Trend zur „Paketlösung“ nun auch im Exekutionsrecht: Ab 1.7.2021 können Gläubiger zwischen einem kleinen und einem erweiterten Exekutionspaket wählen und dadurch zugleich mehrere Exekutionsarten abdecken. Dies soll – so die erklärte Hoffnung des Gesetzgebers – allen Verfahrensbeteiligten die Mühen wiederholter Anträge und ausufernder Exekutionsverfahren ersparen. (Bild: pexels.com / Montage)

Das in der Exekutionsordnung geregelte Zwangsvollstreckungsrecht ist trotz zahlreicher kleinerer Reformen in die Jahre gekommen. Vor allem ist die Hereinbringung von Geldforderungen schwerfällig und formalistisch geregelt. Die am 22.4.2021 im Nationalrat beschlossene „Gesamtreform des Exekutionsrechts“, die ab 1.7.2021 gelten wird, soll nun für alle am Exekutionsverfahren beteiligten Parteien Verbesserungen bringen. Welche Neuerungen sind besonders relevant?

Lieber Paket statt Spezialität
Das Exekutionsrecht ist davon geprägt, dass der die Zwangsvollstreckung betreibende Gläubiger genau angeben muss, welche Vermögenswerte des Schuldners gepfändet und verwertet werden sollen (Spezialitätsprinzip). Da der Gläubiger aber typischerweise nicht weiß, was dem Schuldner alles gehört, muss er das Exekutionsverfahren häufig auch zur Informationsgewinnung nutzen.

Einerseits wurde auf Verdacht hin zuerst meistens die Pfändung von verwertbaren Gegenständen (Fahrnissen) am Wohn- oder Geschäftssitz des Schuldners beantragt. Vielleicht hatte man ja Glück und der Gerichtsvollzieher würde tatsächlich etwas Wertvolles finden. Zumindest wurde bei einem solchen „Hausbesuch“ aber ein Vermögensverzeichnis des Schuldners erstellt. Daraus ergab sich dann ein eventuell lohnenderes Objekt für einen weiteren Exekutionsantrag, wobei in der Praxis die Vermögenswerte bis zur neuerlichen Exekutionsbewilligung schon wieder verschwunden sein konnten. Zusätzlich wurde meist eine Forderungsexekution gegenüber Drittschuldnern wie Banken oder Versicherungen versucht, um Guthaben des Schuldners zu pfänden. Da nur selten bekannt ist, welche Drittschuldner es gibt, wurde häufig nach dem Zufallsprinzip gesucht – irgendwo musste der Schuldner ja zumindest ein Bankkonto haben. Selbst Gehaltsexekutionen mehrerer Gläubiger konnten häufig unkoordiniert nebeneinander laufen, weil verschiedene Gerichtszuständigkeiten in Frage kamen. Sollten andere Vermögensrechte (wie Anwartschaften aus einer Erbschaft, nicht verbüchertes Liegenschaftseigentum etc) in Exekution gezogen werden, waren aufgrund des formalistischen Ablaufs meistens überhaupt mehrere gebührenpflichtige Exekutionsanträge und dann noch Gerichtsverhandlungen über die Art der Verwertung notwendig.

Das alles führte zu unnötigen Belastungen für die Gläubiger, die Gerichte, die Drittschuldner (wie Arbeitgeber oder Banken) und letztlich auch für die Schuldner selbst, die ja die Exekutionskosten schlussendlich tragen müssen. Mit alldem soll nach der Reform nun aufgeräumt werden, indem es zukünftig verschiedene Paketlösungen zur Hereinbringung von Geldforderungen gibt, die der Gläubiger in seinem Antrag wählen kann:

Als „Einstiegslösung“ sieht der Gesetzgeber nun das kleine Exekutionspaket vor. Dieses umfasst die Fahrnisexekution, die Exekution auf wiederkehrende beschränkt pfändbare Geldforderungen (worunter insbesondere Gehaltsforderungen fallen) und die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses. Gegen Schuldner, die natürliche Personen sind, wird dieses Paket zukünftig wohl das häufigste Mittel der Wahl sein.

Das erweiterte Exekutionspaket deckt demgegenüber alle Arten der Exekution auf bewegliches Vermögen (Fahrnisse, alle Arten von Forderungen, sonstige Vermögensrechte) ab und umfasst auch die Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses. Theoretisch hätte man auch bisher all das in einem einzigen Exekutionsantrag paketweise zusammenschnüren können. Praktisch scheiterte der betreibende Gläubiger freilich am Spezialitätsprinzip, weil er die dafür notwendigen Informationen aus der Sphäre des Schuldners nicht hatte und daher keinen ausreichend bestimmten Exekutionsantrag auf alle beweglichen Vermögenswerte des Schuldners formulieren konnte. Damit das erweiterte Paket daher in der Praxis funktioniert, ist zur Durchführung zunächst die Bestellung eines Verwalters vorgesehen. Als Vorbild dient der Insolvenzverwalter, der nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekanntlich alle verwertbaren Vermögenswerte zum Wohl der Gläubiger veräußert und den Erlös zu verteilen hat. Nun soll die damit einhergehende zentrale Steuerung des Verwertungsvorgangs bereits einsetzen, wenn der Schuldner noch nicht insolvenzreif ist. Die Bestellung eines Verwalters verursacht zwar zusätzliche Kosten, die der betreibende Gläubiger zu bevorschussen hat, deren Ersatz er aber vom Verpflichteten verlangen kann. Für seinen Vorschuss kauft sich der Gläubiger aber auch eine Entlastung, weil sich die Anzahl der für die Weiterführung des Verfahrens notwendigen Anträge typischerweise wesentlich verringern wird.

Vereinfachend kommt nunmehr hinzu, dass die Gerichtszuständigkeit für die Exekutionspakete als auch generell für alle Exekutionen auf das bewegliche Vermögen am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners konzentriert wird und die Paket-Exekution so lange von Amts wegen fortgeführt wird, bis die Forderung hereingebracht ist. Für die Gläubiger sollte das im Ergebnis weniger Koordinations- und Antragsaufwand bedeuten. Für Arbeitgeber von Schuldnern sollte sich der Aufwand mit Gehaltsexekutionen ebenso spürbar verringern, weil die Gerichtszuständigkeit so zentralisiert und mit dem Verwalter eine zentrale Drehscheibe etabliert wird.

Neben den „Paketlösungen“ verbleibt den betreibenden Gläubigern aber auch weiterhin die Möglichkeit, selbst Vermögenswerte des Schuldners zu finden und zu pfänden, ohne einen Verwalter zu beantragen. Bei geringfügigeren hereinzubringenden Forderungen unter EUR 10.000 setzt die Bewilligung des erweiterten Exekutionspakets zudem voraus, dass zuvor das „kleine“ Exekutionspaket versucht wurde, dieses aber nicht zur Befriedigung des Gläubigers geführt hat

Der Verwalter als neuer Player im Exekutionsverfahren
Eine zentrale Rolle bei der erweiterten Paketlösung spielt der neu eingeführte Verwalter. Dieser muss vom Gericht anhand einer Liste ausgewählt werden, wobei auf die besonderen Kenntnisse und die Berufserfahrung Rücksicht zu nehmen ist. Für seine Tätigkeit gebührt dem Verwalter ein gestaffelter Prozentbetrag von den erwirtschafteten Beträgen, mindestens aber EUR 500. Abzustellen ist dabei auf den bei der Verwertung erzielten Bruttoerlös, abzüglich jener Beträge, die an Dritte zu zahlen sind. Der Verwalter muss unabhängig, verlässlich und geschäftskundig sein und hat alle denkbaren Interessenskonflikte umgehend dem Gericht offenzulegen. Das Gericht überwacht zudem seine Tätigkeit. Führt der Verwalter sein Amt pflichtwidrig, ist er allen Beteiligten für daraus resultierende Vermögensnachteile haftbar.

Der vom Exekutionsgericht bestellte Verwalter hat, wenn möglich unter Zuziehung des Verpflichteten, unverzüglich pfändbare Vermögensobjekte zu ermitteln und diese in ein Inventar aufzunehmen. Dazu darf er die Liegenschaften, Geschäftsräume und Wohnung des Verpflichteten betreten und dort Nachforschungen anstellen. Die zur Deckung der hereinzubringenden Forderung erforderlichen Vermögensobjekte kann er daran anschließend direkt pfänden. Er kann den Verpflichteten auch zur Abgabe eines förmlichen Vermögensverzeichnisses auffordern.

Unpfändbare Vermögensobjekte (wie etwa das Existenzminimum oder der Ehering) bleiben natürlich auch dem Zugriff des Verwalters entzogen. Das Exekutionsgericht kann zudem auf Antrag ein gepfändetes Vermögensobjekt dem Verpflichteten überlassen und von dessen Verwertung absehen, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Fortsetzung oder Durchführung der Exekution auf dieses Vermögensobjekt einen die Kosten übersteigenden Ertrag ergeben wird.

Die Koordinationsfunktion des Verwalters wird besonders dann sehr relevant, wenn zugunsten mehrerer Gläubiger ein erweitertes Exekutionspaket bewilligt wurde. Diese treten dem bereits bewilligten Verfahren bei. Allerdings bleibt es bei „first come, first serve“: Der später hinzugetretene Gläubiger erwirbt mit der Bewilligung nur nachrangige Pfandrechte an den bereits gepfändeten Vermögensobjekten und muss das Verfahren in der Lage annehmen, in der es sich zur Zeit seines Beitrittes befindet. Neu aufgefundene Vermögensobjekte werden zugunsten aller Gläubiger mit einem anhängigen erweiterten Exekutionspaket gepfändet, wobei der Rang sich danach richtet, wann zugunsten des jeweiligen Gläubigers erstmals ein Pfandrecht begründet wurde.

Wenn andere Gläubiger gezielt Jagd auf einzelne Vermögenswerte des Schuldners machen (die „Paketlösung“ ist ja nicht verpflichtend), agiert ein bereits bestellter Verwalter auch für diese „Einzelkämpfer“ als Kurator, wenn aus der Verwertung ein Mehrerlös resultiert. So wird verhindert, dass der Verwalter einen aus einer vorrangigen Verwertung verbleibenden Erlös an den Schuldner zurückgibt statt an einen betreibenden Gläubiger, der kein Exekutionspaket bestellt hat. In der Praxis werden sich aufgrund des Nebeneinanders von „Paketlösungen“ und Einzelexekutionen ohne Verwalter aber wohl dennoch diverse Abgrenzungsfragen ergeben.

Reichen die gepfändeten Vermögensobjekte zur Deckung der Forderungen nicht aus, so hat der Verwalter weitere Vermögensobjekte zu ermitteln, zu pfänden und zu verwerten. Der Verpflichtete hat dem Verwalter alle zur Durchführung des Exekutionsverfahrens nötigen Unterlagen zu übergeben und alle erforderlichen Aufklärungen zu erteilen. Er hat auch an der Aufhebung von Sperren, die den bestimmungsgemäßen Gebrauch gepfändeter Vermögensobjekte einschränken oder verhindern, mitzuwirken – dadurch ist zum Beispiel sichergestellt, dass der Verpflichtete den PIN-Code für das gepfändete Mobiltelefon oder den private key für die gepfändeten Bitcoins herausrücken muss.

Das Exekutionsgericht kann nun diese Mitwirkungspflichten des Verpflichteten auch erzwingen, wenn er diese beharrlich und ohne hinreichenden Grund nicht erfüllt. In Frage kommen hier Beugestrafen bis hin zur Haft.

Verhältnis zum Insolvenzverfahren
Bislang laufen Exekutionsverfahren und Insolvenzverfahren zwar nicht gleichzeitig ab, weil bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich alle Exekutionen von Amts wegen einzustellen sind. Jedoch zeigt die Praxis, dass Exekutionen tendenziell zu lange laufen, auch wenn die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist. Das erzeugt unnötige Zinsen und Kosten. Werden Forderungen im Rahmen des Exekutionsverfahrens durchgesetzt, obwohl der Schuldner zahlungsunfähig war, so ist die Hereinbringung in einem späteren Insolvenzverfahren zudem häufig anfechtbar; die hereingebrachten Beträge sind dann zurückzuzahlen. Sowohl der Verfahrensaufwand des Exekutionsverfahrens als auch der Aufwand der Anfechtung wären vermeidbar gewesen, wenn das Insolvenzverfahren rechtzeitig eröffnet worden wäre. Auch sonst sind die Übergänge teilweise holprig, etwa, weil Beschlüsse über die Festsetzung des Existenzminimums im Insolvenzverfahren neu gefasst werden müssen, obwohl die höchstmögliche Pfändung des Arbeitseinkommens in der Regel schon im Exekutionsverfahren erfolgte. Durch die Gesamtreform sollen derartige Stolpersteine und Doppelgleisigkeiten geglättet werden.

Insbesondere weil der neu zu bestellende Verwalter einen sehr guten Überblick über die Vermögenssituation des Verpflichteten erlangt, soll eine zu Tage tretende offenkundige Zahlungsunfähigkeit durch das Exekutionsgericht beschlussmäßig festgestellt und veröffentlicht werden können. Daran wird häufig die Stellung eines Insolvenzantrags durch den Gläubiger beim Insolvenzgericht anschließen.

Dadurch wird das zentrale Abgrenzungskriterium zwischen Exekutions- und Insolvenzverfahren – Eintritt der Zahlungsunfähigkeit – zwar nicht verändert, aber in der Praxis hoffentlich besser angewendet.

Sinnvolle Neuerungen, aber kein vollständiger Systemwechsel
Das neue Exekutionsrecht entstaubt die in der Stammfassung aus dem 19. Jahrhundert stammenden Regelungen spürbar – nicht nur sprachlich verabschiedet man sich nun endgültig von der „Execution“, sondern auch sonst werden Erkenntnisse aus der Praxis verwertet und unnötig komplizierte Insellösungen aufgegeben. Für betreibende Gläubiger bleibt neben der bequemeren, aber kostspieligeren und wohl auch langwierigeren Beschäftigung eines Verwalters freilich weiterhin die Möglichkeit, gezielt selbst in bestimmte Vermögenswerte des Schuldners zu vollstrecken. Die Praxis wird zeigen, ob dieses Nebeneinander von 19. und 21. Jahrhundert harmonisch funktionieren kann. Insbesondere die Klärung, wer nun Priorität genießt, wird die Gerichte weiterhin und wohl sogar intensiver beschäftigen als bisher, wo zwar viele einzelne Verfahren geführt wurden, der Rang der einzelnen Gläubiger aber verhältnismäßig einfach bestimmbar war. Unberührt bleibt auch die Pfändung und Verwertung von Liegenschaftsvermögen oder das weite Feld der Vollstreckung von Handlungspflichten, Duldungen oder Unterlassungen. Hier bleibt das bisherige Antrags- und Spezialitätsprinzip unangetastet.

Was heißt das für Gläubiger?
Insgesamt liefert die Reform daher für alle ab dem 1.7.2021 eingeleiteten Exekutionsverfahren ein gelungenes Update, aber keinen vollständigen Systemwechsel. Die gekonnte Antragstellung wird weiterhin Gespür im Einzelfall erfordern – insbesondere wird nicht immer eine erweiterte „Paketlösung“ sinnvoll und notwendig sein. Bei aufwendigeren Verwertungen sollte aber nun gesichert sein, dass Gläubiger mit höherer Wahrscheinlichkeit zu ihrem Geld kommen. Die vereinfachten, „paketweisen“ Verfahren werden aber auch für andere Beteiligte am Exekutionsverfahren Erleichterungen mit sich bringen.

5.5.2021 / Autoren: Dr. Stephan Steinhofer, Mag. Robert Keimelmayr / DORDA Rechtsanwälte GmbH / www.dorda.at