Die sieben größten Irrtümer zu Industrie 4.0
Was das öffentliche Erscheinungsbild betrifft, wirkt es z.B. manchmal so, dass es sich lediglich um ein Marketinginstrument handelt …
Das Schlagwort „Industrie 4.0“ ist seit Jahren in aller Munde – und ein Ende des Trends ist nicht abzusehen. Inzwischen haben sich im allgemeinen Gebrauch bereits einige Missverständnisse eingeschlichen:
1) Nur ein Schlagwort?
Ursprünglich wurde der Begriff von der deutschen Bundesregierung als Schlagwort kreiert. Industrie 4.0 hat aber sehr wohl Substanz, Hintergrund und Strategie aufzuweisen – und geht damit weit über das reine Marketing hinaus.
Mit Industrie 4.0 entstand ein neuer, unverbrauchter Begriff, der als Träger für die Medienarbeit dienen konnte und sich voll durchgesetzt hat. Und erst die so entstandene breite Aufmerksamkeit in Industrie, Öffentlichkeit und Politik hat den enormen Vorschub der dahinter stehenden Philosophie und Technologien ermöglicht.
Industrie 4.0 ist also sehr wohl ein Marketingschlagwort – gleichzeitig aber viel mehr!
2) „Über die Industrie hinaus“
Im Zuge der intensiven Diskussion über das Thema Industrie 4.0 hat sich gezeigt, dass vieles, worüber gesprochen wurde, nicht nur die Industrie betraf. So wurde schließlich der Begriff Digitalisierung geprägt, der sich allgemeiner und damit viel breiter und auch abseits der produzierenden Industrie anwenden lässt. Industrie 4.0 und Digitalisierung gehen Hand in Hand.
3) „Geht alles (fast) von selbst“
Wenn das in Ihrem Unternehmen so ist: Herzliche Gratulation! Manche Unternehmen haben es tatsächlich geschafft, Industrie 4.0 so gut in ihrer Strategie zu verankern, dass diese Philosophie tatsächlich gelebt wird.
Allen anderen Unternehmen, welche die Hoffnung hegen, dass die Mitarbeiter auf den Zug aufspringen, ohne dass das Thema unternehmensstrategisch implementiert wurde, ist hingegen zu prognostizieren: Das wird nicht passieren.
4) Kostet mehr, als es bringt
Unternehmen, die diese These unterschreiben würden, müssen sich fragen, ob sie Industrie 4.0 richtig umgesetzt haben. Unterm Strich muss Industrie 4.0 auch einen Mehrwert bringen.
Dennoch gilt: Industrie 4.0 bringt nicht ganz von selbst mehr als es kostet. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht. Die Herausforderung besteht darin, wie man es schafft, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und so neue Märkte und Kunden zu finden. Schließlich geht es bei Industrie 4.0 nicht nur um Verbesserungen innerhalb der eigenen Produktion. Das wäre zu wenig weit gedacht!
5) Zu klein für Industrie 4.0?
Industrie 4.0 – und mit ihr die Digitalisierung – macht vor keinem Unternehmen und auch vor keiner Branche halt.
Dennoch besteht vielfach eine unterschiedliche Dynamik. Manche Branchen setzen sich langsamer mit Industrie 4.0 auseinander, manche schneller. Das ändert aber nichts an der eingangs genannten Tatsache.
6) Technologie nicht ausgereift
Hier muss differenziert werden, da es „die einzelne Technologie“ nicht gibt. Im Bereich der Kommunikationstechnologien bestehen – abhängig vom geografischen Standort innerhalb Österreichs – noch Defizite. Speziell im ländlichen Bereich kann nicht immer auf schnellstes Breitband-Internet zurückgegriffen werden – und das wiederum schränkt die Möglichkeiten ein, Industrie 4.0-Technologien vollumfänglich zu nutzen.
Eine weitere oft auftretende Hürde sind sowohl horizontale als auch vertikale Schnittstellen vor allem innerhalb einer bestehenden Anlage, die es zu überwinden gilt. Steht jedoch eine gute Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung und können z.B. bei einem neu errichteten Produktionswerk Schnittstellenprobleme vermieden werden, können ausgereifte Technologien, die hinter Industrie 4.0 stehen, eingesetzt werden.
7) „Endet am Werkstor“
Auch hier ist die Perspektive von Interesse: „Auf welcher Seite des Werkstores stehe ich?“ Denn es existieren ja durchaus Unternehmen, die sich der Industrie 4.0-Philosophie etwa aus Sicherheitsbedenken bei Weitem nicht vollinhaltlich anschließen. Doch alle, die den Gedanken in vollem Umfang leben wollen, wissen: Industrie 4.0 beginnt eigentlich so richtig erst am Werkstor
„Ein kurzer Blick zurück“
Mit der Bezeichnung „Industrie 4.0“ soll das Ziel zum Ausdruck gebracht werden, eine vierte industrielle Revolution einzuleiten. Die erste industrielle Revolution bestand in der Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft, darauf folgte die zweite industrielle Revolution: Massenfertigung mithilfe von Fließbändern und elektrischer Energie; daran anschließend die dritte industrielle Revolution oder digitale Revolution mit Einsatz von Elektronik und IT (v.a. die speicherprogrammierbare Steuerung) zur Automatisierung der Produktion.
31.3.2018, Autor: Paul Christian Jezek, paul.jezek@lex-press.at