschlüsse mehr als noch 2019“, so Thomas Schaufler.
Dabei betrug die durchschnittliche Finanzierungshöhe 231.000 Euro. 2018 lag die Höhe noch bei 192.000 Euro. Das ist im Vergleich zu 2018 ein Anstieg um 20 Prozent. Im Schnitt hatten Wohnraumkredite eine Laufzeit von 25 Jahren bei einem Eigenmittelanteil von 20 Prozent. Aufgrund der günstigen Konditionen waren 80 Prozent der Finanzierungen Fixzinskredite. Hier agierten die Österreicher wohl durchaus vernünftig: Mit Fixzinssätzen sicherten sie sich das niedrige Zinsniveau für die nächsten 20 oder 25 Jahre. Das Haushaltsbudget bleibt planbar und auch mögliche Leitzinssteigerungen rauben einem nicht den Schlaf.
Rate oder Miete
Für alle Menschen, die aktuell arbeitslos oder in Kurzarbeit sind und somit Existenzängste haben, rückt das Thema Wohnwünsche situationsbedingt gerade in den Hintergrund. „Auf der anderen Seite sollten alle, die es sich leisten können, eine Investition ins Eigenheim überlegen“, rät Schaufler. „Stellt man die monatliche Miete der Kreditrate gegenüber und bedenkt dabei Anlagewert bzw. Wertsteigerung, ist eine detaillierte Betrachtung auf jeden Fall sinnvoll.“ Die aktuelle durchschnittliche Nettomiete einer freifinanziert errichteten Wohnung in Wien beträgt laut Exploreal 12,66 Euro/m². Das macht bei einer Wohnungsgröße von 70m² 886 Euro monatliche Miete aus. Die Ratenrückzahlungen für eine Finanzierung von 230.000 Euro auf 25 Jahre beträgt 931 Euro.
Dabei haben laut OeNB private Haushalte in Österreich noch immer Fremdwährungskredite mit einem Volumen von 11,2 Milliarden Euro. Zwar sank dieses Volumen 2020 um 15,5 Prozent oder 2,1 Milliarden Euro, aber das Gesamtvolumen ist noch immer stattlich. Schaufler: „Wer jetzt noch Fremdwährungskredite hält, sollte die aktuell günstigen Zinskonditionen für eine Umschuldung nutzen. Das verringert das Währungs- und Zinsrisiko, das in den nächsten Jahren wieder deutlich zunehmen wird!“
Quellen: Erste Bank, Eurostat, Exploreal, IMAS International, lexpress-Recherchen, OeNB, s Bausparkasse, Statistik Austria
6.6.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at