Deutschland fördert mit der Mission „Technik für den Menschen“ interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität. (Symbolbild: pexels.com)

Europa, Asien und Amerika passen mit der allmählichen Öffnung der Wirtschaft nach der Pandemie ihre Förderprogramme für die Robotik-Forschung (F&E) an. Was aber sind die Ziele der offiziell betriebenen Regierungsprogramme heute? Die International Federation of Robotics hat recherchiert und die Ergebnisse mit dem 2021er Update der „World Robotics R&D Programs“ veröffentlicht.

„Die fünf fortschrittlichsten Robotik-Länder – Südkorea, Japan, Deutschland, USA und China – verfolgen einen sehr unterschiedlichen strategischen Fokus“, erklärt Prof. Dr. Jong-Oh Park, stellvertretetender Vorsitzender des IFR-Forschungsausschusses und Mitglied des Executive Board. Der Strategieplan „Made in China 2025“ dient als Blaupause für die Verbesserung der Fertigungskapazitäten der chinesischen Industrie. Um die rasche Entwicklung intelligenter Robotertechnologie zu fördern, wurde das Sonderprogramm „Intelligente Roboter“ aufgelegt, das die Innovationskette miteinbezieht. Der Fokus liegt auf grundlegenden Spitzentechnologien intelligenter Roboter, Robotern neuer Generation, gemeinsamen Schlüsseltechnologien, Industrierobotern, Servicerobotern und Spezialrobotern. Die Entwicklungsziele setzen auf ein kontinuierliches Wachstum des industriellen Einsatzes. China möchte mindestens drei führende Unternehmen mit internationaler Wettbewerbsfähigkeit entwickeln und mehr als fünf Cluster roboterunterstützender Industrien schaffen. Das statistische Jahrbuch „World Robotics“ der IFR zeigt, dass China in der verarbeitenden Industrie bereits eine Roboterdichte von 187 Einheiten pro 10.000 Arbeiter erreicht hat – das Land liegt damit weltweit auf Platz 15.

In Japan zielt die „New Robot Strategy“ darauf ab, das Land zur weltweiten Nummer eins im Bereich der Roboterinnovation zu machen. Die Rate der Robotisierung im Fertigungssektor soll bei Großunternehmen um 25 und bei KMUs um zehn Prozent gesteigert werden. Ein wichtiger Leistungsindikator ist zudem, den Markt für Systemintegratoren auszuweiten – diese arbeiten als Mittler zwischen Hersteller und Anwender. Der Aktionsplan umfasst wichtige Bereiche der Servicerobotik wie Landwirtschaft, Infrastruktur und Gesundheitswesen. Allein der Bereich Pflege & Medizin verfügt über ein Budget von 997,3 Millionen US-Dollar und unterstützt die Gesundheitsdatenreform durch praktische Roboteranwendungen und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Laut „World Robotics“ der International Federation of Robotics ist Japan der weltweit führende Hersteller von Industrierobotern und deckte 2019 insgesamt 47 Prozent des globalen Bedarfs.

Mehr als eine Milliarde USD Budget
Südkorea forciert mit dem „Intelligent Robot Development and Supply Promotion Act“ die Entwicklung der Roboterindustrie des Landes als Kernindustrie der vierten industriellen Revolution. Schwerpunktbereiche sind Fertigungsbetriebe (mit einem speziellen Programm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von KMU-Fertigungsstandorten), bestimmte Bereiche der Servicerobotik (einschließlich Gesundheitswesen und Logistik) sowie Schlüsselkomponenten und -software für Roboter. Für das regierungsübergreifende Projekt „Full Cycle Medical Device Development“ plant die Regierung bis 2025 ein Budget von 1,07 Milliarden US-Dollar ein (1,2 Billionen KRW). „World Robotics“ weist für 2019 einen neuen Rekordbestand von rund 319.000 Industrierobotern in Südkorea aus (+13 Prozent). Innerhalb von fünf Jahren hat das Land die Zahl seiner in Betrieb befindlichen Industrieroboter verdoppelt. Nach Japan und China belegte das Land 2019 den dritten Platz.

Das neue europäische Rahmenprogramm Horizont Europa fördert Forschung und Innovation bis 2027. Aufbauend auf den Ergebnissen und Erfolgen von Horizont 2020 unterstützt die Neuauflage die Spitzenforschung, Innovatoren sowie die Allgemeinheit darin, Wissen und Lösungen für eine grüne, digitale und gesunde Zukunft zu entwickeln. Das Arbeitsprogramm der Robotik ist im Cluster 4 „Digital, Industrie und Raumfahrt“ eingebettet. R&D&I-Projekte der Robotik konzentrieren sich auf den digitalen Wandel in der Fertigungs- und Baubranche, autonome Lösungen zur Unterstützung von Arbeitskräften, verbesserte Kognition und Mensch-Roboter-Kollaboration. Das robotikspezifische Arbeitsprogramm 2021/22 in Cluster 4 wird insgesamt 240 Millionen US-Dollar (198,7 Millionen Euro) zur Verfügung stellen.

Technik für den Menschen
Die Hightech-Strategie 2025 in Deutschland ist die vierte Auflage des deutschen Forschungs- und Innovationsprogramms. Ziel ist es, gute Ideen schnell in innovative Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Der größte Teil des Rahmenprogramms fördert Partnerschaften zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, um institutionelle Forschung und unternehmerische Expertise zusammenzuführen. Bis 2025 sollen jährlich 3,5 Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investiert werden. Unter der Mission „Technik für den Menschen“ wurde 2020 u.a. das Programm „Miteinander durch Innovation“ gestartet, das interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität fördert. Mit diesem Forschungsprogramm stellt das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2026 jährlich rund 84 Millionen US-Dollar (70 Millionen Euro) zur Verfügung.

In den USA wurde die National Robotics Initiative (NRI) von der US-Regierung zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung im Bereich Robotik ins Leben gerufen. Mit der NRI-2.0 wird die Zusammenarbeit zwischen akademischen, industriellen, gemeinnützigen und anderen Organisationen gefördert, um eine bessere Verbindung zwischen Grundlagenwissenschaft, Technik, Technologieentwicklung, Einsatz und Nutzung zu erreichen.

Einen Schlüsselsektor bildet die Weltraumrobotik mit dem Mondprogramm „Artemis“. Ziel von Artemis ist es, bis 2024 Astronauten auf die Mondoberfläche zurückzubringen und aussichtsreiche Ressourcen für Marsmissionen in der Zeit nach 2024 zu entwickeln. Artemis ist ein gemeinsames Raumfahrtprogramm der NASA und internationalen Partnern wie der ESA (bestehend aus 22 Ländern), Kanada, Japan und Russland.

Die US-Regierung plant bis 2024 ein Budget von 35 Milliarden US-Dollar ein. Der größte Geldgeber für die Entwicklung unbemannter Systeme inklusive Robotik ist nach wie vor das US-Verteidigungsministerium (DoD) mit einem geplanten Budget von 7,3 Milliarden US-Dollar in den Jahren 2020/21. Laut des statistischen Jahrbuchs „World Robotics“ der International Federation of Robotics ist die Roboterdichte in der US-Fertigungsindustrie von 2014 bis 2019 mit 228 Robotern pro 10.000 Beschäftigte um 7 Prozent (CAGR) gewachsen – Platz 9 weltweit. Bei den jährlichen Installationen von Industrierobotern nimmt das Land die dritte Position ein.

Kurzer Blick auf Österreich: Digitalisierung und Technisierung entlasten die Landwirte und schonen die Umwelt
Bei der zweiten Veranstaltung der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zum „Innovation Deal“ wurden kürzlich die Chancen und Potenziale von Digitalisierung und Technisierung für die Landwirtschaft diskutiert. Christoph Metzker, Vorstandsdirektor der RWA Raiffeisen Ware Austria, und Heinrich Prankl, stellvertretender Direktor des Francisco Josephinums und Initiator der Innovation Farm, kamen dabei überein, dass Roboter und Precision Farming 2030 bereits breitflächig und überbetrieblich eingesetzt werden. Sie betonten, dass Landwirte schon jetzt Farm-Managementsysteme nutzen, welche die Betriebsführung vereinfachen und stetig Daten sammeln, die in die Innovationen von morgen fließen. Zum Thema „Mehr als nur Drohne: Innovationen für die Zukunftsbranche Landwirtschaft“ stellten sie zudem klar, dass eine entsprechende Ausbildung und ein steter Wissenstransfer in die Landwirtschaft gewährleistet werden sollten.

Der Obmann der IGP, Christian Stockmar, verwies auf ein gemeinsames Positionspapier der Agrar- und Anbauverbände, das auch die IGP unterzeichnet hat. Darin fordern sie die Entwicklung von Modellen für die Integration von Technologie und Digitalisierung in die land- und forstwirtschaftliche Produktion. „Auch die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln investieren bis 2030 insgesamt zehn Milliarden Euro in die Entwicklung von digitalen und technologischen Lösungen. Das Ziel ist, zur Erreichung der Ziele im Green Deal beizutragen und gleichzeitig die Produktivität und Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu fördern“, so Stockmar.

Landmaschinen leisten Beitrag zur Betriebsführung
Die Landwirtschaft sollte ganzheitlich betrachtet werden, denn sie funktioniert in einem Ökosystem mit zahlreichen Ressourcen wie Boden und Wasser, aber auch Zeit und Kapital. Zwischen allen muss ein Gleichgewicht herrschen, betont Christoph Metzker. Technologie und Digitalisierung können viele Lösungen beisteuern, indem sie den Umgang mit Ressourcen effizienter, einfacher und besser gestalten. Aber nur wenn man Systeme und Applikationen miteinander verbindet, bringt das auch einen Nutzen für Landwirte.

„Landwirte nützen bereits jetzt Farm-Managementsysteme bei der Betriebsführung. Sie haben den Vorteil, dass der Bauer über digitale Felddaten verfügt, über die er auf jedes Feld zugreifen, eine Anbausaison planen und Arbeitsschritte erfassen kann. Die direkte Verbindung zum Pflanzenschutzmittel-Register sichert ihn rechtlich ab. Da Traktoren dank der RTK-Signale autonom und auf ein bis zwei Zentimeter genau fahren, kann sich der Landwirt zudem auf die Dokumentation konzentrieren. Mit neuen Systemen und Modellen wird der Landwirt künftig die gesamten betriebswirtschaftlichen Anforderungen über die Landmaschine abbilden und abwickeln können.“

Österreichs Landwirtschaft ist in punkto Betriebsgröße und Lage sehr heterogen, daher kommen neue Entwicklungen unterschiedlich schnell an. Entwicklungen bei Wein und Obst werden schneller vonstatten gehen und in drei bis fünf Jahren auf den Betrieben zum Einsatz kommen, da sich autonome Geräte in den Reihen besser orientieren können. Metzker: „Heute ist ein klarer Trend zu Sharing und Leasing erkennbar. Das ist auch bei Landmaschinen und Robotern so, die von den Betrieben für die Einsatzdauer gemietet werden, ohne selbst hohe Investitionen tätigen zu müssen. Gleichzeitig haben die Landwirte Zugriff auf neueste Innovationen und Geräte. Angesichts der notwendigen Investitionssummen wird es kaum anders möglich sein. Um die Digitalisierung und Technisierung voranzutreiben, sollten sie zudem in der neuen GAP verankert sein, damit es Anreize für die Landwirte gibt.“

Datensammlung ermöglicht Optimierung und Innovation
Die Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche. Sie wird in den nächsten Jahren datenintelligent und daher auch unter den Top 10-Zukunftstechnologien gereiht, so Heinrich Prankl. Um alle Potenziale von Digitalisierung und Technologie auszuschöpfen, sollten diese Landwirten verständlich gemacht werden. Es braucht zudem Anreize, um diese Lösungen in den Betrieb zu integrieren. Die Innovation Farm als Demobetrieb zeigt diesen Nutzen auf. Künftig wird es auch mehr überbetriebliche Anschaffungen sowie Dienstleister geben, die moderne Lösungen zur Miete anbieten.

„Es gibt grundsätzlich zwei Trends: Einerseits, bestehende Landmaschinen und Traktoren sowie ihre Anbaugeräte so weit zu automatisieren und autonomisieren, dass sie ohne Fahrer auskommen“, sagt Prankl. „Andererseits gibt es das neuartige Konzept mit kleinen und leichten Maschinen oder Robotern, die möglicherweise als Schwarm kommunizieren und sich untereinander organisieren, die Arbeit wesentlich zu erleichtern und auch den Boden zu schonen. Kleine Roboter werden – beginnend in Nischen – eher eingesetzt werden, als große Traktoren ohne Fahrer. Aber Ziele wie jene des Green Deals können nur erreicht werden, wenn neue Technologien auch eine Marktdurchdringung erlangen. Dabei können Fördermaßnahmen helfen.“

Die mechanische Regulierung von Beikräutern wird künftig auch im konventionellen Pflanzenbau an Bedeutung gewinnen. Die Geräte werden genauer und können zwischen Pflanze und Beikraut unterscheiden. Auch als Ausbringungsgerät von Pflanzenschutzmitteln sind sie wesentlich präziser. Eine Vielzahl an Firmen entwickeln derzeit optische Erkennungssysteme mit Kameras. Sie werden in Zukunft auch Unterschiede in der Pflanzenentwicklung zwischen den Überfahrten erkennen und entsprechend Daten übermitteln und reagieren. Das ist wichtig, damit die Pflanze genau die Menge an Nährstoffen und Wirkstoffen erhält, um gesund zu bleiben und sich optimal entwickeln zu können.

Prankl: „Der Landwirt verbringt den Großteil seiner Arbeitszeit auf einer Maschine am Feld oder im Stall, daher müssen ihm Managementsysteme mobil zur Verfügung stehen. Der Einstieg in die Digitalisierung beginnt bei einer guten und hochautomatisierten Dokumentation. Diese Datenmengen erlauben uns, neue Funktionalitäten und Algorithmen zu entwickeln, die Forschung und Unternehmen den Landwirten zur Verfügung stellen. Gleichzeitig ermöglichen sie den Landwirten bessere und faktenbasierte Entscheidungen.“

6.6.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at