Das Baukartell rollt an
Was involvierte Bauunternehmen in der öffentlichen Auftragsvergabe beachten müssen.
Autor: Rudolf Pekar / Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH
Die Untersuchungen im Baukartell laufen und erste Bußgeldanträge sollen laut Presseberichten bis Ende des Jahres beim Oberlandesgericht Wien eingebracht werden.
Kartellverstöße können auch im Vergaberecht Rechtsfolgen nach sich ziehen, die für betroffene Unternehmen schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Gerade der Bausektor ist oft von öffentlichen Aufträgen abhängig.
Um weder einen Ausschluss von Vergabeverfahren noch eine Vergabesperre von bis zu drei Jahren zu riskieren, sind rechtzeitig Maßnahmen zu setzen, um weitere Kartellverstöße zu vermeiden. Ein Ausschlussgrund, der auch über einzelne Vergabeverfahren hinaus von Auftraggebern zu beachten ist und zu einem grundsätzlich zwingenden Ausschluss bei Ausschreibungen führt, kann für Bauunternehmen unter Umständen existenzbedrohend sein.
Kein Ausschluss bei vergaberechtlicher „Selbstreinigung“
Unternehmen, die einen Ausschlussgrund gesetzt haben, bleibt daher grundsätzlich nur die Möglichkeit, Maßnahmen nach § 83 Abs 2 BVergG 2018 zu setzen, um weiterhin an Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Bei dieser „Selbstreinigung“ hat das Unternehmen nachzuweisen, dass geeignete personelle, technische, organisatorische Maßnahmen gesetzt wurden, um neuerliche Verfehlungen zu verhindern. Diese bisher im Vergaberecht schon vorgesehene Abhilfe wurde durch die Neuregelung im BVergG 2018 weiter verschärft.
Die nachstehenden „Selbstreinigungsmaßnahmen“ sind kumulativ von den Unternehmen zu setzen:
Schadensausgleich oder Verpflichtung zum Schadenersatz
Die erste zwingend zu setzende Maßnahme umfasst die Zahlung von Ausgleichsleistungen durch das Unternehmen oder die Verpflichtung dazu. Auszugleichen sind laut den Materialien zum BVergG 2018 alle durch das Fehlverhalten entstandenen Schäden, unabhängig davon, ob diese rechtskräftig gerichtlich festgestellt wurden.
Für Unternehmen und insbesondere deren vertretungsbefugte Organe sollte diese Vorgabe jedoch keinesfalls vorschnell erfüllt werden. Schon aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Pflicht zum Vermögenserhalt und der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft können unsubstantiierte Schadenersatzforderungen nicht anerkannt oder Ausgleichszahlungen geleistet werden. Aber auch um Schadenersatzansprüche zumindest dem Grunde nach anzuerkennen, werden jedenfalls entsprechend ausreichende Gründe vorliegen müssen.
Die Pflicht zum Schadensausgleich bringt im Hinblick auf Kartellverfahren weitere Beurteilungsschwierigkeiten. Fraglich ist beispielsweise, ob ein Schaden beim Auftraggeber eingetreten ist oder das Kartell für den Schaden kausal war. Die Schadenshöhe durch das Kartell ist ebenso kritisch zu sehen.
Eine nähere Beurteilung des Vergehens, der Begründung von Schadenersatzansprüchen und der allfälligen Prozessaussichten sollte vorgenommen werden. Dies dient insbesondere als Absicherung der Handlungsoptionen für das Unternehmen bzw die leitenden Organe und kann beispielsweise durch entsprechende Gutachten erfolgen. Ein Spannungsverhältnis zwischen vergaberechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Pflichten aufgrund der neuen Vorgaben an die Selbstreinigung werden allerdings bestehen bleiben.
Aktive Zusammenarbeit mit den Behörden
Wie auch bei der Pflicht zur Leistung von Ausgleichszahlungen ist bei der Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden das (verfassungsrechtlich) verankerte Prinzip, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen, zu berücksichtigen. Dieses nemo-tenetur-Prinzip zieht unserer Ansicht nach auch die Grenze für die Intensität und den Umfang der vergaberechtlichen Zusammenarbeitspflicht. Neben den für die Beurteilung des Ausschlussgrundes maßgeblichen Tatsachen sind insbesondere die tatbestandsrelevanten Tatsachen und Schadensumstände für die Aufklärung wesentlich.
Für die Beurteilung des Vorliegens des Ausschlussgrundes bzw der gesetzten Maßnahmen der Selbstreinigung muss der Bieter allenfalls auch mit dem Auftraggeber zusammenarbeiten.
Welche Mitwirkungsleistungen ausreichen, ist im Einzelfall zu prüfen. Auch hier haben sich in der Vergangenheit interne bzw externe Prüfberichte und Stellungnahmen bzw Rechtsgutachten als sinnvoll erwiesen. Die umfassende Dokumentation der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden ist ebenso wichtig.
Setzung effektiver Maßnahmen
Das BVergG 2018 sieht für die ebenfalls zwingend zu setzenden Compliance-Maßnahmen nur einen beispielhaften Katalog vor, die es als ausreichend für die Glaubhaftmachung der vergaberechtlichen Zuverlässigkeit des Unternehmens ansieht. Welche Maßnahmen in welchem Umfang jedoch zu setzen sind, ist immer im Einzelfall zu beurteilen. Die Maßnahmen sind aber nur dann ausreichend, wenn sie geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu verhindern.
Als relevante Maßnahmen kommen beispielsweise in Betracht:
- Durchführung von Aufklärungskampagnen
- Einführung oder Adaptierung von Compliance-Managementsystemen
- Prüfung der allenfalls erforderlichen Abberufung der involvierten Leitungsorgane
- Einführung oder Adaptierung von internen Revisions- und Kontrollsystemen
- Schulungsmaßnahmen
- Vier-Augen-Prinzip oder Funktionstrennung
- besondere interne Genehmigungsverfahren bei kritischen Unternehmensbereichen
- Rechtsgutachten über die durchgeführten Maßnahmen
Die Maßnahmen müssen sich an der Struktur und der Größe des jeweiligen Unternehmens orientieren. Dabei ist auch das jeweilige Vergehen zu berücksichtigen. Eine Prüfung der zu setzenden Maßnahmen ist im Einzelfall aber immer erforderlich.
Eine frühzeitige Auseinandersetzung auch mit den möglichen vergaberechtlichen Auswirkungen von kartellrechtlichen Verstößen ist zur Verhinderung eines Ausschlusses von Vergabeverfahren also wesentlich. Die Implementierung oder Adaptierung von Selbstreinigungsmaßnahmen ist für solche Unternehmen in Kartellverfahren unerlässlich, die regelmäßig auf Bieterseite in Vergabeverfahren auftreten.
3.9.2019, Autor: Rudolf Pekar / www.fwp.at