Arbeitsrechtliche Aspekte zu Urlaubsreisen im Zusammenhang mit COVID-19
Die Lockerungen der Corona-Maßnahmen zu Sommerbeginn sowie die (teilweise) wieder geöffneten Grenzen führen diesen Sommer vermehrt dazu, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub in Österreich oder im (nahen) Ausland verbringen. Seit dem Sommerbeginn finden auch wieder vermehrt Flugreisen ins Ausland statt und Auslandsaufenthalte beginnen wieder zur Normalität zu werden. Neben den je nach Zielland unterschiedlich strengen Maßnahmen bei der Einreise (zB 3-G-Nachweis, Grüner Pass, elektronische Registrierung vor Einreise, Quarantäne, etc.) ergeben sich meist nach erfolgter Rückreise des Arbeitnehmers nach Österreich einige arbeitsrechtliche Fragestellungen für den Arbeitgeber. So sind Fälle denkbar, in denen sich der Arbeitnehmer im Urlaub mit COVID-19 infiziert und sich anschließend im Urlaubsland oder in Österreich in behördlich angeordnete Quarantäne begeben muss und daher nicht zur Arbeit erscheinen kann, oder, dass der Arbeitnehmer aufgrund von Reisebeschränkungen aus dem Urlaubsland nicht ausreisen und daher erst verspätet zu seiner Arbeit antreten kann. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen der Arbeitnehmer wegen einer coronabedingten Stornierung eine bereits geplante Fernreise nicht antreten kann und den vereinbarten Urlaub daher nicht mehr konsumieren möchte.
Dienstverhinderung aufgrund einer Infektion mit COVID-19, einer behördlich angeordneten Quarantäne oder Reisebeschränkungen
Grundsätzlich behält ein Arbeitnehmer nach den österreichischen arbeitsrechtlichen Bestimmungen einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber seinem Arbeitgeber für eine verhältnismäßig kurze Zeit, wenn er aus berechtigten Gründen an der Arbeitsleistung verhindert ist (vorausgesetzt, es werden sämtliche Meldepflichten eingehalten). Die gesetzlichen Bestimmungen legen den Zeitrahmen nicht genau fest, jedoch gehen Literatur und Judikatur von einem Zeitraum von etwa einer Woche aus, im Einzelfall kann der Zeitraum auch eine Woche übersteigen.
Reist ein Arbeitnehmer ins Ausland und kann anschließend aufgrund eingeschränkten Flugverkehrs oder Quarantänemaßnahmen nicht nach Österreich zurückreisen und seine Arbeit rechtzeitig wieder antreten, stellt diese tatsächliche Verhinderung der Rückreise grundsätzlich einen berechtigten Grund dar, von der Arbeit fernzubleiben. Seinen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts gegenüber seinem Arbeitgeber behält der Arbeitnehmer aber nur dann, wenn er unverschuldet in diese Situation geraten ist.
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers besteht daher etwa dann nicht, wenn es aus dem Verschulden des Arbeitnehmers zu einer verspäteten Rückkehr an den Arbeitsplatz kommt. Unter Verschulden wird in diesem Fall eine Obliegenheitsverletzung verstanden, da der Arbeitgeber dann kein Entgelt fortzahlen soll, wenn der Arbeitnehmer in eigenen Belangen sorglos ist. Eine verspätete Rückkehr an den Arbeitsplatz wird dem Arbeitnehmer etwa dann angelastet, wenn diese vorhersehbar war.
Ein Verschulden des Arbeitnehmers liegt zum Beispiel dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer bewusst in ein Land mit besonders hohen Infektionszahlen oder in ein Land mit einer Reisewarnung (Stufe 5 oder 6) begeben hat, oder vor der Reise gar keine Informationen über die Einreisebestimmungen oder eine erforderliche Quarantäne nach der Rückkehr eingeholt hat. Bei einer Urlaubsreise in ein Land, für welches derzeit eine Reisewarnung des Außenministeriums besteht und wenn der Arbeitnehmer von der Reisewarnung bereits vor Abflug wusste, liegt daher ein Verschulden des Arbeitnehmers vor und der Arbeitgeber ist für die Zeit einer anschließenden Dienstverhinderung – etwa wenn der Arbeitnehmer aufgrund verschärfter Einreisebestimmungen nicht rechtzeitig zurückreisen kann – nicht verpflichtet, das Entgelt des Arbeitnehmers fortzuzahlen. Der Arbeitnehmer hat daher die Reisewarnungen des Außenministeriums vor Abflug in den Urlaub regelmäßig zu verfolgen. Gerade in Zeiten einer Pandemie wird es dem Arbeitnehmer zuzumuten zu sein, auch kurz vor Reiseantritt weitere Informationen zum Urlaubsland einzuholen und offizielle Reisewarnungen zu beachten.
Fraglich ist, ob ein Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verliert, wenn er sich in einem Urlaubsland aufhält, dass bei der Abreise noch als sicher eingestuft wurde und noch keine hohen Infektionszahlen aufwies, es jedoch während des Urlaubs zu einem neuen Ausbruch des Virus (zB aufgrund einer neuen Mutation) kommt und der Arbeitnehmer aufgrund daraufhin verhängter Einreisebeschränkungen nicht rechtzeitig zur Arbeit in Österreich erscheinen kann. Grundsätzlich behält der Arbeitnehmer bei einer unverschuldeten Dienstverhinderung seinen Anspruch auf Entgelt für die Zeit. Für die Frage des Verschuldens ist wiederum darauf abzustellen, ob die Dienstverhinderung vorhersehbar war. Gerade in einem derartigen Fall ist es strittig, ob eine Verschärfung der Einreisebestimmungen und eine Änderung der Reisewarnung einzelner Länder in Zeiten einer Pandemie tatsächlich unvorhersehbar ist oder der Arbeitnehmer in einer Pandemiesituation erst gar nicht darauf vertrauen kann, dass es zu keinen neuen Einreisebeschränkungen kommen wird und daher stets damit rechnen muss.
Im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ist weiters zu beachten, dass der Arbeitgeber unter Umständen Ersatzansprüche gegenüber dem Bund geltend machen kann. Ist der Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr aufgrund einer behördlichen Absonderung in Österreich und durch österreichische Behörden wegen einer Erkrankung an COVID-19 (oder wegen Verdachts auf eine Erkrankung an COVID-19) in Quarantäne, dann ist das Entgelt für die Dauer der behördlichen Absonderung durch den Arbeitgeber weiterzuzahlen. Dies gilt unabhängig davon, wo der Arbeitnehmer zuvor seinen Urlaub verbracht hat. Der Arbeitgeber hat in einem derartigen Fall einen Ersatzanspruch für das fortgezahlte Entgelt gegenüber dem Staat nach dem Epidemiegesetz.
Achtung: Im Ausland kommen die Bestimmungen des österreichischen Epidemiegesetzes jedoch nicht zur Anwendung und eine Dienstverhinderung wird nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Österreich beurteilt (bitte sehen Sie dazu unsere obenstehenden Ausführungen).
Zu beachten ist, dass ein Arbeitnehmer in behördlich angeordneter Quarantäne aufgrund eines Verdachtsfalls grundsätzlich nicht arbeitsunfähig ist (solange er nicht erkrankt) und sich somit auch nicht krankmelden muss (die sonstigen Meldepflichten sind jedoch zu beachten). Sollte mit dem betreffenden Arbeitnehmer eine Vereinbarung über Home-Office Arbeit bestehen und die Erbringung der Arbeitsleistung im Home-Office möglich sein, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweisen, die Arbeit von zu Hause zu erledigen.
Sollte sich ein Arbeitnehmer hingegen im Urlaub mit COVID-19 infiziert haben und an Corona erkranken und dadurch nicht rechtzeitig nach Österreich zurückkehren können, behält der Arbeitnehmer grundsätzlich ebenso seinen Entgeltfortzahlungsanspruch (die Meldepflichten sind auch in diesem Fall zu beachten). Auch bei einer Dienstverhinderung aufgrund Krankheit (wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage dauert, unterbricht diese den Urlaub) darf die Dienstverhinderung aber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden sein, ansonsten entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers. Ein derartiger Fall liegt etwa vor, wenn der Arbeitnehmer am Urlaubsort die geltenden Bestimmungen grob missachtet und dadurch eine Infektion bewirkt (z.B. Teilnahme an einer im Urlaubsgebiet unzulässigen „Corona-Party“ unter Missachtung der Abstands- und Hygienemaßnahmen).
Keine Weisungsbefugnis des Arbeitgebers hinsichtlich des Urlaubs
Der Urlaub soll dem Erholungszweck des Arbeitnehmers dienen und daher soll der Arbeitnehmer über die vereinbarten Urlaubstage auch frei verfügen können. Der Arbeitgeber kann somit keine Urlaubsreisen in besonders gefährdete Gebiete untersagen oder dem Arbeitnehmer vorgeben, wie er seinen Urlaub zu gestalten hat. Der Urlaub fällt in die Privatsphäre des Arbeitnehmers, weshalb der Arbeitgeber hier keine Weisungsbefugnis hat.
Nach einer Urlaubsreise eines Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber aber die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer, der bspw. von einem Urlaub in einem Gebiet mit hohen Infektionszahlen zurückkommt, und keine Symptome zeigt, zum Schutz der anderen Mitarbeiter und aufgrund seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegen Fortzahlung des Entgelts vom Dienst freizustellen; dies etwa bis zum Vorliegen eines negativen Tests oder dem Ablauf einer bestimmten Zeitspanne (zB 5 oder 10 Tage). Sollte mit dem betreffenden Arbeitnehmer eine Vereinbarung über Home-Office Arbeit bestehen, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch anweisen, die Arbeit von zu Hause zu erledigen (sofern sich der Arbeitnehmer nicht im Krankenstand befindet). Sollte der Arbeitnehmer sich aber vorsätzlich oder grob fahrlässig in ein Land mit bestehender Reisewarnung des Außenministeriums begeben haben, entfällt die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers auch in diesem Fall.
Rücktritt einer bereits abgeschlossenen Urlaubsvereinbarung
Der konkrete Urlaubsverbrauch ist zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren, wobei die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Sobald die Urlaubsvereinbarung abgeschlossen ist, ist diese grundsätzlich auch für beide Parteien bindend und eine Änderung oder Aufhebung der Urlaubsvereinbarung nur noch mit der Zustimmung beider Parteien möglich. Sollte ein Arbeitnehmer etwa aufgrund einer coronabedingt stornierten Reise den bereits vorab vereinbarten Urlaub doch nicht antreten wollen, ist dafür die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich.
Es wird jedoch grundsätzlich anerkannt, dass beide Vertragsparteien von einer abgeschlossenen Urlaubsvereinbarung dann einseitig zurücktreten können, wenn wichtige Gründe vorliegen, die die Aufrechterhaltung der Vereinbarung unzumutbar machen. Beim Arbeitnehmer können hier insbesondere Gründe vorliegen, die den Arbeitnehmer in der Person selbst oder seine Familie betreffen und durch die der Erholungszweck des Urlaubes vereitelt wird.
- Wenn ein Arbeitnehmer z.B. vor Urlaubsantritt an COVID-19 erkrankt, dann soll dem Arbeitnehmer ein einseitiges Rücktrittsrecht von der Urlaubsvereinbarung zukommen. In diesem Fall geht der Erholungszweck verloren und der Urlaubsverbrauch ist für den Arbeitnehmer unzumutbar.
- Wenn eine bereits geplante Urlaubsreise des Arbeitnehmers aufgrund der Corona-Bestimmungen storniert wird (so z.B. weil derzeit noch keine Reisen aus touristischen Gründen in die USA möglich sind) wird aus unserer Sicht wohl kein Grund für einen einseitigen Rücktritt der Urlaubsvereinbarung für den Arbeitnehmer vorliegen. In diesem Fall besteht für den Arbeitnehmer noch immer die Möglichkeit, seinen Urlaub anderweitig zu gestalten und eine Reise in ein anderes Land, in welches eine Einreise möglich ist, zu planen oder seinen Urlaub in Österreich zu verbringen. Der Erholungszweck des Urlaubs geht nicht alleine dadurch, dass eine geplante (Fern-)Reise nicht in dieser Art stattfinden kann bzw. storniert wird, verloren.
- Sollte ein Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt zB aufgrund eines Verdachtsfalls in behördlich angeordnete Quarantäne müssen, wird ebenso ein einseitiger Rücktritt von der Urlaubsvereinbarung zulässig sein. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Erholungszweck des Urlaubes nicht erfüllt wird, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der mit der behördlichen Absonderung verbundenen Auflagen über die Zeit nicht frei verfügen kann, sondern sich vielmehr (alleine) zuhause isolieren muss.
Unabhängig der Möglichkeit, von einer bestehenden Urlaubsvereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen einseitig zurückzutreten, kann natürlich jederzeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Einvernehmen der Rücktritt einer Urlaubsvereinbarung vereinbart werden.
Erkrankt der Arbeitnehmer während seines Urlaubs, ist zu beachten, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund Krankheit erst besteht, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage dauert; in diesem Fall werden die Krankheitstage nicht auf das Urlaubsausmaß angerechnet. Auch hier besteht die Entgeltfortzahlung jedoch nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Erkrankung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.
20.8.2021 / Autorinnen: Dr. Ursula Roberts und Theresa Weiss-Dorer, LL.M. (WU) / PwC Legal Austria / www.pwc.at