Die reiche Ernte bleibt den anderen
Ja, in (Corona-)Zeiten wie diesen ist Regionalität immer mehr gefragt. Die heimischen Konsumenten achten erfreulicherweise deutlich intensiver als noch vor Jahren darauf, woher die Lebensmittel kommen, die sie kaufen. bauernladen ist diesbezüglich bekanntlich ein österreichweit relevanter Mitstreiter, und die AMA verwendet in ihrer neuesten Werbekampagne immerhin den Slogan „Ich schaue auf regionale Qualität.“
In der Bundeshauptstadt waren kürzlich die Jungbauern mit einem Foodtruck unterwegs, und in den Bundesländern machen Bauernfunktionäre und Bauern in Einkaufszentren Werbung für ihre Produkte. Mit großem Eifer und viel Aufwand versucht die Landwirtschaft also (auch) den Rückenwind zu nutzen, den die Covid-19-Krise für bäuerliche Erzeugnisse aus der Heimat anfachte. Regionalität ist in aller Munde und bietet tatsächlich große Chancen.
Üblicherweise (und auch historisch bedingt) gelten Landwirte als „Krisengewinner“, aber in Wirklichkeit haben sie den geringsten Profit von dieser Entwicklung. Die Bauern sorgen nämlich mit ihrem Engagement sehr wohl für schöne Zuwächse in vielen wirtschaftlichen Sektoren und tragen dort auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei, für sie selbst aber fällt im Vergleich dazu nur wenig ab.
Nur ein Siebtel für die Bauern
Dies hat kürzlich eine Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts aufgezeigt: Demnach bringt eine nur einprozentige Erhöhung der Nachfrage nach inländischen Agrarrohstoffen und Lebensmitteln für die gesamte österreichische Volkswirtschaft eine zusätzliche Wertschöpfung von 141 Millionen Euro, mit der rund 3100 Arbeitsplätze verbunden sind, wenn zum selben Prozentsatz dadurch Importe ersetzt werden. Auf die Bauern entfallen davon allerdings nur rund 20 Millionen Euro, rund ein Siebtel des Zugewinns, den der verstärkte Kauf heimischer Agrarprodukte und Lebensmittel bringt. Berücksichtigt man die Abschreibungen, sind es gar nur zehn Millionen Euro.
Den weitaus größten Teil des Kuchens, nämlich die restlichen sechs Siebtel, teilen sich die Lebensmittelverarbeiter, die Metzger und Fleischverarbeiter, die Molkereien und die heimische Lebensmittelwirtschaft sowie auch der Lebensmittelhandel. Für die Bauern bleiben hingegen nur die sprichwörtlichen Brösel. Geht man davon aus, dass ein Haushalt monatlich rund 350 Euro für Lebensmittel ausgibt, sind ein Prozent nicht mehr als 3,50 Euro. Wird dieser zusätzliche Umsatz auf die tatsächliche Wertschöpfung heruntergerechnet, bleiben beim Bauern gerade einmal ein paar Cent hängen, bestätigt Studienautor Franz Sinabell vom Wifo.
Keine „neuen“ bäuerlichen Arbeitsplätze
Nicht einmal bei den bäuerlichen Direktvermarktern ist eindeutig, dass sie wirklich zu den großen Nutznießern des Regionalitätstrends bei Lebensmitteln zählen. „Die tun sich vielleicht am leichtesten, den Trend zu nutzen, haben aber oft sehr hohe Kosten“, erklärt Sinabell. „Aber auch der Handel profitiert stark von ihnen, wenn er die Produkte von regionalen Kleinerzeugern in Regionalregalen verkauft.“
Was für die zusätzliche Wertschöpfung gilt, gilt auch für die 3100 Arbeitsplätze, die laut Wifo in Verbindung mit mehr Österreich-Bewusstsein beim Lebensmitteleinkauf stehen. „Diese Arbeitsplätze befinden sich vor allem dort, wo die zusätzliche Wertschöpfung ist, in der Lebensmittelverarbeitung, im Handel, sogar in der Immobilienwirtschaft“, berichtet Sinabell. Bei Bauern hingegen gehe es nicht um zusätzliche Arbeitsplätze, sondern „nur“ „um Jobs, die nicht verloren gehen“.
Sinabells Fazit klingt somit für die Landwirtschaft, die so große Erwartungen in die Regionalität setzt, ernüchternd: „Wenn wir die Nachfrage nach heimischen Gütern ausweiten, können wir den Strukturwandel nicht aufhalten, sondern allenfalls bremsen. In der Landwirtschaft kann man nicht viel gewinnen, man kann im Wesentlichen nur die Reduktion der Zahl der Arbeitskräfte verlangsamen.“
25.11.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at