Die Kunst einer erfolgreichen Chefin
Das Bank Austria Kunstforum Wien ist international bekannt dafür, immer wieder inhaltlich Akzente zu setzen und Kunst neu erlebbar zu machen. Oft werden internationale, neuartige Top-Ausstellungen zur Kunst des 20. Jahrhunderts erstmals dem österreichischen Publikum präsentiert.
Im Gespräch mit Paul Christian Jezek offenbarte Direktorin Ingried Brugger ihre Erfolgsstrategien als CEO.
Frau Brugger, sicher werden Sie öfters über aktuelle Ausstellungen befragt als über die ökonomische Situation des Kunstforums. Wie gehen Sie generell mit den wirtschaftlichen Herausforderungen um? Wie geht es dem Kunstforum aktuell bzw. für die nächste Zeit pekuniär? Wie lauten die wirtschaftlichen Herausforderungen? Wie sieht es mit den Besucherzahlen aus?
Ingried Brugger: Der gesamte Kunstbetrieb ist stark von wirtschaftlichen Themen geprägt und verfügt naturgemäß über deutliche kleinere Budgets als andere Freizeitanbieter. Museen stehen in einem direkten Mitbewerb mit Kinos, Freizeitparks, Konzerten oder Großveranstaltungen um die Gunst der Besucher. Die Menschen haben ein beschränktes Budget, das sie in ihre Freizeitaktivitäten investieren können. Das Bank Austria Kunstforum Wien hat eine Sonderausstellung: Im Unterschied zu den Bundesmuseen verfügen wir über keine öffentlichen Gelder. Mit der UniCredit Bank Austria haben wir allerdings einen Hauptsponsor, der soziales und kulturelles Engagement in der Firmen-DNA hat. Als führender Kultursponsor Österreichs vergibt die UniCredit Bank Austria den mit 218.000 Euro dotierten Bank Austria Kunstpreis, hat eine eigene Crowdfunding-Initiative ins Leben gerufen und ist bei kulturellen Breitenveranstaltungen wie dem Donauinselfest oder der dem Filmfestival am Rathausplatz präsent.
Aus der Geschichte des Hauses heraus, die schon bis in die Zeit der damaligen Länderbank zurückreicht, sind wir extrem effizientes Arbeiten in kleinen Strukturen gewöhnt und haben uns daraus auch einen Wettbewerbsvorteil erarbeitet. Die wissenschaftliche Kompetenz des Hauses macht uns zu einem international gefragten Partner für Kooperationsprojekte von Weltrang. Mit der Tate Modern in London konnten wir kürzlich die Blockbuster-Ausstellung von Georgia O’Keeffe realisieren, vor einigen Jahren Superstar Frida Kahlo in Wien zeigen oder international viel beachtete Ausstellungen zu Positionen der russischen Moderne zeigen, die von italienischen Museen übernommen wurden. Als vergleichsweise kleines Haus hinsichtlich Ausstellungsfläche und Mitarbeiteranzahl kann das Bank Austria Kunstforum Wien große internationale Projekte umsetzen, die einige Millionen Euro kosten, weil wir international bestens vernetzt sind und uns über die Jahre hinweg als verlässlicher Kooperationspartner erwiesen haben. Mit dieser Aufstellung sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Nach der derzeit laufenden Ausstellung des österreichischen Künstlers Gerhard Rühm zeigen wir ab Februar 2018 eine umfangreiche Man Ray-Ausstellung. Ohne das klare Commitment der UniCredit Bank Austria wäre das als privatwirtschaftlich geführtes Ausstellungshaus natürlich nicht möglich. Aber auch andere Firmen haben das Bank Austria Kunstforum Wien in ihr kulturelles Engagement miteinbezogen: die Signa Holding etwa oder Ergo, Card Complete, Amundi Asset Management und UniCredit Leasing.
Wie lautet Ihr Zugang zur strukturellen Museumsdiskussion und sind Auswirkungen für das Kunstforum zu erwarten?
Ingried Brugger: Hier möchte ich eine Anleihe bei Wiens Bürgermeister Michael Häupl nehmen, der den Wahlkampf als die Zeit fokussierter Unintelligenz beschreibt. Das trifft den Nagel auf den Kopf, wenn man in den Wahlprogrammen – aber auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen – den Anteil der Kultur analysiert.
In Österreich fehlt uns ein struktureller Rahmen, wie beispielsweise in den USA, der privatwirtschaftliches Engagement in der Kultur wirklich attraktiv macht – Stichwort: Komplette Absetzbarkeit von Sponsorings. Der Staat hat die klare Aufgabe, Kultur nicht nur zu fördern, sondern Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich die Kultur selbst entfalten kann. Das geht nur abseits parteipolitischer und ideologischer Diskussionen. Die Bundesmuseen haben aus der Museumsordnung einen klaren Auftrag, der nur teilweise erfüllt wird. Wir sehen hier oft ein direkt konkurrierendes Ausstellungsprogramm. Im Sinne des Eigentümers – also der Steuerzahler und der Republik – ist es begrenzt sinnvoll, wenn um teures Geld Ausstellungen mit Leihgaben produziert werden und die Sammlungsschätze im Keller bleiben. Das stellt eine Marktverzerrung dar, unter der privatwirtschaftliche Initiativen leiden.
Leiten Sie das Kunstforum anders als Sie zB einen Produktionsbetrieb führen würden?
Ingried Brugger: Nein! Ich leite das Bank Austria Kunstforum Wien so, wie ich jedes erfolgreiche Unternehmen mit einem tollen Team führen würde. Dazu gehören flache Hierarchien, gemeinsame Entscheidungsfindung, größtmögliche Freiheit und Verantwortung für jeden Mitarbeiter und Passion für die Arbeit. Gerade als Kulturbetrieb, der keine Millionengehälter zahlen kann, sind Motivation, Teamarbeit und Förderung des Individuums wesentliche Kriterien, um gute Leute zu bekommen und auch zu behalten. Natürlich schauen auch wir in der Kulturbranche jeden Tag die Zahlen an, arbeiten mit klaren Budgets und haben Vorgaben. Unser Produkt macht aber sicherlich mehr Freude in der täglichen Arbeit als standardisierte Massenware vom Fließband. Ansonsten sind wir ein Betrieb wie jeder andere.
Welche Ziele verfolgt das Kunstforum in nächster Zeit?
Ingried Brugger: Inhaltlich besetzen wir klar die Klassische Moderne und die Avantgarden der Nachkriegszeit und werden auch das Ausstellungsprogramm für die nächsten Jahre daran ausrichten. Dazu kommen Ausstellungen zur Kunst nach 1945 bis hin in die Gegenwart. Mit unserem „tresor“ haben wir auch eine Plattform für aktuelle, jungen Kunst etabliert. Wir verstehen uns auch als digitaler Innovationsführer und haben unter anderem die ersten multimedialen Ausstellungsguides in Österreich eingeführt oder waren kürzlich an der Entwicklung einer App für Blinde und sehbehinderte Menschen beteiligt, die gerade mit dem Kreativpreis ADC*Europe ausgezeichnet wurde. In der Kunstvermittlung setzen wir konsequent frische Akzente. Diese Position werden wir weiter ausbauen und damit auch für die Digital Natives interessant sein, da die Grenzen zwischen Museumsbesuch und digitaler Infotainment-Welt immer weiter verschwinden.
Welche Unternehmenskultur verkörpert das Kunstforum?
Ingried Brugger: Das Wort „Unternehmenskultur“ zeugt ja schon von der enormen Bedeutung der Kultur für Unternehmen. Nicht umsonst engagieren sich international immer mehr Unternehmen bei kulturellen Projekten, die wiederum Einfluss auf die Unternehmenskultur haben. Auch bedeutende Kunstsammlungen wie die Sammlung Würth sind aus kulturell geprägten Unternehmen entstanden, die frühzeitig verstanden haben, dass es mehr als Zahlen und Fakten gibt. Kultur inspiriert, regt zum Nachdenken an und fördert Verständnis. Sie darf in keinem Unternehmen fehlen. Das Bank Austria Kunstforum Wien ist von einer Kultur der Offenheit geprägt, die durch unseren täglichen Umgang mit Kultur gefördert und geprägt wird.
Bietet das Kunstforum den Mitarbeitern Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und wenn ja, welche?
Ingried Brugger: Jede neue Ausstellung ist ein enormes Stück Weiterbildung, weil man sich von der Pike auf in ein neues Projekt einarbeiten muss und wissenschaftliche Forschung betreibt. Lebenslanges Lernen ist keine Worthülse im Bank Austria Kunstforum Wien, sondern eine tägliche Aufgabe, um spannende, hochwertige und konkurrenzfähige Ausstellungen auf internationalem Niveau zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund freut es mich auch, dass viele Karrieren bei uns im Haus sich beispielsweise von der Kunstvermittlerin zur Kuratorin entwickelt haben und die Leute lange bei uns sind. Wir bieten die Chance, sich mit den Themen selbst weiterzuentwickeln und den Freiraum, Aufgaben zu übernehmen oder zu kreieren. Neben der wissenschaftlichen Arbeit unterstützen wir auch Post Graduate-Studien oder berufsbegleitende Studien oder Weiterbildungen. Unser Betrieb ist das ideale Biotop für Wissbegierige und Bildungshungrige!
Wie beurteilen Sie die Performance Ihrer Mitarbeiter – über Besucherzahlen im Kunstforum, über Umsatz, EBIT, Gewinn, über andere Faktoren?
Ingried Brugger: Wir wissen, dass nicht jede Ausstellung ein Blockbuster werden kann. Manche Ausstellungen realisieren wir, weil sie wichtig für Wien und Österreich sind. Besucherzahlen sind nur eine von vielen Komponenten. Wissenschaftliche Veröffentlichungen oder internationale Berichterstattung unterstreichen die Relevanz einer Ausstellung. Am wichtigsten ist die persönliche Entwicklung jedes Einzelnen im Rahmen vorgegebener Ziele. Wenn jemand mit einer guten Idee im Gepäck die Extrameile geht, dann erfüllt er alle Kriterien, um einen guten Job zu machen.
Wie halten Sie es mit Ihrem persönlichen Zeitmanagement?
Ingried Brugger: Ich bin keine Verfechterin total liberaler Arbeitszeitmodelle und denke auch, dass jeder Mitarbeiter seinen Schreibtisch und seine Arbeitsumgebung verdient hat. Deswegen komme ich gerne ins Büro und suche den Austausch mit meinem Team – oft auch beim zwanglosen Mittagessen. Neben meinem wirklich fordernden und spannenden Job als Museumsdirektorin arbeite ich auch als Modedesignerin und verbringe die Wochenenden oft in meinem Atelier. Dazu kommen noch zahlreiche Dienstreisen und Repräsentationstermine, die im Kulturjob ein Muss sind. Beide Themen – Kultur und Mode – begeistern und faszinieren mich und verschwimmen stark mit meinem Privatleben. Ich entspanne mich, wenn ich mir eine Ausstellung anschaue und sammle zeitgleich Ideen. Mein Mann und meine Hunde haben einen fixen Platz in meinem Leben und geben mir den Ausgleich. Mein Mann Christian Ludwig Attersee ist selbst Künstler und eine große Inspirationsquelle für mich.
Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten werden die Gehälter der Führungskräfte und Manager oft infrage gestellt. Ihre Meinung dazu?
Ingried Brugger: Die Frage nach der Höhe des Gehalts ist eine moralische, auf die sich jeder selbst die Antwort geben muss. Persönlich finde ich eine Relation zu den Gehältern der billigsten Arbeitskräfte im Unternehmen gut, um auch finanziell die nötige Bodenhaftung zu behalten. Allerdings bringen Manager Leistung und die soll entsprechend honoriert werden. Im Kulturbetrieb komme ich persönlich nicht in die Verlegenheit, mir über zu hohe Bezüge Gedanken machen zu müssen. (Lacht.)
Zur Person
Ingried Brugger (* 1960 in Zell am See) hat Kunstgeschichte und Germanistik an der Uni Wien und der Freien Universität Berlin sowie Architektur an der TU Wien studiert und untersuchte in ihrer Dissertation den „Einfluss der venezianischen Malerei auf die Malerei nördlich der Alpen zwischen 1580 und 1620“. Nach dem Studium gehörte sie zu den Mitgründern der Galerie Orbis Parvus. 1988 begann sie als Kuratorin am Kunstforum Wien (heute: Kunstforum Bank Austria) zu arbeiten und war Redakteurin der Zeitschrift „Kunstpresse“. Seit 2000 leitet sie das Bank Austria Kunstforum als geschäftsführende Direktorin. Die in Kooperation mit dem Berliner Martin Gropius Bau produzierte Ausstellung Frida Kahlo (2010) war die bestbesuchte in der Geschichte des Hauses. Sie ist Leiterin der Bank-Austria-eigenen Sammlung Fotografis und Mitglied der Expertenkommission der Bank Austria Kunstsammlung. Als Kuratorin und Autorin ist Brugger Herausgeberin von Publikationen im Bereich der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. 2010 gründete sie das Modelabel INGRIED BRUGGER.
Zum Kunstforum, dem „erfolgreichsten Ausstellungshaus Österreichs“
– Besuch: rund 250.000 Menschen pro Jahr
– Unter den Top 20 der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Wiens (neben Stephansdom, Schloss Schönbrunn, Kunsthistorisches Museum, Riesenrad oder Belvedere)
– Ausstellungspartner bedeutender Institutionen wie z.B. Royal Academy, London; Stedelijk Museum, Amsterdam; Guggenheim Museum, New York; Russisches Museum, St. Petersburg; Fondation Beyeler, Basel
– Internationale Privatsammler präsentieren ihre Schätze im Bank Austria Kunstforum Wien (Bernard Picasso, Ulla und Heiner Pietzsch, Wolfgang Joop, Hubert Looser etc.)
27.12.2017, Autor: Paul Christian jezek / paul.jezek@lex-press.at