Der Mann mit dem Kapperl ist nicht mehr
Ein etwas anderer Nachruf von Paul Christian Jezek
Niki Nationale war eine Ikone mit einem Bekanntheitsstatus sehr weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Die Ausnahmeerscheinung in der Rennsportgeschichte – in Österreich mit drei Weltmeistertiteln vielleicht auf ewig unerreicht – war auch willensstarker Unternehmer mit dem Drang, Bestehendes infrage zu stellen und zu disruptieren.
Immer einen Schritt voraus, kombinierte er gnadenlose Ehrlichkeit mit einem klaren und präzisen Geist. Und: Er trug unbestritten das bekannteste und teuerste Kapperl der Welt.
Das Markensystem Niki Lauda
Getreu der Definition „Marke ist der verdichtete Ausdruck unternehmerischer bzw. menschlicher Spitzenleistungen“, war (und ist) er ein Markenbeispiel, wie es im Lehrbuch steht. Sein Lebensstil stand für Unvergleichbarkeit, für Einmaligkeit und neben viel Beharrlichkeit auch für eine gehörige Portion Mut. Verdichtet man all seine Spitzenleistungen zu einer Marken-DNA, entsteht der einzigartige Markenkern des Niki Lauda: Marken-DNA definiert die Glaubwürdigkeitsgrenzen einer Marke, in der sich das Verhalten widerspiegelt. Wohl niemand außer Lauda hätte sich nach einem so fatalen Unfall wie jenem am Nürburgring 1976, den er nur ganz knapp überlebte, nach nur 42 Tagen wieder hinters Steuer gesetzt, um am Grand Prix in Monza teilzunehmen und dabei den vierten Platz zu erreichen.
„Die höchste Kunst der Verdichtung einer Marke liegt im Ein-Wort-Wert“, definiert Markenspezialist BrandTrust. „Dieser fasst in einem einzigen Wort zusammen und definiert, wofür sie steht und wohin sie sich entwickeln will.“ So lautet dieser Ein-Wort-Wert z.B. bei Volvo „Sicherheit“ oder bei BMW „Freude“ – bei Niki Lauda war es wohl eindeutig „schnell“. Im Business hilft so ein verdichteter Ausdruck, um sich klar von anderen zu differenzieren, und somit den Spitzenplatz, die Poleposition, im Kopf des Konsumenten einzunehmen. Bei einer Marke wie Niki Lauda weiß man einfach immer, was man zu erwarten hat(te).
Nur der Sieger „bleibt“
Laudas erbrachte Leistungen, kombiniert mit seinen Auszeichnungen, sprechen für sich: Nach Jochen Rindt ist er der einzige Formel1-Weltmeister unseres Landes und das gleich dreimal – 1975, 1977 und 1984. Er war Österreichs einziger Formel 1-Sportler, der es 1977 auch zum Sportler des Jahres geschafft hat und 2006 erneut mit einem Special Award ausgezeichnet wurde; 2016 wurde er mit dem Laureus World Sport Award für sein Lebenswerk geehrt.
Auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Karriere gründete er innerhalb von nur vier Jahren „Lauda Air“ und startete später noch zwei weitere Male erfolgreich als Airliner durch.
Er kommentierte 22 Jahre lang als Formel 1-Experte beim Kölner TV-Sender RTL und war der Moderatorenkönig – nicht wegzudenken aus der Rennsport-Berichterstattung.
Das Bewusstsein der Stärke(n)
„Herausragende Marken definieren sich meist nur über eine Spitzenleistung, aber diese machen sie bei Weitem besser als alle anderen“, erklärt Nicole Rimser, Brand Consultant bei BrandTrust. „Lauda investierte alles in seine Vision und nahm jedes Risiko zur Erreichung seines Ziels auf sich.“
Der Weg in die Formel1 war hart, steinig und teuer. Zwar half ihm sein Name in den Anfängen seiner Karriere, um Sponsoren und Geldgeber zu lukrieren, allerdings legten ihm Einfluss und Reichtum seiner industriell erfolgreichen Familie auch zusätzliche Hürden in den Weg: Seinen ersten großen Werbedeal verhinderte sein Großvater mit der Ansicht: „Ein Lauda hat auf den Wirtschaftsseiten der Zeitung zu stehen, nicht im Sportteil.“
Marke = personifizierter Wille
Laudas Anspruch war es immer, schneller zu sein, als alle anderen. Vor allem im Rennsport, wo Geschwindigkeit der Maßstab des Erfolges ist. Erfolgreiche Marken halten es wie Niki Lauda: Es zählen stets die Fakten, nie die Emotionen.
Während eines Sightseeingfluges stellte Lauda fest, dass er die Streckenzeit von Salzburg nach Bologna von sechs Stunden Autofahrt mit dem Ferrari auf nur eine Stunde Flugzeit verkürzen könnte. Gedacht, getan – mit seinem deutlich ausgeprägten Zukunftswillen, der Entschlossenheit, Hoffnung und Zuversicht vereint, erfüllte er in nur wenigen Jahren die nötigen Anforderungen für die Gründung einer Fluglinie: 1979 war der zweifache Formel1-Weltmeister schließlich stolzer Besitzer der Fluglinie Lauda Air.
Bei Marken geht es nicht darum, den Wettbewerb einzuholen, sondern besser zu sein und ihn zu überholen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Markenführung nicht delegiert oder ausgelagert wird, denn Marke ist Chefsache – genauso wie das Cockpit eines Formel1-Boliden.
Innovationsgeist ist ein weiterer wesentlicher Anspruch für gelungene Markenführung – und auch dieser lag Lauda im Blut. Die einfache Gründung und der bloße Besitz einer Fluglinie war ihm nicht genug – er wollte neue Standards und Maßstäbe setzen und wurde so zu einer der treibenden Kräfte bei der Revolution im Airline-Business. Nach seinem Start mit Leasing-Maschinen hoben im Juli 1986 die ersten zwei nagelneuen Boeing 737 für Lauda Air ab. Gegen viele Widersacher setzte er 1990 eine uneingeschränkte Konzession durch und flog ab diesem Zeitpunkt, wohin er wollte.
Er modernisierte, verjüngte und beschleunigte die Art zu fliegen und folgte seinem Leitspruch „Service is our Success“. Mit dem kulinarischen Kooperationspartner Attila Dogudan revolutionierte er mit Do & Co die Speisen in der Luft, stattete die Flugbegleiter mit Jeans und Kapperln aus, anstatt sie in biedere Kostüme zu stecken, bot erstmals auch Video und Audio auf Charterflügen an und nannte seine Maschinen „Falco“ oder „John Lennon“.
Stil als Markenzeichen
Was bei Karl Lagerfeld der schwarze Anzug, das weiße Hemd und die Sonnenbrille war, war bei Niki Lauda Tweed-Sakko, Hemd, Pullover, Jeans und die klassischen Bootschuhe von Timberland, kombiniert mit dem wohl teuersten Kapperl der Welt.
Anfänglich als Hilfestellung gedacht, um nach seinem schweren Unfall am Nürburgring den Verband besser zu fixieren und zu schützen, hat sich die Kappe zum begehrtesten und teuersten Markenzeichen des Niki Lauda entwickelt.
Nach einem Vierteljahrhundert Partnerschaft mit „parmalat“, wo er ganz seiner Marke entsprechend, wieder einmal das Nützliche mit dem Sinnvollen verband, rissen sich die Sponsoren darum, welches Logo diese Kappe tragen sollte.
„Durchsetzungsstarker Stil spart Zeit und Geld“, erklärt Rimser. „Der Stil einer Marke regelt das Grundsätzliche im Auftritt, sorgt für Orientierung und macht es für andere oder Konsumenten einfacher, Assoziationen zu wecken.“
Niki Lauda wird unvergessen bleiben.
27.5.2019, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at