Der Privatbanken-Report
Autor: Paul Christian Jezek, (2012)
Die Briten waren bei der Fußballeuropameisterschaft und wissen auch sonst einiges besser. Zum Beispiel haben sie ein hochspezialisiertes Finanzmagazin namens – no na – Euromoney, das sich jährlich in epischer Breite ein „Euromoney Private Banking and Wealth Management Survey“ antut. Dieses Ranking beruht auf einer qualitativen und quantitativen Prüfung der besten Dienstleistungen im Private Banking – aufgeschlüsselt nach Märkten und Dienstleistungsbereichen. Dazu werden weltweit Anbieter von Private Banking-Leistungen befragt, darunter Banken und andere Beratungsunternehmen. Sie liefern dabei sowohl Angaben über ihr Geschäft als auch Bewertungen ihrer Mitbewerber („peer nominations“). Die Ergebnisse der aktuellen Studie 2012 basieren demnach auf Rückmeldungen von Banken und Vermögensberatern aus immerhin rund 100 Ländern. Das verblüffende Resultat: Österreichische Privatbanken sind gleich in mehreren Kategorien ganz vorne mit dabei. Bei der Lektüre der einschlägigen Resultate lässt sich auch vergleichsweise leicht lernen, worauf es beim Private Banking wirklich ankommt – z. B. auf den familiären Aspekt und auf die Sicherheit.
Die Bank Gutmann beispielsweise hat gleich 17 Euromoney-Kategorien in Österreich und in CEE-Ländern für sich entschieden und in den Kategorien „Relationship management“ und „Privacy and security“ jeweils Platz Eins belegt. In Ungarn gelang es Gutmann, sich in acht Kategorien durchzusetzen und damit das CEE-weit beste Ergebnis einzufahren. „Die Bank steht zu 80 % im Eigentum der Unternehmerfamilie Kahane, 20 % werden von neun Führungskräften der Bank gehalten, die sich für ihre Kunden persönlich verantwortlich fühlen“, erklärt Dr. Matthias Albert, Partner (eben!) und Mitglied des Vorstandes, im Exklusivinterview mit Cash-Flow. „Mit diesem partnerschaftlich-unternehmerischen Geschäftsmodell können wir unseren Kunden hohe Betreuungsqualität von Unternehmer zu Unternehmer zusichern und darüber hinaus ein hohes Maß an Engagement, Beständigkeit und Unabhängigkeit.“ Mit den Geschäftsergebnissen ist Albert denn auch zufrieden. „Immer mehr Kunden vertrauen uns ihr Vermögen an. Das zeigt sich insbesondere am Zuwachs der Assets under Management: Diese lagen per Ende 2008 bei 8,9 Mrd. Zum Ultimo 2011 haben wir ein Vermögen von insgesamt 13,7 Mrd. Euro verwaltet – das ist ein Zuwachs von 54 %.“ Allein 2011 sind die Assets under Management um 9 % gestiegen.
Unterm Strich sieht sich das 1922 gegründete Unternehmen damit als „Marktführer in Östereich“. Und die kühlen Briten bestätigen das in Euromoney: In Österreich entschied die Bank Gutmann die Kategorien „Relationship management“ und „Privacy and security“ für sich und belegte darüber hinaus Platz 2 bei „Bespoke wealth planning“, „Inheritance and succession planning“ und „Specialized services – inherited wealth and business“. In der Tschechischen Republik rückte die Privatbank bei „Best private banking services overall“ von Platz 9 unter die besten drei vor. Mit drei ersten Rängen bei „Family office services“ in der Tschechischen Republik, Ungarn und Rumänien konnte die Bank ihre Kernkompetenz bei der Betreuung von Unternehmerfamilien auch jenseits der österreichischen Grenzen unter Beweis stellen. Hier profitieren Gutmann-Kunden auch von den engen Kontakten der Bank mit dem „Family Business Network“ (FBN), das sich in Osteuropa gut etabliert hat.
Entwicklungshelfer im Osten
Das Private Banking-Segment ist generell ein Schulbeispiel dafür, dass die Idee, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, als höchst zweifelhaft zu bezeichnen ist. Die Erste Group beispielsweise meldet nicht unstolz, „aufgrund der sehr positiven Entwicklung des Kundenbestands und des Kundenvermögens im Private Banking auf allen sechs Märkten in den letzten drei Jahren derzeit ein Gesamtvolumen von etwa 45 Milliarden“ zu verwalten – rechnerisch somit mehr als das Dreifache der Gutmann Bank. *) Allerdings versteht es sich bei diesem hochsensiblen Geschäft von selbst, dass hier jeweils unterschiedliche Segmente, Definitionen und vor allem Märkte zur Sprache kommen. Size does matter, zweifellos, aber eben immer in der richtigen Relation. Sonst werden Äpfel und Birnen allzu schnell zum undefinierbaren Kompott.
Zurück zur Erste Group, deren Dienstleistungen von Euromoney ebenso wie jene der Gutmann Bank sehr geschätzt werden. In Österreich konnte man sich demnach im Private Banking bereits zum dritten Mal in Folge an die Spitze setzen, während Erste Bank Ungarn und Banca Comerciala Romana in ihren Heimmärkten jeweils zum ersten Mal den ersten Platz errangen. Neben diesen drei Spitzenplatzierungen wurden auch die Erste-Töchter in Kroatien, der Tschechischen Republik und der Slowakei im Euromoney-Ranking im jeweiligen Heimatmarkt unter die besten fünf gewählt. „In Osteuropa steht das Private Banking nicht allzu oft im Scheinwerferlicht, weshalb wir für diese Anerkennung, die unseren Private Banking-Leistungen höchste Qualität bescheinigt, besonders dankbar sind“, erklärt Peter Ipkovich, Leiter Wealth Creation and Group Private Banking bei der Erste Group. „Dass wir in der gesamten Region erfolgreich waren, ist der Einführung von Gruppen-Standards in Bezug auf Qualität, Produktentwicklung und Ausbildung zu verdanken. Damit können wir garantieren, dass unsere Private Banking-Kunden in allen von der Erste Group betreuten CEE-Ländern von einem einheitlich hohen Serviceniveau profitieren.“
Über einen Euromoney-Spitzenplatz freut sich auch die Kathrein Privatbank, die heuer das Prädikat „Best Private Banking Services By Country Austria Range of investment products“ eingeheimst hat. „Als eine der namhaftesten österreichischen Privatbanken sind wir sehr stolz, dass in der Euromoney-Umfrage speziell unser Service gewürdigt wurde, denn die herausragende Dienstleistung und Betreuung unserer Kunden ist besonders in schwierigen Zeiten unser größtes Anliegen“, freut sich Kathrein-Vorstandsvorsitzender Christoph Kraus. Sein Vorstandskollege (und CIO) Harald P. Holzer überrascht im Cash Flow-Gespräch mit der klaren Aussage, dass 2011 „für das traditionelle Veranlagungsgeschäft ein sehr schwieriges Jahr“ war. In Österreich veranlagt die Kathrein Privatbank AG laut Holzer knapp über vier Milliarden Euro. „Die Kunden sind misstrauischer geworden, da die Ergebnisse der letzten 10 Jahre (Weltaktien im Minus, zweimal Rückgänge von 50 % und mehr etc.) zu wünschen übrig ließen. Der Kunde verlangt jetzt mehr Transparenz und sehr oft will er selbst über die Veranlagung entscheiden und ist weniger geneigt, sein Vermögen verwalten lassen. Die Nachfrage nach Sachwerten – ob Gold oder direkte Immobilieninvestments – ist gestiegen.“ Warum sich Kunden – übrigens: nicht unter einer Million Euro! – an die Kathrein Privatbank wenden sollten? Holzer: „Wir bieten primär eigenverwaltete Fonds an. Dies hat den Vorteil, dass wir sowohl die gute und schlechte Performance verantworten können. Wir wissen, wo das Geld der Kunden investiert ist, da wir selbst diese Dispositionen treffen – keine Lehman-Garantien, keine überkomplexen Strukturen, keine Madoffs …“
Kapitalerhalt und Risikomanagement
„2011 war gekennzeichnet von drei wesentlichen Ereignissen bzw. Entwicklungen, die allesamt starken Einfluss auf die Kapitalmärkte und somit auf die Portfolios von Private Banking Kunden hatten“, sagt Markus Goller, Bereichsleiter Private Banking beim Bankhaus Carl Spängler & Co: „Zunächst die politischen Umwälzungen in Nordafrika und im arabischen Raum, dann die Atomkatastrophe in Japan und schließlich die sich verschärfende Staatsschuldenkrise in Europa. In diesem Umfeld war es wichtig, durch sehr aktives Risikomanagement insbesondere bei konservativen Mandate bzw. Portfolios den Kapitalerhalt als oberstes Ziel sicherzustellen.“ Der Österreicher habe als bevorzugte Anlageform schon seit jeher das Sparbuch und somit die sehr risikoaverse Alternative bevorzugt. Dieser Trend hat sich laut Goller durch die Ereignisse der letzten Jahre auch im Private Banking feststellen lassen: „Das Hauptaugenmerk wird auf Kapitalerhalt und Risikomanagement gelegt.“ Der definitiv wichtigste Wert bei Spängler sei daher die konservative Geschäftspolitik. „Das schafft sowohl bei unseren Kunden im Einlagengeschäft Vertrauen (allein im letzten Jahr konnten wir ein Wachstum bei den Spareinlagen von mehr als 13 % erzielen) als auch bei den Kunden, für die wir vermögensverwaltende Dienstleistungen erbringen dürfen. Denn auch in diesem Segment ist Stabilität und Werterhalt wichtiger als Rendite um jeden Preis. Darüber hinaus schätzen die Kunden, dass wir eine der wenigen verbliebenen Banken in Österreich sind, die sich unabhängig nennen darf – denn das wirkt sich natürlich auch bei der offenen Portfoliozusammensetzung aus.“
„Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre ist das Risikobewusstsein der Kunden größer geworden. Es geht immer mehr um den Return of Capital statt um den Return on Capital, also darum, das eingesetzte Kapital wieder zurückzuerhalten“, formuliert Dr. Helmut Urban, Vorstand der Semper Constantia Privatbank, die derzeit deutlich mehr als acht Milliarden Euro für ihre Kunden verwaltet. (Die aus der alten Constantia Privatbank hervorgegangene Semper Constantia soll zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (18. 5.) im übrigen einen neuen Mit-Eigentümer bekommen: Aktionär Alain de Krassny will seinen Anteil verkaufen, daran interessiert sollen u. a. Siemens-Chef Peter Löscher und der Vorarlberger Industrielle Roman Rauch sein. Der Bauindustrielle Hans Peter Haselsteiner und Sanierer Erhard Grossnigg bleiben an Bord. Des Weiteren steht die österreichische Tochter der Schweizer Bank Vontobel zum Verkauf – hier gelten Julius Bär, die Liechtensteinische Landesbank, Valartis und die Semper Constantia als Kaufinteressenten.)
„Die Kunden sind in den letzten Jahren sicher tiefer in die Materie ihrer persönlichen Vermögensverwaltung und -optimierung vorgedrungen und haben zumeist sehr konkrete Vorstellungen davon, wie sie ihr Geld anlegen wollen“, meint Thomas Eschelmüller, Leiter Private Banking bei der Wiener Privatbank. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, die besten Lösungswege aufzuzeigen und für eine gute und nachhaltige Anlagestrategie und Portfoliodurchmischung zu sorgen. Der Trend zu regelmäßigen individuellen Informationsgesprächen und kurzfristigen, ertragreichen Investments, eingebettet in eine langfristig sichere Anlagestrategie, hält an. Wir befürworten es, dass unsere Kunden immer kritischer werden und sich verstärkt in den Dialog begeben. Die klassischen buy and hold Strategien sind nicht mehr modern.“ Das Kundengeschäftsvolumen im Private Banking will Eschelmüller unter Hinweis auf „ein hohes Maß an Diskretion“ nicht nennen – Andreas Falger vom Bankhaus Jungholz ist da weniger zimperlich und beziffert dasselbe mit „ca. 1,5 Milliarden“. Dabei habe man „nicht zwangsläufig mit grossem Vermögen zu tun – das Bankhaus Jungholz sieht sich in seiner Private Banking-Philosophie in erster Linie als erstklassiger Problemlöser für kleine und mittlere Vermögen.“ Der Trend zu „verwaltetem Vermögen“ mit klaren, einfachen und somit verständlichen Leitplanken werde zunehmen – „verständliche und einfache Strukturen bei Wertpapieren sind gefragt, komplexe und undurchschaubare Funktionsweisen von Wertpapieren sind tabu“.
„Das Kundenverhalten hat sich nach der Lehman Pleite im September 2008 stark verändert und das wirkt heute immer noch nach“, bestätigt Stefan Schmitt, Leiter Private Banking Plus bei der Hypo Landesbank Vorarlberg. „Es besteht eine hohe Verunsicherung über die künftige Entwicklung (Inflation oder Deflation?), der Glaube an die Politik ging verloren, es besteht eine Tendenz zu absoluter Sicherheit und deshalb befindet sich die Bonität der Bank, bei der angelegt wird, absolut im Fokus.“ Die Ländle-Banker verwalten mehr als sieben Milliarden Euro an Kundengeldern und liegen damit um rund drei Milliarden niedriger als die Capital Bank der Grazer GRAWE Gruppe AG. In der Grünen Mark beobachtet man einen Trend in Immobilien, „dem wir durch das Angebot unserer Tochter BK Immo Vorsorge GmbH auch Rechnung tragen“. „Die Zinsen im Bereich der Spar- und Festgeldveranlagungen decken aktuell bei weitem nicht die Inflation und die Zinspolitik der EZB lässt den Schluss zu, dass das Zinsniveau wohl sehr rasch nicht steigen wird.“ Auch wenn die Inflation auf dem aktuellen Niveau verharrt, habe man nur mit anderen Asset-Klassen die Chance, das Vermögen real abzusichern. Dazu zählen laut Capital Bank Unternehmensanleihen, aber auch Aktien von global tätigen Firmen, die über solide Bilanzen verfügen und auch ansprechende Dividenden ausschütten.
„Die Schoellerbank ist bekannt für ihre globale Ausrichtung der Aktienportfolios“, erklärt Vorstand Mag. Heinz Mayer die ähnliche Strategie des Salzburger Instituts, das derzeit rund 8,1 Milliarden Euro für seine Kunden verwaltet. „Es ist ein hoher Komfortfaktor, in Unternehmen investiert zu sein, deren Geschäftsentwicklung nur limitiert von den Ereignissen innerhalb Europas betroffen ist. Wir rechnen auch 2012 mit vielen attraktiven Anlagechancen für unsere Vermögensverwaltungen – unsere Kernbotschaft „Investieren statt Spekulieren“ leitet unser Handeln und wird uns über das Jahr immer wieder Möglichkeiten geben, Verwerfungen an den Märkten zu nützen.“
Etwas weniger als die Hälfte von Capital Bank und Schoellerbank – nämlich rund vier Milliarden Euro – meldet Dir. Erich Stadlberger als Leiter Private Banking & Asset Management für die Linzer Oberbank an Anlagevolumen. „Die im Herbst aufgekommene Rezessionsangst haben wir nicht geteilt. Da jetzt immer offensichtlicher wird, dass diese tatsächlich vermieden werden kann, sind wir für das Gesamtjahr 2012 optimistisch gestimmt. In den USA sehen wir Höchststände gemessen am Dow Jones Index voraus, wovon auch die Euro-Börsen profitieren werden. Die europäische Schuldenkrise ist zwar noch nicht gelöst, das Schlimmste dürfte jedoch ausgestanden sein. Wir gehen hier von einer weiteren Beruhigung aus. Demgemäß sind wir auch für die Volumens- und Umsatzentwicklung im Private Banking zuversichtlich.“
Bei etwa drei Milliarden Euro verwalteten Kundengeldern liegt aktuell Raiffeisen Private Banking Wien. Chef Dr. Christian Ohswald: „Modernes Private Banking muss heute mehr bieten als attraktive Räumlichkeiten und fachlich kompetente Mitarbeiter. Allumfassender Finanzservice, hohe empathische Fähigkeiten (d.h. sensibel und sensitiv mit den Emotionen unserer Kunden umgehen können) und die bedingungslose Ausrichtung auf Kundennutzen sind unserer Überzeugung das Fundament für nachhaltige Geschäftsbeziehungen. Erfolg ist nicht nur eine unternehmerische Kennzahl, sondern vor allem ein konkreter Kundennutzen.“
Es wird enger und enger
Dass trotz den durchwegs optimistischen Aussagen in den Cash-Flow-Interviewrunden im Privatbanken-Sektor ein zunehmend rauer Wind weht, hat das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPG vor kurzem in einer internationalen Untersuchung beurkundet. „Das Geschäft ist aktuell geprägt durch kostenintensive Regulierungsvorschriften und ein schwieriges Marktumfeld.“ Das Business von Privatbanken war während der vergangenen Jahre geprägt durch eine hohe Marktvolatilität und ein Niedrigzins-Umfeld, steht in der Studie „Performance through focus“. Diese Rahmenbedingungen führten zu einem Trend der Vermögensanlage in „sichere“ Formen wie Cash und Immobilien. Außerdem sind die Kosten für die Einhaltung regulatorischer Anforderungen signifikant gestiegen – die Folge dieser Entwicklungen ist ein großer Druck auf die Margen. „Durch neue Regulatorien geraten Privatbanken derzeit stark unter Druck“, erklärt Alexander Lippner, Geschäftsführer der KPMG in Österreich im Bereich Management Consulting. Doch auch gestiegene Kundenbedürfnisse stellen Privatbanken vor neue Herausforderungen. „Der Zielkunde von heute ist sehr gut informiert und erfahren im Umgang mit Finanzprodukten. Er erwartet verständliche Produkte mit Kostentransparenz und individueller Beratung. Privatbanken müssen sich in ihrem Geschäftsalltag dieser neuen Art von Kunden zum Teil erst anpassen.“
In Österreich findet laut Lippner aktuell ein verstärkter Wettbewerb um margenträchtige Kunden aus dem Inland sowie dem CEE- und CIS-Raum aber auch Westeuropa statt. Neben den großen österreichischen Bankgruppen werden außerdem zunehmend Ableger internationaler Privatbanken am Markt aktiv, was den Wettbewerb zusätzlich verschärft. Im Offshore-Geschäft stehen die österreichischen Privatbanken zudem im Wettbewerb mit den internationalen Finanzplätzen. „Kostenintensive Regulierungen und intensivierter Wettbewerb treffen natürlich auch in Österreich vor allem die kleineren Privatbanken“, kommentiert Sebastian Fischer, Senior Manger und Privatbanken-Experte bei KPMG in Österreich. „Aufgrund fehlender kritischer Masse in Bezug auf verwaltetes Kundenvermögen ist es den Banken zumeist nicht möglich, die gestiegenen Kosten ertragseitig zu kompensieren. Großbanken sind hier durch ihre bestehende Infrastruktur und ihre breite lokale Präsenz in den Zielmärkten klar im Vorteil.“ Die Institute in Österreich sind daher gefordert, sich deutlich vom Mitbewerb abzugrenzen. „Privatbanken müssen profitable Nischen für ihr Geschäft identifizieren und sich auf diese konzentrieren. Profitables Wachstum wird unter den derzeitigen Bedingungen nur durch Fokussetzung möglich sein“, warnt Fischer.
Eine neue „Front“ für Privatbanken hat sich auch in der richterlichen Bewertung der Kundenberatung aufgetan. Im April dieses Jahres gab es einen „Durchbruch für die Anleger“ in einem Verfahren gegen die ehemalige Constantia Privatbank. „Erstmals hat ein Gericht den ‚Mut‘, Banken für die von ihnen selbst entwickelten – aber nicht selbst vertriebenen – Produkte haften zu lassen“, kommentierte Anlegeranwalt Michael Poduschka die Entscheidung des Handelsgerichts Wien. Die Premiere: Erstmals hatte ein österreichisches Gericht Fehler des Vertriebsunternehmens AWD (bei der Vermittlung von Immofinanz-Aktien) der Constantia Privatbank zugerechnet. Bis dato hatte der Oberste Gerichtshof Anlegerverfahren immer über den Verkaufsprospekt gelöst: Bei Meinl European Land liess er die Meinl Bank als Verantwortliche für den Werbefolder haften, beim Produkt FX Dragon Garant verneinte er eine Haftung, da sich die Beratung jeweils auf den Werbefolder gestützt habe und dieser nicht irreführend wäre. Im vorliegenden Fall sei für den Richter aber entscheidend gewesen, dass die Constantia Privatbank nicht bloß Vermittlerin, sondern wie in den meisten Fällen auch Verkäuferin des Wertpapieres Immofinanz gewesen sei. Weiters habe die Constantia die Wertpapierdienstleistungsunternehmen – wie den AWD – mit Konto- und Depoteröffnungsanträgen, „sonstigen Investmentangaben“ und anderen Unterlagen ausgestattet.
„Besonders die Meinl Bank und Constantia Privatbank hatten vor rund zehn Jahren die Idee, eigene Produkte zu entwickeln und diese über Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu vertreiben, erklärt Poduschka. Als diese Produkte (MEL, Immofinanz, Immoeast) dann „abstürzten“, hätten sich die beiden Banken darauf zurückgezogen, für Beratungsfehler dieser „freien Berater“ nicht zu haften – obwohl die Kreditinstitute die Produkte verkauften, sämtliche Unterlagen für die Berater erstellten und laufend Einkünfte aus diesen Produkten lukrierten. „Das Handelsgericht Wien hat nunmehr dieser Kindesweglegung eine klare Absage erteilt: Banken haften für ihre Produkte, egal, durch wen sie diese vertreiben lassen“, so Poduschka. Auf der Privatbankenseite sieht man das naturgemäß anders: Die der Immofinanz gehörende Aviso Zeta, die als „Bad Bank“ aus der ehemaligen Constantia Privatbank hervorgegangen ist, beruft gegen dieses erstinstanzliche Urteil. Man rechne auf Basis von zwei Urteilen höherer Instanzen damit, dass die Meinung des Handelsgerichts nicht Bestand haben werde, ansonsten „wäre dies gleichbedeutend damit, dass der arbeitsteilige Vertrieb von Finanzinstrumenten durch konzessionierte Wertpapierdienstleister (…) nicht mehr durchführbar wäre“. „Bemerkenswert ist der Kommentar des Anlegeranwalts Poduschka, eine Aktie als „von Banken entwickeltes Produkt“ zu sehen“, meint Aviso Zeta-Vorstand Stefan Frömmel. „Wir gehen davon aus, dass die Instanzen zu den aufgeworfenen Fragen auf Basis der geltenden Rechtslage eine für Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister nachvollziehbare Klarstellung treffen werden, welche die offenbar zuteilwerdende emotionale Genugtuung auf Anlegerseite nicht über einen Etappensieg hinausgehen lässt.“
Zu guter Letzt ist es Zeit für den Chronisten, ein Geständnis abzulegen. Die höchste Euromoney-Auszeichnung überhaupt hat kein Institut von der Insel der Seligen errungen, sondern die Credit Suisse: Sie wurde 2012 – übrigens bereits zum dritten Mal in Folge – als „beste Privatbank weltweit“ gekürt. Zum D’rüberstreuen gelten die Eidgenossen auch noch als beste Privatbank in den Regionalkategorien Westeuropa, Zentraleuropa und Osteuropa sowie in den Ländern Australien, Bahamas, Guernsey, Italien, Russland, Singapur, in der Schweiz selbst, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Vereinigten Königreich. Aber die Schweizer sind eben die Schweizer: Der nachbarliche Finanzplatz verwaltet aktuell unglaubliche 4,1 Billionen Franken (3,41 Billionen Euro), wovon 2,7 Billionen Franken auf institutionelles Geld entfallen, geht aus einem Beitrag der Swiss Funds Association im aktuellen Spezial-Report der Fondsinformationsplattform Hedgeweek hervor. Da müssen die Kunden hierzulande noch lange sparen … Und die Briten haben ihr Euromoney und waren bei der Fußball-Europameisterschaft dabei und „wir“ natürlich nicht.
*) Zum Vergleich: Die Schweizer Privatbank Edmond de Rothschild hat 2011 zwar neue Kunden gewonnen und mehr Neugeld verbucht, doch der starke Franken raffte Teile der verwalteten Kundenvermögen weg. Die verwalteten Kundenvermögen betrugen zum Jahresende aber immerhin noch 91,4 Mrd. Franken (75,9 Mrd. Euro) nach 92,7 Mrd. Franken ein Jahr zuvor. Netto flossen der Bank im Vorjahr 3,2 Mrd. Franken an neuen Kundengeldern zu.
Die großen Vorbilder
Auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen finden sich 2012 insgesamt 1226 Milliardäre, darunter auch sechs Österreicher. Im Vorjahr waren „nur“ fünf Austrorepublikaner unter den Superreichsten. Die reichsten Österreicher sind der 65jährige Johann Graf, der den Glücksspielkonzern Novomatic aufgebaut hat, und der 67jährige Cash-Flow-Coverheld Dietrich Mateschitz (Red Bull) auf Rang 193 ex aequo mit je 5,3 Milliarden Dollar Vermögen. Damit hat Graf gegenüber dem Vorjahr stark aufgeholt, als er mit „nur“ 2,7 Milliarden noch auf Rang 420 geführt wurde. Auf Platz 223 liegt der 94jährige Billa-Gründer Karl Wlaschek mit 4,7 Milliarden Dollar. Eine (deutliche) Kategorie darunter gibt es derzeit etwa 80.000 Euro-Millionäre in Österreich.
„Sicherheit ist mehr wert als Rendite“
Sparbuch oder Sparstrumpf? Angesichts der niedrigen Zinsen, die derzeit in den heimischen Geldinstituten erhältlich sind, fragen sich viele Sparer, ob es sich überhaupt lohnt, sein Geld zur Bank zu bringen. Experten raten vor allem dazu, das Geld zu streuen und sicherer zu veranlagen. Wilfried Kummer, Senior Expert bei der Erste Bank: „Man weiß nicht genau, wie es weitergehen wird.“ Aufgrund der hohen Teuerungsrate sei es nicht sinnvoll, alles Geld langfristig zu binden. Konservative Anleger fänden derzeit vor allem in Immobilienfonds mit Grund- und Bodenanteil etwas bessere Renditen als bei klassischen Sparformen. „Die Menschen suchen eher Sicherheit und sind vorsichtiger geworden“, sagt Peter Czapek, verantwortlich für das Veranlagungsgeschäft bei der Bank Austria. „Sicherheit ist mehr wert als eine theoretische Rendite.“ Das zeige sich auch bei Fonds: Bei ihnen werde mehr gemixt als noch vor wenigen Jahren. In diesem Bereich ließen sich die Renditen jedoch gar nicht mehr vorhersagen: „Es ist nicht seriös, eine Renditeerwartung zu nennen. Das war einmal, vor 2008.“ Auch bei der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien sieht man einen Trend zu kurzfristigeren Laufzeiten – viele Sparer seien unsicher und investierten deshalb eher auf wenige Jahre, so Manfred Aschauer, Leiter des Beratungsbüros. Bei langfristigen Optionen sei es schwierig, einen guten Zinssatz zu bekommen, so Aschauer. Anleger würden deshalb eher abwarten. Wann es auch für das klassische Sparbuch wieder bessere Zinsen gebe, sei „schwer vorauszusagen“. Das hänge sehr stark von politischen Entscheidungen ab, so Kummer. Aus Czapeks Sicht tritt eine Entspannung erst dann ein, „wenn das Thema Griechenland und das Thema Länderrisiken geklärt ist“.
Monatlich werden 168 Euro gespart
Die Österreicher legen monatlich 168 Euro zur Seite, etwas mehr als im Vorjahr – damit befindet sich die Sparfreude unberührt von der Wirtschaftskrise auf einem Rekordwert. Seit 2008 hat sich auch das Volumen der nachhaltigen Investments nahezu verdreifacht und liegt derzeit bei zwei Milliarden Euro. Das ist im Vergleich zum Nettovermögen der heimischen Haushalte von gut 300 Milliarden Euro verschwindend wenig, obwohl laut einer IMAS-Studie zwei Drittel der heimischen Anleger für nachhaltig-ethisches Investment weniger Gewinn in Kauf nehmen würden.
Erste-Bank-Vorstand Peter Bosek sieht das klassische Sparbuch auf einem Beliebtheitshoch (86 % haben eines). Der Bausparvertrag liegt mit 64 % auf Platz zwei der beliebtesten Sparformen. 46 % haben eine Lebens- oder Kapitalversicherung. Fonds und Wertpapiere liegen bei 27 %, hier räumt Bosek allerdings ein, dass „wahrscheinlich nicht jeder exakt zwischen diesen beiden Anlageformen unterscheiden“ könne. Beim Sparen sieht er einen kleinen Paradigmenwechsel: Während Anlegern vor 2008 Liquidität nicht so wichtig war, versuchen sich seither viele Menschen einen „Polster“ anzulegen. Dafür sind für Bosek auch Aktien nicht ungeeignet, sie erforderten allerdings einen gewissen Weitblick. Mittelfristig nimmt er an, dass Wertpapiere als Anlageform eher abnehmen werden.
Zitate
1) „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (Jesus im Markus-Evangelium, 10,25)
2) „Bei Aktien gefallen uns noch immer Substanzwerte mit attraktiver Dividendenrendite. Daneben sind mittelfristig auch die günstig bewerteten Emerging Markets Aktien attraktiv, da die meisten Schwellenländer gesunde Fundamentaldaten gepaart mit höherem Wachstumspotential aufweisen. Im Anleihesegment favorisieren wir Unternehmensanleihen (inklusive High Yield) und Fremdwährungsanleihen von Ländern mit gesunden Staatsfinanzen. Zu letzteren zählen z. B. Staatsanleihen in norwegischer Krone, aber auch Emerging Markets Anleihen in den jeweiligen Lokalwährungen. Als Beimischung empfehlen wir inflationsgebundene Anleihen.“ Dr. Helmut Urban, Vorstand der Semper Constantia Privatbank AG
3) „Bei Investoren, die im Zuge der Finanzkrise 2008 bzw. der schwierigen Marktentwicklung 2011 – die wiederum durch Ängste u. a. rund um das europäische Staatsverschuldungsthema geprägt waren – ihre Investments verkauft haben, sehen wir noch eine gewisse Unsicherheit. Hier steht häufig die Fragestellung im Raum, ob der richtige Zeitpunkt für den Wiedereinstieg in die Veranlagung nicht bereits schon wieder versäumt wurde – oder wann der richtige Zeitpunkt ist. Die selbst auferlegte „richtige Timing-Entscheidung“ bewirkt leider oftmals, dass Performance-Chancen nicht wahrgenommen werden. Bei einer den Anlegerinteressen zugrundeliegenden fundierten, ausgewogenen Strategie ist das richtige Timing jedoch nur in der kurzfristigen Betrachtung von Relevanz, nicht aber bei langfristigen Investments. MMag. Ingrid Szeiler, Vorstand der Raiffeisen Vermögensverwaltungsbank
4) Für die Zürcher Kantonalbank Österreich bringt das AAA-Rating der Zürcher Kantonalbank viele Vorteile und führt zu sehr vielen neuen Kundenkontakten. Es hat eine deutliche Fokussierung auf umfassende und qualitativ hochstehende Beratung stattgefunden. Bei den Produkten findet eine deutlich spürbare Rückbesinnung auf klare und verständliche Investmentansätze statt. Hermann Wonnebauer, Vorstand für Private Banking bei der Zürcher Kantonalbank Österreich
(pj); Paul C. Jezek; August 2012