Anders als so manche ökonomische Großtaten kann man diese genau beziffern: Es war der 10. November 2018, als bei Infineon der Spatenstich zur umfassenden Erweiterung des Standorts Villach vorgenommen wurde.

Infineon in Villach (© Infineon)

Das Hightech-Unternehmen investiert in die Erweiterung am österreichischen Hauptsitz mehr als 1,6 Milliarden Euro in die vollautomatisierte Fertigung von Leistungshalbleitern auf 300 Millimeter-Dünnwafern sowie einen Gebäudekomplex für Forschung & Entwicklung, womit bis 2021 insgesamt auch rund 750 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

Im September 2018 war bereits mit Vorbereitungsarbeiten für die Fabrik sowie mit dem Bau eines Parkhauses begonnen worden. Die Errichtung des Forschungskomplexes wurde im Dezember initiiert, im ersten Halbjahr 2019 wurde der Bau der vollautomatisierten Chipfabrik für die Fertigung von Dünnwafern begonnen. Eine Taskforce aus Bund, Land und Stadt stellt relevante Themen im Umfeld des Investitionsprojektes wie Verkehr, Versorgungssicherheit, Wohnraumangebot sowie Kinderbetreuung oder Ausbildungsangebot sicher. Der Gebäudekomplex für Forschung & Entwicklung soll im Frühjahr 2020, die Chipfabrik Anfang 2021 fertiggestellt sein.

Positive Wertschöpfungseffekte
Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI) hat Infineon schon jetzt eine überdurchschnittlich positive Auswirkung auf die Wertschöpfung in Österreich. Als Leitbetrieb sichert Infineon eine österreichweite Bruttowertschöpfung von 1,97 Milliarden Euro, davon rund 1,3 Milliarden in Kärnten.

Jeder Arbeitsplatz bei Infineon sichert indirekt drei weitere, neue Jobs, das sind aktuell über 12.100 Arbeitsplätze österreichweit. Insgesamt wird ein gesamtwirtschaftlicher Umsatz von 4,57 Milliarden Euro generiert.

Steirische Mega-Investitionen
Darüber hinaus erweitert Infineon Austria auch das Entwicklungszentrum in Graz und schafft in der Rebengasse/Metahofgasse Raum für zusätzliche 290 Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung. „In Graz entwickeln wir zukunftsweisende Technologien für Kontaktlos-, Sicherheits- und Sensoranwendungen und bedienen damit aus der Steiermark heraus wesentliche globale Wachstumsmärkte“, erklärte die Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka beim Spatenstich am 10. April. „Der Standort Graz ermöglicht mit seinen Forschungs- und Bildungseinrichtungen wie Technischer Universität, FH JOANNEUM, Silicon Alps Cluster oder Silicon Austria Labs weltweit anerkannte Spitzenforschung.“

Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria AG (© Infineon)

Infineon Graz verfügt derzeit über rund 9.000 m² Büro- und Laborflächen in den vier Gebäuden Schloss Metahof, Metahof II, III und IV. Mit dem Bau des Metahof V kommen zusätzlich 4.500 m² vor allem Arbeitsflächen für Forscher aus dem Bereich Automotive dazu, rund 880 m² werden als Messtechnikflächen genutzt. Das neue Gebäude wird von der Bauwerk Projektentwicklung GmbH errichtet, Infineon ist Mieter. Die Fertigstellung ist für Sommer 2020 geplant. Die aktuell rund 430 Mitarbeiter des Infineon Entwicklungszentrums Graz arbeiten intensiv an Technologien für morgen: autonomes Fahren, „Augmented Reality“ oder Verschlüsselungstechnologien, die künftigen Quantencomputern standhalten. Herdlitschka: „Mikroelektronik sorgt für den Großteil aller Innovationen im Auto. Der Fokus in Graz liegt auf der Entwicklung neuer und sicherer Lösungen für automatisiertes und autonomes Fahren. Dazu gehören vor allem LiDAR (Light detection and ranging)-Komponenten für den Einsatz in Fahrerassistenzsystemen, die neben Radarchips eine wesentliche Voraussetzung für autonom fahrende Fahrzeuge sind.“

EU-Forschungsprojekt „UltimateGaN“ zur CO2-Reduktion
Last but not least fiel am 13. Mai unter der Leitung von Infineon Austria der Startschuss für das europäische Forschungsprojekt UltimateGaN (Research for GaN technologies, devices and applications to address the challenges of the futureGaN roadmap): 26 Partner aus neun Ländern forschen in den kommenden drei Jahren an der nächsten Energiesparchip-Generation basierend auf dem neuen Halbleitermaterial Galliumnitrid (GaN). Ziel ist es, diese Leistungshalbleiter zu global wettbewerbsfähigen Kosten für eine Vielzahl von Anwendungen bereitzustellen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zu mehr Energieeffizienz und zur CO2-Reduktion. Mit einem Volumen von 48 Millionen Euro zählt UltimateGaN zu einem der größten europäischen Forschungsprojekte.

Immer mehr Anwendungen des täglichen Lebens werden digitalisiert und elektrische Fahrzeuge drängen verstärkt in den Massenmarkt. Energiesparchips aus neuen Materialien wie Galliumnitrid spielen eine entscheidende Rolle, den Strom weitaus effizienter zu wandeln als bisher. Dadurch spart man Energie und minimiert den CO2-Fußabdruck. Das Forschungsprojekt eröffnet ein enormes globales Marktpotenzial. Es ermöglicht mehr Leistung sowie mehr Effizienz in einer Vielzahl von Anwendungen und verbessert den Nutzerkomfort deutlich. Schnelleres Laden von Elektroautos, Datenaustausch zwischen Anlagen, Objekten und Maschinen in Echtzeit, energiesparendes Einspeisen von Solarstrom ins Netz oder blitzschnelles Videostreamen werden dadurch Realität.

Ziel ist es, innovative Leistungs- und Hochfrequenzelektronik aus dem neuen Halbleitermaterial GaN zu entwickeln. Infineon Austria bringt als konzernweites Kompetenzzentrum für die neuen Halbleitermaterialen Siliziumkarbid und Galliumnitrid vorhandenes Know-how in das Projekt ein. Die Voraussetzungen dafür wurden mit dem 2018 abgeschlossenen Forschungsprojekt „PowerBase“ in Villach geschaffen. Es gelang, die europaweit erste GaN-Pilotlinie in einem industriellen Fertigungsumfeld zu errichten und die Basisgeneration für erste Marktanwendungen zu schaffen.

Nun geht man material- und prozesstechnisch in der Forschung einen Schritt weiter, um die nächste Generation dieser hocheffizienten Energiesparchips für den Massenmarkt zu erschließen: Im Fokus steht eine weitere Miniaturisierung sowie die Bereitstellung dieser Chips in hoher Qualität und zu global wettbewerbsfähigen Kosten. Durch die spezielle Materialstruktur von GaN werden höhere Leistungsdichten erzielt. Dies ermöglicht kleinere und leichtere Designs, die den Strom weitaus effizienter schalten sowie höhere Datenraten schneller übertragen können. Das resultiert in einer deutlichen Senkung des Energieverbrauchs: Stromverluste werden bis zur Hälfte reduziert.

Von den Energiesparchips werden viele Anwendungen profitieren, in denen es um geringen Energieverbrauch, kompaktere Baugrößen sowie um einen schnellen Datenaustausch geht. Die Elektromobilität und intelligente Stromnetze bekommen mit dem Forschungsprojekt einen neuen Schub: Durch kleine, integrierte „On-Board“ Ladegeräte mit GaN-Chips wird das Aufladen eines Elektroautos auch zu Hause dreimal schneller erfolgen als bisher. Dank dieser effizienten Leistungshalbleiter wird außerdem die Einbindung erneuerbarer Energiequellen wie Solarstrom oder Windkraft ins Stromnetz einfacher und schneller. Auch der neue 5G-Mobilfunkstandard und beispielsweise das ultraschnelle Laden von Videos wird genauso unterstützt, wie eine Verkehrsflusssteuerung in Echtzeit beim autonomen Fahren oder – Stichwort Industrie 4.0 – das reibungslose Kommunizieren zwischen Maschinen.

„Das größte private Investitionsprojekt, das es in den letzten Jahrzehnten in Österreich gegeben hat, ist ein Meilenstein für Infineon, ebenso für die europäische Industriegeschichte. Aufbauend auf dem Know-how unserer Mitarbeiter stärken wir substanziell sowohl die Hightech-Produktion, wie auch parallel unsere Forschung und Entwicklung. Damit zeigen wir, wie zukunftsorientierte Arbeitsplätze geschaffen werden können und aus dieser Investition ein Turbo für die gesamte Region entstehen kann.“

02.09.2019, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at