Das Geheimnis der Blüten
Die Palette der essbaren Blüten ist riesig – ob im Garten oder in der freien Natur. Dabei spielt(e) auch Essig eine wichtige Rolle.
von Paul Christian Jezek
In der asiatischen Küche werden Lilien, Ringelblumen und Orangenblüten schon seit mehr als einem Jahrtausend verwendet. Die alten Römer verfeinerten ihre Speisen mit Malven, Nelken, Veilchen, Rosen und Lavendel (besonders für Saucen). Als in der Entdeckerzeit seit dem 16. Jahrhundert viele neue Pflanzen nach Europa eingeführt wurden, stieg das Interesse an der Verwendung und Konservierung von Blüten noch weiter. Vor allem in England entwickelte sich die Kunst der Blüten-Küche, die immer anspruchsvoller wurde und im 17. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte. Blüten gehörten wie Kräuter zu den gängigen Küchenzutaten.
Neben Rosenwasser und Rosenöl wurde mit Rosen, Nelken und Veilchen aromatisierter Essig in Glaskrügen aufbewahrt. Dazu kamen in Zucker konservierte Blüten sowie Blütensirup aus Borretsch, Lavendel, Veilchen, Rosmarin und Rosen. Kandierte Veilchen, mit Zucker überzogene Blüten oder „Zuckerpaste“ waren beliebte Leckereien. Weiter verwendete man Blüten zum Aromatisieren verschiedener Getränke wie Likör, Wein und auch Tee.
Aus überlieferten Rezepten weiß man seit dem Römischen Reich, dass aus verschiedenen Blüten auch sehr schmackhafte Sommersalate zubereitet wurden, die bei großen Festen zum kulinarischen Mittelpunkt zählten. Im Winter wurden die Salate mit kandierten oder in Essig eingelegten Blüten verfeinert. Im 19. Jahrhundert ging die Kunst der Blüten-Küche weitgehend verloren – seit einiger Zeit feiert sie jedoch eine Renaissance. Mittlerweile ist sie nicht mehr „nur“ in der gehobenen Gastronomie, sondern auch in der bodenständigen Küche wieder anzutreffen.
Blüten – jetzt!
Im Österreich des Jahres 2020 sind beispielsweise Blüten von Lauchgewächsen sehr beliebt, die einen ganz intensiven Geschmack haben. Dazu zählt etwa der Schnittlauch, dessen violette Blüten den Speisen einen besonderen Pfiff verleihen können. Vielen Feinschmeckern munden die Blüten sogar besser als der Schnittlauch selbst. Sie passen hervorragend zu einem Fleischgericht oder zum Salat. Man kann sie aber auch mit Salz vermischen und hat dann ein wunderbar würziges Kräutersalz.
Eine spezielle Würze versprechen auch Porreeblüten. Wenn man diese Lauchpflanze im Herbst stehen lässt, beginnt sie im Frühling zu blühen. Porreeblüten haben einen starken, intensiven Geschmack, wie auch Zwiebelgewächse – besonders die Winterheckzwiebel, die wunderschön und sehr lange blüht. Beide Blüten sind weiß und kugelig. Große, violette Blüten bildet hingegen der Zierlauch aus.
Vom Kren kann man alle „Teile“ essen – so sind die zarten, weißen Blüten durchaus zum Würzen geeignet: nicht so intensiv wie die Wurzel, aber sie peppen jeden Salat auf. Interessant ist auch der Geschmack der Nachtkerzenblüten, die ein wenig nach Schinken schmecken. Sie blühen in der Nacht: Steht man früh auf, sieht man noch die gelben Blüten und kann sie als Frühstück genießen. Ebenso kann man von Salatpflanzen die Blüten zum Würzen nehmen, vor allem vom Ruccola: Knospen und Blüten haben einen ganz intensiven Geschmack, noch mehr als die Blätter selber. Sie haben dazu noch dekorativen Charakter.
Ein Geheimtipp ist die Blütenbutter, wofür sich vor allem die aromatischen Blüten von Borretsch, Kapuzinerkresse, Lavendel, Nelken, Rosen oder Stiefmütterchen eignen. Man rechnet ca. eine Handvoll Blüten für 500 g Butter: Unter die zimmerwarme Butter die etwas zerkleinerten Blüten rühren, dann die Masse in Alufolie wickeln und kühl stellen. Vor dem Verzehr kann die Butter noch mit Blüten verziert werden.
23.7.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at