Gegen Verstöße von Unternehmern gegen die auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes verordneten Maßnahmen können gesetzeskonform agierende Mitbewerber unter Umständen erfolgreich Unterlassung- und Schadenersatzansprüche nach dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 („UWG“) geltend machen.

Wettbewerbsverzerrungen von Handelsbetrieben mit breit gefächertes Sortiment. (Bild: pixabay.com)

Mit 16.03.2020 bis derzeit 13.04.2020 hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt.

Dieses Verbot gilt generell mit einigen explizit aufgelisteten Ausnahmen. Nicht erfasst sind folgende Bereiche:

  • Öffentliche Apotheken;
  • Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern;
  • Drogerien und Drogeriemärkte;
  • Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln;
  • Gesundheits- und Pflegedienstleistungen;
  • Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe–, Sozialhilfe–, Teilhabe– bzw. Chancengleichheitsgesetze erbracht werden;
  • Veterinärmedizinische Dienstleistungen;
  • Verkauf von Tierfutter;
  • Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten;
  • Notfall-Dienstleistungen;
  • Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel;- Tankstellen;
  • Banken;
  • Postdienstanbieter einschließlich deren Postpartner und Telekommunikation;
  • Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege;
  • Lieferdienste;
  • Öffentlicher Verkehr;
  • Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske;
  • Hygiene und Reinigungsdienstleistungen;
  • Abfallentsorgungsbetriebe;
  • KFZ-Werkstätten.

Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist ebenfalls untersagt, soweit sie nicht innerhalb einer Kranken-, Kur- oder Pflegeanstalt, einem Seniorenheim oder ähnlichen Einrichtungen betrieben werden. Ausgenommen sind Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

Außerdem wurde das Betreten öffentlicher Orte verboten. Davon ausgenommen sind unter anderem Betretungen, „die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind“.

Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 30.000,– zu bestrafen.

Neben Verwaltungsstrafen können bei einem Zuwiderhandeln aber auch wettbewerbsrechtliche Konsequenzen drohen. Das UWG untersagt nämlich Verstöße gegen „unlautere Geschäftspraktiken“ und „unlautere sonstige Handlungen“ im geschäftlichen Verkehr. Damit können gesetzeskonform agierende Mitbewerber – aber auch die Arbeiter- oder die Wirtschaftskammer – unter Umständen erfolgreich Unterlassung und bei Verschulden auch Schadenersatz nach dem UWG begehren. Außerdem können in einem Schnellverfahren einstweilige Verfügungen erwirkt werden, die vorläufigen Rechtsschutz gewähren.

Ein Verstoß gegen ein Gesetz oder eine Verordnung kann nach ständiger Rechtsprechung eine Wettbewerbsverletzung darstellen, weil sich der verstoßende Unternehmer durch diesen Rechtsbruch einen Vorteil gegenüber seinen normtreuen Mitbewerbern verschafft.

Eine Wettbewerbsverletzung könnte z.B. darin gesehen werden, wenn Supermärkte aus ihrem typischen Sortiment nicht nur Waren für die Grundversorgung (Lebensmittel, Futtermittel, Drogerieartikel, etc.) verkaufen, sondern auch andere Waren (Elektrogeräte, Geschirr, Spielwaren, etc.).

Aus dem Wortlaut der auf Basis des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassenen Verordnungen ist nicht unmittelbar ableitbar, dass der Verkauf bestimmter Waren verboten ist; es wird streng genommen „nur“ das Betreten des Kundenbereichs von bestimmten Betriebsstätten des Handels untersagt. Da z.B. Supermärkte betreten werden dürfen und kein explizites Verbot des Verkaufs bestimmter Waren erlassen wurde, dürften diese Betriebsstätten rein nach dem Wortlaut grundsätzlich alle Produkte verkaufen.

Die WKO geht davon aus, dass zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen Handelsbetriebe, die ein breit gefächertes Sortiment führen, ausschließlich ausgenommene Waren verkaufen dürfen und empfiehlt dafür geeignete Maßnahmen zu ergreifen, z.B. räumliche Abgrenzungsmaßnahmen oder Kennzeichnungen (https://www.wko.at/service/kriterien-schliessung-von-geschaeften.pdf).

Ein Verstoß gegen ein Gesetz oder eine Verordnung ist nur dann unlauter, wenn die verletzte Norm nicht mit guten Gründen so ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Eine vertretbare Rechtsansicht kann nämlich nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung die Unlauterkeit eines Verhaltens ausschließen. Der undeutliche Wortlaut des Betretungsverbots könnte so ausgelegt werden, dass davon ausgenommene Betriebsstätten alle dort bislang vertriebenen Waren verkaufen dürfen. Somit ist es fraglich, ob in solchen Fällen ein wettbewerbsrechtlich verfolgbarer Rechtsbruch im Sinn des UWG vorliegt.

Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nach dem UWG können aber neben dem dargestellten Rechtsbruch auch auf andere Grundlagen gestützt werden, z.B. auf ein allgemein unlauteres Verhalten, aggressive Geschäftspraktik oder auf Verstöße gegen die anständigen Marktgepflogenheiten.

Es wäre jedenfalls wünschenswert, wenn der Verordnungsgeber diese Rechtsunsicherheit beseitigen und wieder für einen fairen Wettbewerb sorgen würde.

26.3.2020 / Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH / www.fwp.at