Bodenverbrauch macht krank!
Die Differenz ist katastrophal: Eigentlich hätte der tägliche Bodenverbrauch laut der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes bis 2010 auf maximal 2,5 Hektar gesenkt werden sollen. Tatsächlich liegt der Bodenverbrauch aktuell jedoch bei durchschnittlich 13 Hektar pro Tag! Die Verbauung wertvoller Grünflächen hat nicht nur massive ökologische Folgen, sondern auch zunehmend negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Lebensqualität, warnt der renommierte Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Laut der umweltmedizinischen Analyse führen Versiegelung und Verbauung zu einer Zunahme von Hitzeinseln, Lärm, Feinstaubkonzentration und Luftverschmutzung, zudem werden die Auswirkungen von Naturgefahren wie Überschwemmungen drastischer. Hutter: „Die Eindämmung des Bodenverbrauchs und der Versiegelung wäre ein maßgeblicher gesundheitsfördernder Faktor für sehr viele Menschen.”
„Gesunde Böden dienen als Lebensraum, Schadstofffilter, Klimaanlage, Wasserspeicher, Kohlenstoffsenke und Lieferanten für Nahrungs- und Futtermittel“, bestätigt Hanna Simons vom WWF Österreich. Mit der steigenden Verbauung stehen diese überlebenswichtigen Bodenfunktionen jedoch unter immer größerem Druck. „Der übermäßige Bodenverbrauch ist eine der größten umweltpolitischen Herausforderungen“, warnt Simons. „Die Politik muss hier dringend gegensteuern und unsere Landschaft, unsere Natur und unsere Lebensgrundlage vor der unkontrollierten Verbauung schützen. Dazu braucht es einen Bodenschutz-Vertrag, der den Flächenfraß verbindlich reduziert.“
Verbauung macht (viel) zu viel Hitze
„Hitzeinseln im städtischen Bereich sind eine der größten Gesundheitsrisiken durch die Bodenversiegelung”, erklärt Hutter. „Der Hitzeinsel-Effekt ist durch zahlreiche Studien belegt und quantifizierbar. Auf dieser Basis ist bei ungehindert voranschreitendem Klimawandel bis 2080 mit einer Verdreifachung der Hitzetoten durch den Hitzeinsel-Effekt zu rechnen.“ Vor allem für ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen bedeute anhaltende Hitze an stark versiegelten Orten und das Fehlen von Abkühlung, Erholung und Schlaf einen mitunter lebensbedrohlichen Risikofaktor.
Auch Verkehrslärm wird durch die Bodenversiegelung zunehmend zur Belastung für die menschliche Gesundheit. „Vor allem die vermehrten psychosozialen Folgen von übermäßiger Lärmbelastung durch Straßenverkehr müssen endlich ernstgenommen und viel stärker beachtet werden”, so Hutter. Dazu zählen etwa Stress, Unsicherheit sowie die Minderung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Im Extremfall kann Lärm sogar zum Risiko für die kardiovaskuläre Gesundheit werden und direkte Schäden des Gehörsinns zur Folge haben.
Mit der Bodenversiegelung nimmt auch die Intensität von Naturgefahren wie Hochwassern zu. In Österreich sind laut Klimawandel-Anpassungsstrategie rund 14 Prozent aller Gebäude und 13 Prozent der Bevölkerung von Naturgefahren direkt betroffen. Überflutungen können darüber hinaus die Sauberkeit des Trinkwassers beeinträchtigen. Hutter: „So lange die Raumordnung nicht deutlich gegensteuert, wird sich der Siedlungsraum in Österreich weiter in Hochwassergefahrenzonen oder Murengebiete ausdehnen, mit entsprechendem Risiko für die Bevölkerung.“
Stoppt die Verbauung!
Der WWF Österreich fordert Bund, Länder und Gemeinden auf, ein wirksames Maßnahmenpaket zu vereinbaren, das den Bodenverbrauch verbindlich reduziert. Dieses sollte insbesondere die Ökologisierung des Steuersystems und der Raumordnung, den Abbau umweltschädlicher Subventionen und eine große Naturschutz-Offensive umfassen. „Sowohl für unsere Ernährung und unser Trinkwasser als auch für saubere Luft und den Schutz vor Naturkatastrophen sind wir auf gesunde Böden und ihre Ökosystemleistungen angewiesen“, sagt Hanna Simons.
Aktuell sammelt der WWF unter dem Motto „Natur statt Beton“ Unterstützung für einen Bodenschutz-Vertrag zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mit verbindlichen Maßnahmen, um den Bodenverbrauch zu reduzieren. Die WWF-Petition „Natur statt Beton – Stoppt die Verbauung Österreichs!“ kann online unterzeichnet werden unter: www.natur-statt-beton.at/petition
25.11.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at