Der fatale Anstieg bei Bodenverbrauch und Flächenversiegelung in Österreich wird immer bedrohlicher. (Bild: pexels.com)

Vor Kurzem haben Statistik Austria und das WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) die Studie „Wie geht’s Österreich?“ publiziert, in der ein unabhängiges wissenschaftliches Expertengremium die Entwicklung von 31 Schlüsselindikatoren bewertet.

Dort wird die Bodenversiegelung als gravierendes Umweltproblem bezeichnet – vor allem werden das hohe Ausgangsniveau und der kontinuierliche Anstieg des Anteils an versiegelter Fläche negativ gesehen. Denn im Beobachtungszeitraum von 2001 bis 2019 wuchs die Flächenversiegelung mit 25,7 Prozent deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung mit 10,4 Prozent. Insgesamt wurde im Zeitraum eine Zunahme an versiegelter Fläche im Ausmaß von 481 (!) km2 festgestellt. Damit wurden in Österreich innerhalb von weniger als zwei Jahrzehnten mehr als die Fläche der Bundeshauptstadt Wien versiegelt und der Nutzung entzogen. Das ist eine alarmierende Entwicklung, der schleunigst etwas entgegengesetzt werden muss, damit die Ernährungssicherheit nicht gefährdet wird und wir unseren Kindern eine intakte und lebenswerte Umwelt hinterlassen können.

Jährlich verliert unser Land 0,5 Prozent seiner Ackerfläche und damit doppelt so viel wie Deutschland. Das heimische Straßennetz ist mit 15 Metern pro Kopf eines der dichtesten in Europa, die Schweiz kommt nur auf die Hälfte. Die Fläche der Shopping-Center hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt und mit 1,66 m2 Verkaufsfläche pro Kopf sind „wir“ gemeinsam mit Belgien Europameister.

Allein in Oberösterreich werden täglich 2,2 Hektar Boden für Bau- und Verkehrszwecke verbraucht. Beinahe ein Hektar davon wird in der Folge versiegelt und das jährliche Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsflächen steigt weiter an. Die Bundesregierung will die tägliche Flächeninanspruchnahme bis 2030 auf 2,5 Hektar beschränken – das würde für Oberösterreich maximal 0,4 Hektar pro Tag bedeuten, also weniger als ein Fünftel als aktuell!

Es braucht somit dringend ein effektives Gegensteuern und eine verantwortungsvolle Bodenpolitik. die Österreicher müssen wörtlich „etwas auf den Boden bringen“: Es gilt, eine Trendwende im Flächenverbrauch einzuleiten, jede weitere Zerstörung von Böden zu verhindern und unsere wertvollen Böden und vielfältigen Lebensräume zu schützen!

„Schlüssel“ Raumordnung
Das zentrale Instrument für die Verringerung des Bodenverbrauchs ist die Raumordnung. Mit verbindlichen Vorgaben im Raumordnungsgesetz kann dieses für kompakte, günstig gelegene Siedlungsstrukturen sorgen, die den Energieverbrauch vor allem im Verkehrsbereich reduzieren. Der noch ungebremste Bodenverbrauch heizt auch den Klimawandel an und gerade die Versiegelung der fruchtbarsten Böden nimmt der Lebensmittelproduktion in Österreich zunehmend die Grundlage. Mit der Raumordnungsnovelle besteht erstmals die Chance, dieser Entwicklung wirksam entgegenzutreten.

In einer vom Umweltressort beauftragten SORA-Umfrage halten es 79 Prozent für sehr oder ziemlich sinnvoll, strengere Auflagen zu erlassen, um die Bodenversiegelung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Für mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind strengere Auflagen sogar SEHR sinnvoll.

Konkrete Gegenmaßnahmen
Niederösterreich hat im Herbst 2020 ein umfassendes Bodenschutzpaket vorgelegt, dass wertvolle Lebensräume, Wiesen und Ackerflächen für künftige Generationen schützen soll. Schon im Juli wurde vom Landtag in einem ersten Schritt eine Einschränkung für umfangreiche Neuwidmungen und im Gegenzeug eine massive Beschleunigung für kleinere Verfahren beschlossen. Die wichtigsten Änderungen der nun geplanten umfangreichen Novelle sind neue Widmungskategorien für den großvolumigen Wohnbau und für verkehrsbeschränkte Betriebsgebiete, verpflichtende Mobilisierungsmaßnahmen bei Neuwidmungen, Einschränkungen für neue Parkplätze bei Supermärkten und neue Regelungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen.

Mit neuen Widmungskategorien sollen Verkehrskonflikte schon frühzeitiger erkannt und vermieden werden. Wohngebäude mit einer Geschoßflächenzahl über eins brauchen zukünftig die neue Widmungskategorie für den großvolumigen Wohnbau. Die Geschoßflächenzahl ist als das Verhältnis der Flächen der oberirdischen Geschoße von Gebäuden zur Bauplatzgröße definiert. Neue Betriebsansiedelungen wiederum, die mehr als 100 Fahrten pro Tag und Hektar erzeugen, brauchen die neue Widmungskategorie für verkehrsbeschränkte Betriebsgebiete, in welche die Verkehrsströme genauer betrachtet werden. Erweiterungen schon bestehender Betriebe sind von dieser Regelung ausgenommen.

Bei allen Neuwidmungen werden zukünftig verpflichtend Mobilisierungsmaßnahmen anzuwenden sein – insbesondere befristete Widmungen oder Raumordnungs-Verträge. Sollten neu gewidmete Bauparzellen nach einer bestimmten Zeitspanne nicht bebaut werden, werden sie automatisch rückgewidmet oder müssen z.B. der Gemeinde zum Kauf angeboten werden. Das bedeutet einen faktischen Bauzwang und damit ein Stopp der Zersiedlung und dem unnötigen Bodenverbrauch. Außerdem werden so auch Infrastrukturkosten für die Gemeinden gespart.

Schon seit mehreren Jahren sind neue Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ in Niederösterreich verboten. Nun werden auch Parkplätze bei neuen Handelseinrichtungen eingeschränkt: Bei einer Verkaufsfläche von mehr 750 m² dürfen nur mehr die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtstellplätze ebenerdig im Freien errichtet werden, bei kleineren Nahversorgern die eineinhalbfache Anzahl der Pflichtstellplätze. Sind mehr Parkplätze gewünscht, müssen diese im Gebäude (z.B. unterirdisch oder am Dach) errichtet werden oder mit einer Photovoltaik-Anlage überdacht werden.

Bei Photovoltaik-Anlagen gelten zukünftig strenge Kriterien für Anlagen im Grünland, wie Netzanschluss, der Schutz hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen, der Schutz des Ortsbilds und von Naturschutzflächen. Prinzipiell sollen PV-Anlagen auf Dächern, Lagerhallen und alten Deponien bevorzugt werden. Freiflächen-Anlagen, die mehr als zwei Hektar Fläche einnehmen, werden in Zukunft in einem eigenen sektoralen Raumordnungsprogramm ausgewiesen werden sein müssen, bevor Gemeinden eine diesbezügliche Widmung einreichen können.

Weiters soll ein neues Sektorales Raumordnungsprogramm für überregionale Betriebsgebiete erstellt werden, in denen interkommunale Abstimmungen verbessert und Verkehrsströme genauer gelenkt werden können. Außerdem werden die Planungsrichtlinien für Flächenwidmungspläne unter den Prämissen Klima- und Bodenschutz komplett modernisiert. Damit sollen u.a. begrünte Fassaden als natürliche Klimaanlagen und Lebensraum für Bienen und Schmetterlinge forciert werden.

Aufbäumen in Österreich
Am 7.4. war der Country Overshoot Day in Österreich – das nationale Pendant zum Earth Overshoot Day (EOD). Würden alle Menschen so leben wie die Österreicher, wären die Biokapazitäten heuer bereits am 7.4. aufgebraucht gewesen. Das Wiener Start-up refurbed und das niederösterreichische Projekt Wald4Leben haben sich dieser Herausforderung gestellt und gehen mit gutem Beispiel voran: Insgesamt werden 113 Bäume in Österreich gepflanzt, stellvertretend für alle Mitarbeiter von refurbed. Dadurch entsteht ein neuer kleiner Mischwald.

Bei der Produktion eines aktuellen Smartphones entstehen rund 79 kg CO2. Eine einzelne ausgewachsene Linde kann pro Jahr bis zu 8.000 kg des klimaschädlichen CO2 kompensieren und wandelt dieses in Atemluft für Mensch und Tier um. „Der Ausbau und der Erhalt dieser lebenswichtigen Ressource sollte daher unser vordringlichstes Anliegen sein“, fordert refurbed-Mitgründer Peter Windischhofer. „Um auf die Situation und den Earth Overshoot Day aufmerksam zu machen, haben wir 2020 die Initiative Fix-our-Planet ins Leben gerufen. Innerhalb von drei Wochen konnten wir gemeinsam mit unserer Community insgesamt mehr als 15.000 Bäume pflanzen.“ Laut Global Footprint Network lag der ökologische Fußabdruck in Österreich bereits vor 60 Jahren um 0,4 Globalhektar pro Person über der Biokapazität. Mit den Jahren hat sich dieses Defizit verzehnfacht – vor allem durch die voranschreitende Bodenversiegelung.

Bäume als Klimaretter
Weltweit führte der 2020 im Vergleich zum Vorjahr verringerte Holzverbrauch (8,4 Prozent) und die geringeren CO2-Emissionen (14,5 Prozent) während der Corona-Pandemie erstmals dazu, dass sich der Earth Overshoot Day um mehr als drei Wochen nach hinten verschoben hat. „Wir widmen uns mit Nachdruck dem Klimaschutz und treiben dieses wichtige Anliegen jeden Tag voran“, erklärt Wald4Leben-Mitgründer Lukas Schmalzbauer. „Deshalb unterstützen wir refurbed bei dieser Initiative und wollen so gemeinsam ein wichtiges Zeichen für den Umweltschutz in Österreich setzen.“

Das innovative Projekt Wald4Leben in Niederösterreich hat sich die Aufforstung kahler heimischer Waldflächen zum Ziel gesetzt – Bäume können einfach digital per Mausklick gespendet werden. Mit dem Pflanzen verschiedener Baumsorten soll vor allem die Biodiversität gesteigert werden. Für das gemeinsame Projekt mit refurbed werden z.B. Stiel- und Traubeneichen, Bergahorne, Wildkirschen, Lärchen, Linden und Tannen kombiniert. „Wir sind überzeugt, dass technologischer Fortschritt und der Schutz unserer Umwelt Hand in Hand gehen müssen. Am Ende des Tages zählt jeder einzelne Baum“, sagt Peter Windischhofer. Daher pflanzt das Green-Tech-Start-up für jedes verkaufte oder pro Monat gemietete Produkt einen Baum – in Summe bereits mehr als 400.000. Das gemeinsame Projekt mit Wald4Leben bereitet jetzt den Boden für ein nachhaltiges Engagement in Österreich auf.

Das ist dringend notwendig
• Industrie- und Gewerbebrachflächen nutzen statt auf der grünen Wiese bauen
• Bundesweiter Grünzonenplan zum Schutz der Erholungs- und Rückzugsgebiete für Mensch und Tier
• Keine riesigen Parkflächen bei Firmen und Einkaufszentren, wenn dabei wichtiges Grünland verloren geht
• Kein Verbauen unserer fruchtbarsten Böden: „Wo unser Essen wächst, wird nicht mehr gebaut!“

24.5.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at