Corona-Hilfen reduzieren Pleiten in ganz Europa
Das massive Eingreifen der Regierungen hat eine Insolvenzwelle in Europa durch die Coronakrise verhindert. In Westeuropa war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2020 so gering wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr!
Insgesamt wurden europaweit rund 120.000 Unternehmensinsolvenzen registriert. Das war ein deutlicher Rückgang um mehr als ein Viertel (minus 26,9 Prozent) gegenüber dem Vorjahr (2019: 163.000). Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie haben die meisten Staaten seit dem Frühjahr 2020 umfangreiche Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft auf den Weg gebracht – vor allem die finanziellen Hilfen und auch Änderungen am jeweiligen Insolvenzrecht haben in Summe zum doch paradoxen Rückgang der registrierten Insolvenzfälle geführt.
Nahezu alle untersuchten Länder Westeuropas (EU-15 plus Norwegen und die Schweiz) verzeichneten rückläufige Fallzahlen. Einzige Ausnahme war Irland mit einem minimalen Anstieg. Am deutlichsten lag die Zahl der Insolvenzen in Österreich, Frankreich, Dänemark und Belgien unter dem Vorjahresstand.
Weniger Insolvenzen auch in MOEL
In den Staaten Mittel- und Osteuropas nahmen die Insolvenzzahlen 2020 ebenfalls ab; um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Rund 44.800 Unternehmensinsolvenzen wurden registriert (2019: 49.119 Fälle). In Mittel- und Osteuropa dominiert der Handel das Insolvenzgeschehen mit einem Anteil von 42,7 Prozent aller Insolvenzen. In der Türkei gab es einen Anstieg der Insolvenzzahlen (plus 13,5 Prozent auf rund 16.000 Fälle).
In allen vier Hauptwirtschaftsbereichen nahm die Zahl der Insolvenzen in Westeuropa deutlich ab. Stark rückläufig war die Insolvenzentwicklung insbesondere im Baugewerbe (minus 31,7 Prozent) und im Handel (inkl. Gastgewerbe) mit minus 30,1 Prozent. Das Verarbeitende Gewerbe (minus 25,2 Prozent) und der Dienstleistungssektor (minus 22,5 Prozent) verzeichneten ebenfalls spürbare Rückgänge. Der Dienstleistungssektor dominiert sowohl zahlenmäßig (rund 50.000 Insolvenzfälle) als auch anteilmäßig (42,0 Prozent) das Insolvenzgeschehen in Westeuropa. Der Handel (inkl. Gastgewerbe) weist einen Anteil von 30,1 Prozent auf und das Baugewerbe ist am Insolvenzgeschehen mit 17,4 Prozent (20.700 Insolvenzfälle) beteiligt. Ein Zehntel aller Insolvenzen (10,5 Prozent) wurde im Verarbeitenden Gewerbe registriert.
Mit hohen Eigenkapitalquoten in die Krise
Die Unternehmen in Westeuropa sind mit starkem Puffer in die Coronakrise gegangen. Die Auswertung der Bilanzkennzahlen von mehr als drei Millionen Unternehmen aus dem Vorkrisenjahr zeigt, dass die Gewinnmargen und Eigenkapitalquoten 2019 nochmals zugenommen haben. Das hat die Stabilität erhöht: Ein großer Teil der Unternehmen (46,5 Prozent) verfügte demnach über eine hohe Eigenkapitalquote von über 50 Prozent. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber 2012 (40,1 Prozent). 21,9 Prozent der betrachteten Unternehmen gelten als eigenkapitalschwach (weniger als zehn Prozent Eigenkapital).
Gleichwohl verzeichnete mehr als jedes fünfte Unternehmen in Westeuropa (21,9 Prozent) mit seinem Geschäftsmodell keine Gewinne. Nach dem Coronaeinbruch dürften insbesondere auch diese Unternehmen das Insolvenzpotenzial der kommenden Jahre bilden; im Zusammenhang mit dem Auslaufen der staatlichen Hilfsmaßnahmen dürfte dieser Umstand zu steigenden Insolvenzen führen.
Der Blick auf die Alpenrepublik
In Österreich war fast die Hälfte aller Insolvenzen (45,7 Prozent) dem Dienstleistungsgewerbe zugehörig. Insgesamt wurden 3.106 Unternehmensinsolvenzen registriert. Das waren deutlich weniger als im Jahr zuvor (2019: 5.235).
Angesichts der dramatischen Verschlechterung der konjunkturellen Lage infolge der Corona-Eindämmungsmaßnahmen wurde in Österreich die Insolvenzantragspflicht aufgehoben. Das dürfte für den Rückgang der Insolvenzzahlen mitverantwortlich sein. Auch die geplante Verringerung des Entschuldungszeitraums dürfte dazu geführt haben, dass Insolvenzen ausblieben.
Quellen: Creditreform, Eurostat, Österreichisches Statistisches Zentralamt, Statistisches Bundesamt (BRD)
4.6.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at