Capgemini-Studie: Die digitale Datenkluft in der Arbeitswelt
Capgemini veröffentlichte am 2. November 2017 in Berlin in Kooperation mit dem weltweit größten Berufsnetzwerk LinkedIN einen globalen Bericht über die digitale Talentkluft. Für den Report wird Nachfrage und Angebot nach Talenten mit spezifischen digitalen Fähigkeiten untersucht und die Verfügbarkeit digitaler Rollen in verschiedenen Branchen und Ländern analysiert. Der Report “The Digital Talent Gap – Are Companies Doing Enough?” thematisiert die Besorgnis von Mitarbeitern bei der Beurteilung ihrer eigenen digitalen[1] Fähigkeiten sowie die fehlenden Schulungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz. Besondere Akzente setzt die Studie bei der Tatsache, dass 50 Prozent der Mitarbeiter (fast 60 Prozent derjenigen mit digitalem Talent[2]) ihr eigenes Geld und private Zeit außerhalb der Arbeitszeit darauf verwenden, selbstständig digitale Skills zu entwickeln.
Digitale Talentlücke („Digital Talent Gap“) wird größer
Jedes zweite befragte Unternehmen räumt ein, dass sich die digitale Lücke vergrößert – dies trifft auch für deutsche Unternehmen zu. Der Begriff „digitale Talentlücke“ wird von Capgemini definiert als die Differenz zwischen der Nachfrage und dem Angebot an digitalem Talent. Darüber hinaus stimmten mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Organisationen zu, dass die digitale Talentlücke die unternehmenseigenen digitalen Transformationsprogramme behindert und dass ihre Organisation wegen des Mangels an digitalen Talenten einen Wettbewerbsvorteil verloren hat. Obwohl sich die Talentlücke vergrößert hat, stagnieren die Budgets für die Ausbildung digitaler Talente auf niedrigem Level oder sind – wie bei mehr als der Hälfte (52 Prozent) der befragten Organisationen – gesunken. 50 Prozent weltweit und über 60 Prozent der deutschen Unternehmen gaben außerdem an, dass sie über die digitale Talentlücke sprechen, aber nicht viel tun, um sie zu überbrücken.
Mitarbeitergeneration Y und Z in Sorge: Derzeitige Qualifikation in einigen Jahren überholt
Viele Angestellte sind besorgt, dass ihre Fähigkeiten bereits jetzt überflüssig sind oder es bald werden. Insgesamt erwarten das 29 Prozent der Beschäftigten bereits mit Blick auf die nächsten zwei Jahre, während mehr als ein Drittel (38 Prozent) angaben, dass ihre Fähigkeiten in den nächsten vier bis fünf Jahren als überflüssig erachten werden. Fast die Hälfte (47 Prozent) der Mitarbeitergeneration Y und Z[3] sind der Meinung, dass ihre derzeitige Qualifikation in den nächsten vier bis fünf Jahren überflüssig sein wird.
Banken, Automobil, Versicherung, Versorgung, Telekommunikation: Fast jeder Zweite befürchtet, seine Fähigkeiten sind nicht zukunftsfähig
Dem Bericht zufolge erwarten 48 Prozent der Beschäftigten im Automobilsektor, dass ihr digitales Fachwissen in den nächsten vier bis fünf Jahren überflüssig werden wird, gefolgt vom Bankensektor mit 44 Prozent. Bei den Versorgungsunternehmen befürchten dies 42 Prozent sowie im Bereich der Telekommunikation und der Versicherungen 39 Prozent. Mitarbeiter haben außerdem den Eindruck, dass die Trainingsprogramme der Unternehmen nicht sehr effektiv sind. Mehr als die Hälfte der heutigen digitalen Talente sagen, dass Trainingsprogramme nicht hilfreich sind oder dass der Arbeitgeber ihnen keine Arbeitszeit für die Teilnahme einräumt. Nahezu die Hälfte (45 Prozent) beschreibt die Trainingsprogramme ihrer Organisation als „nutzlos und langweilig“.
Sorge vor Redundanz der eigenen Fähigkeiten kann Fluktuation steigern
Die Sorge vor der Redundanz der eigenen Fähigkeiten und mangelndes Vertrauen in die Weiterbildungsmaßnahmen der eigenen Organisation haben das Potenzial, Fluktuation zu provozieren. Mehr als die Hälfte der digital versierten Mitarbeiter (55 Prozent) gibt an, bereitwillig in eine andere Organisation zu wechseln, wenn das Gefühl besteht, dass ihre digitalen Fähigkeiten bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber stagnieren. Fast die Hälfte der befragten Beschäftigten (47 Prozent) tendiert dazu, zu anderen Unternehmen zu wechseln, wenn dort bessere digitale Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. In diesem Zusammenhang sind auch Arbeitgeber um den Abgang von qualifiziertem Personal besorgt. Knapp die Hälfte der Arbeitgeber (51 Prozent) geht davon aus, dass ihre Mitarbeiter nach den Trainingsmaßnahmen die Organisation verlassen werden, und geben gleichzeitig an, dass ihre digitalen Weiterbildungsangebote nicht gut besucht sind.
Claudia Crummenerl, Head of Executive Leadership and Change bei Capgemini Consulting: „Organisationen stehen im Hinblick auf digitale Befähigung ihrer Mitarbeiter vor einer Mammutaufgabe. In Anbetracht der Tatsache, dass Mitarbeiter sich am meisten Sorgen machen, dass ihre Fähigkeiten redundant werden, ist es für Unternehmen besonders wichtig, dies zu adressieren und klare Entwicklungspfade aufzuzeigen. Die digitale Talentlücke wird größer werden und kein Unternehmen kann es sich noch leisten, dies zu ignorieren. Organisationen müssen konsequent die Evolution ihrer Belegschaft planen, und dies nicht nur über das Einstellen von neuen Mitarbeitern.“
Die Talentlücke im Bereich digitaler Soft-Skills ist ausgeprägter als in den digitalen Hard-Skills
Eine hohe Nachfrage besteht besonders bei Personen, die bereits Erfahrungen mit so genannten digitalen Hard-Skills gesammelt haben, in Bereichen wie der fortgeschrittenen Analytik, Automatisierung, künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit. Unternehmen fragen allerdings besonders so genannte digitale Soft-Skills wie Kundenorientierung und eine grundlegende Lernbereitschaft oder Wandlungsfähigkeit als zunehmend wichtige Charakteristika eines digitalen Professionals nach. Die größte Lücke in dem Bereich der Soft-Skills besteht in einem selbstverständlichen Umgang mit Unsicherheit und neuen Formen von Zusammenarbeit.
Weitere Ergebnisse:
– 51 Prozent befragter Arbeitgeber geben an, zu wenig digitale Hard-Skills in ihrer Organisation zu haben, 59 Prozent sehen einen Mangel von weichen digitalen Skills unter den Angestellten.
– Sieben von zehn digital talentierten Mitarbeitern (72 Prozent) ziehen es vor, in Organisationen mit einer unternehmerischen Start-up-Kultur zu arbeiten, die Agilität und Flexibilität fördern.
– Digitale Talente können in einer Umgebung ohne Freiheit zum Experimentieren und Raum für Fehler nicht florieren. Eine fehlende Kultur des Experimentierens geht auf Kosten der Innovationsfähigkeit.
Must haves: Gefragte Digitale Rollen
Die Untersuchungen der LinkedIn-Daten, die als Basis für die Analysen in diesem Report verwendet wurden, haben gezeigt, dass Data Scientists und Full Stack Developers im letzten Jahr am stärksten nachgefragt waren. Diese 10 Profile werden erwartungsgemäß von Unternehmen in den nächsten zwei bis drei Jahren am stärksten gesucht:
– Information Security/Privacy Consultant
– Chief Digital Officer/Chief Digital Information Officer
– Data Architect
– Digital Project Manager
– Data Engineer
– Chief Customer Officer
– Personal Web Manager
– Chief Internet of Things Officer
– Data Scientist
– Chief Analytics Officer / Chief Data Officer
Die Forschungsmethode
Für den Report hat Capgemini mit LinkedIn zusammengearbeitet, um Nachfrage und Angebot spezifischer digitaler Kompetenzen und Rollen im weltweiten und branchenübergreifenden Vergleich zu analysieren.
Capgemini befragte hierbei 753 Mitarbeiter und 501 Führungskräfte (auf dem Director-Level und höher) aus Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen US-Dollar für das Geschäftsjahr 2016 und mehr als 1.000 Mitarbeitern. Die Umfrage fand von Juni bis Juli 2017 statt und umfasste neun Länder: Frankreich, Deutschland, Indien, Italien, die Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, sowie sieben Industriesektoren: Automobilindustrie, Banken, Konsumgüter, Versicherungen, Einzelhandel, Telekommunikation und Versorger. Basierend auf Daten von LinkedIn analysierte Capgemini Angebot und Nachfrage spezifischer digitaler Fähigkeiten und Rollen innerhalb der neun Schwerpunktländer über sieben Branchenfelder hinweg. LinkedIn definiert „Nachfrage“ als einen Wert für die Häufigkeit, in der ein Mitglied mit einem bestimmten digitalen Skillset oder Titel von Recruitern angefragt wird. Hierfür entwickelte LinkedIn einen „Nachfrageindex“, um diejenigen mit dem meistgefragtesten digitalen Talent zu identifizieren. Dieser Index repräsentiert das Verhältnis der Anzahl eingegangener Nachrichten/InMails (d.h. die Recruiter-Outreach via LinkedIn Netzwerk), die durchschnittlich über die letzten 12 Monate (Nachfrage) an vereinzelte Mitglieder mit spezifischen digitalen Titel oder Fähigkeiten (Angebot) versandt wurden.
[1] Für die vorliegende Studie definierte LinkedIn „digital“ im breit gefassten Sinne mittels einer umfassende Liste von digitalen Hard- und Soft Skills und digitalen Berufstiteln, von denen LinkedIn und Capgemini glauben, dass sie [fast] alle Aktivitäten im Zusammenhang mit technologischen Innovationen repräsentieren.
[2] Ein “digitales Talent” oder “digitale talentierter Mitarbeiter” ist jemand, der mindestens einen der in der Studie definierten 24 digitalen Hard-Skills und mindestens vier der acht definierten digitalen Soft-Skills besitzt.
[3] Generation Y und Z beziehen sich auf Personen zwischen 18 – 36 Jahren.
2.11.2017, www.capgemini.com