Der OGH erachtet Crowdfunding auf Basis qualifizierter Nachrangdarlehen als zulässig
Gegenstand des vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) vor dem Landesgericht Graz angestrengten Verbandsverfahrens waren einzelne von einem im Bereich Photovoltaik und erneuerbare Energien tätigen Grazer Unternehmen verwendete Klauseln in Darlehensbedingungen zum Crowdfunding.
Der VKI machte unter anderem geltend, dass die in den Darlehensbedingungen enthaltene Nachrangklausel für Anleger im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend sei. Die wesentlichen Eckpunkte dieser Nachrangklausel sind:
– der Darlehensgeber verzichtet auf seine Rückzahlungs- und Zinsansprüche insoweit, als dadurch die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft als Darlehensnehmerin hervorgerufen würde;
– der Darlehensgeber kann seine Forderungen aus dem Nachrangdarlehen nicht vor, sondern nur gleichrangig mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschaft verlangen und nur nach Beendigung einer allenfalls vorliegenden Krise; und
– der Darlehensgeber tritt für den Fall der Insolvenz mit seinen Forderungen unwiderruflich im Rang hinter sämtliche Forderungen gegenwärtiger und künftiger anderer nicht nachrangiger Gläubiger.
Gemäß § 879 Abs 3 ABGB sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmungen, die nicht eine der beidseitigen Hauptleistungen festlegen, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligen. Durch die qualifizierte Nachrangklausel würden laut VKI Anleger, die keine Gesellschafter sind und denen im Darlehensvertrag auch nicht die Rechte eines Mitunternehmers eingeräumt werden, im Insolvenzfall und in einer Krise wie Mitunternehmer behandelt. Das von den Anlegern zu tragende Risiko des Kapitalverlustes würde damit weit über das allgemeine Insolvenzausfallsrisiko hinausgehen. Diese gröbliche Benachteiligung könnte auch nicht mit einer höheren Verzinsung gerechtfertigt werden.
Die beklagte Gesellschaft hat gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 879 Abs 3 ABGB eingewendet, dass die beanstandete Nachrangklausel eine der Hauptleistungspflichten regeln und konkretisieren würde. Das OLG Graz hatte diesen Einwand allerdings zunächst mit dem Argument verworfen, dass § 879 Abs 3 ABGB dann anzuwenden sei, wenn eine Klausel das eigentliche Leistungsversprechen lediglich einschränkt, verändert oder aushöhlt.
Der OGH ist zur Frage der Anwendbarkeit des § 879 Abs 3 ABGB dem OLG Graz nicht gefolgt. Bei der Nachrangklausel würde es sich laut OGH um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal handeln. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers sei als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängen würde, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital anzusehen sei. Darüber hinaus würde das Alternativfinanzierungsgesetz das Nachrangdarlehen explizit als eine (eigenständige) Finanzierungsform nennen und die nachträgliche Einfügung einer qualifizierten Nachrangklausel sei als Novation zu beurteilen.
Laut OGH ist daher bis auf Weiteres die Nachrangigkeitsklausel in qualifizierten Nachrangdarlehen der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB entzogen.
Endgültige Rechtssicherheit zur Frage der Zulässigkeit von qualifizierten Nachrangdarlehen bei Crowdinvestments bringt die OGH-Entscheidung allerdings nicht, da sich der OGH nur noch mit der Frage der Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB auseinanderzusetzen hatte. Ob Nachrangklauseln im Blickwinkel anderer gesetzlicher Bestimmungen zulässig sind, wie beispielsweise im Blickwinkel des Transparenzgebots gemäß § 6 Abs 3 Konsumentenschutzgesetz, war hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens.
Für die Praxis bedeutet dies auch künftig, dass die Ausgestaltung von Crowdinvestment-Bedingungen unter Berücksichtigung eines sorgfältigen Interessenausgleichs sowie insbesondere unter Beachtung des Transparenzgebots zu erfolgen hat.
8.12.2017, Autor: Dr. Florian Kranebitter / www.fwp.at