Bis zum Jahr 2003 hat noch nie in Österreichs Wirtschaftsgeschichte ein Unternehmen in so kurzer Zeit so viel Geld vernichtet wie Libro: Aus mehr als zehn Milliarden Schilling Börsenkapitalisierung zu Höchstkursen in den besten Zeiten wurden lächerliche fünf Millionen Euro „Gelegenheitskaufpreis“ für Josef Taus per 1. 1. 2003.

Der Fall Libro
Der Fall Libro

Vom damaligen Billa-Eigentümer Karl Wlaschek 1978 als Buchdiskonter gegründet, entwickelte sich das Unternehmen anfangs durchaus erfolgreich. Allerdings verlief der Verkauf von Papier- und Schreibwaren, Büchern und Tonträgern weitgehend unspektakulär, bis der Visionär André M. Rettberg ab 1996 nicht nur Anteile am Unternehmen, sondern auch definitiv die Macht übernommen hat. Es folgte Expansion pur: 1998 wurde die Buchhandelskette Amadeus gekauft und ausgebaut, 1999 stieg die „Tainment Company“ mit lion.cc in den damals boomenden Internetmarkt ein und ging im selben Jahr an die Börse. Die Emission zählte bei siebenfacher Überzeichnung zu den erfolgreichsten am Wiener Finanzplatz, der Höchstkurs lag um 145 Prozent über dem Ausgabekurs von 29 Euro.

Aber bereits im Geschäftsjahr 1999/2000 rutschte Libro in die Verlustzone ab. Ab Weihnachten 2000 wurde die Liquidität knapp. Im Juni 2001 musste das „Aushängeschild der österreichischen Wirtschaft“ den Ausgleich anmelden, im September war die Libro-Aktie nur noch einen Euro wert. Nach einem Kapitalschnitt war das Unternehmen schon im April 2002 wieder in Finanznöten, im Juni wurde der Konkurs angemeldet. Mit Passiva von 349 Millionen Euro legte Libro das drittgrößte Insolvenzverfahren in der österreichischen Geschichte hin. Die neuen Eigentümer rund um Josef Taus und Martin Waldhäusl versuchen derzeit, etwa 200 übrig gebliebene österreichische Filialen überlebensfähig zu machen, und werden dafür ein Vielfaches des mickrigen Kaufpreises von fünf Millionen Euro investieren müssen.

Paul Christian Jezek hat minutiös recherchiert, wie dieser Firmen-Ikarus in so kurzer Zeit abstürzen konnte, was aus den zeitweise mehr als zehn Milliarden Schilling Börsenwert wurde, warum sich die Telekom Austria zu Höchstpreisen mit 25 % und einer Aktie am vermeintlichen Blue Chip beteiligt hatte – und was hinter jener Sonderdividende im Ausmaß von nicht weniger als 440 Millionen Schilling steckt, die sich die Altaktionäre rund um André Rettberg im Zuge des Börsengangs genehmigt haben …

Paul Christian Jezek
Paul Christian Jezek

Paul Christian Jezek, DER FALL LIBRO
Die Megapleite der Tainment-Phantasten
296 Seiten, Schwarzweiß-Illustrationen, Format: 12,5 x 20,6 cm, Efalin,
vierfarbiger Schutzumschlag, erschienen Anfang April 2003
Preis: 19,90 Euro
Verlag Orac, ISBN 3-7015-0450-4