Energieabgabenvergütung für Dienstleister reloaded: VwGH wendet sich erneut an Europäischen Gerichtshof
Die Einschränkung der Energieabgabenvergütung (ENAV) auf Produktionsbetriebe ist bereits seit Jahren Streitgegenstand vor diversen Gerichten. Kürzlich ist eine erneute Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zu dieser Frage ergangen. Anders als oftmals erwartet, hat das Höchstgericht nicht inhaltlich entschieden, sondern wendet sich abermals mit Fragen zur Auslegung des Unionsrechts an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dies bedeutet zwar eine Verzögerung der offenen Verfahren, verlängert aber auch die Möglichkeit, dass Dienstleistungsbetriebe Anträge auf ENAV stellen können.
Bisheriges Verfahren
Im Sommer 2016 hat der EuGH dazu Stellung genommen, ob der beabsichtigte Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der ENAV mit dem Unionsrecht vereinbar ist (EuGH 21.7.2016, Rs C-493/14, Dilly’s Wellnesshotel GmbH). Der Gerichtshof urteilte, dass im Rahmen der Gesetzesänderung im österreichischen Recht formale Fehler in Bezug auf das ebenfalls zu beachtende Beihilferecht unterlaufen sind (siehe unseren Beitrag vom 22.7.2016). Im Anschluss daran entschied das Bundesfinanzgericht, welches das Verfahren vor dem EuGH eingeleitet hatte, dass folglich auch Dienstleistungsbetriebe für die Jahre ab 2011 weiterhin Anspruch auf die ENAV hätten. Die dagegen erhobene Revision des Finanzamts führte dazu, dass sich nun der VwGH an den EuGH wendet.
Einschränkung der Begünstigten
Davon ausgehend, dass es sich bei der alten Regelung zur ENAV (für Produktions- und Dienstleistungsbetriebe) um eine genehmigte Beihilfe handelt, möchte der VwGH wissen, ob die Änderung (Einschränkung auf Produktionsbetriebe) überhaupt anmeldepflichtig war. Es könne nämlich argumentiert werden, dass es sich nur um eine Verkleinerung des Kreises der Beihilfeempfänger handle. Der VwGH leitet aus der EuGH-Judikatur ab, dass die Genehmigung einer Beihilfe nicht eine Pflicht für den Mitgliedstaat begründe, diese stets in vollem Umfang zu gewähren. Er fragt daher, ob die Beschränkung der Zahl der Beihilfeempfänger als erlaubte teilweise Nichtnutzung einer Genehmigung verstanden werden könnte.
Formfehler
In Bezug auf den bereits in der EuGH-Rs Dilly angesprochenen Formfehler ersucht der VwGH nun um Klärung, ob dieser Fehler dazu führt, dass das Durchführungsverbot für Beihilfen die Einschränkung unanwendbar macht. Dann wäre die ENAV wiederum allen Betrieben wie vor 2011 zu gewähren. Dies könne laut VwGH in ein „Durchführungsgebot“ umgedeutet werden. Ein solches stehe ebenfalls im Widerspruch dazu, dass Staaten nicht zur Durchführung von Beihilfen verpflichtet seien.
Neue EU-Verordnung
Schließlich möchte der VwGH wissen, ob die Beschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe mit der am 1.1.2015 in Kraft getretenen neuen Gruppenfreistellungsverordnung vereinbar ist. Derartige EU-Verordnungen haben im Lauf der Zeit immer wieder bestimmte Gruppen von Beihilfen einem vereinfachten Genehmigungsverfahren unterworfen und wären auch für die ENAV einschlägig. Ist dies der Fall, könnte die Beschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe ab dem 1.1.2015 wirksam geworden sein. Der VwGH fragt jedoch auch, ob die Formulierung der Übergangsbestimmung in der Gruppenfreistellungsverordnung es zulässt, dass sogar rückwirkend für die Zeiträume ab Jänner 2011 eine Anmeldung der Beihilfe nicht erforderlich gewesen wäre.
Auswirkungen
Bejaht der EuGH eine oder mehrere Fragen des VwGH, könnte die Zulässigkeit der Beschränkung auf Produktionsbetriebe aus unionsrechtlicher Sicht bestätigt werden. Zahlreiche Argumente sprechen allerdings gegen eine (rückwirkende) Genehmigung. Dies nicht zuletzt, da die ständige EuGH-Rechtsprechung eine Anmeldepflicht für die Änderung bestehender Beihilfen bejaht, eine rückwirkende Genehmigung im Beihilferecht hingegen stets verneint. Überdies hat der EuGH zu ebendieser Rechtslage in der Rs Dilly judiziert, dass auch ein Formalfehler bei der Anmeldung einer Beihilfe beachtlich ist.
Ausblick
Die strittige Rechtsfrage ob Dienstleistungsbetriebe auch noch nach Jänner 2011 einen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben, ist nach wie vor ungeklärt. Es ist wünschenswert, dass das neuerliche EuGH-Verfahren eine Klärung ermöglicht. Anträge auf Energieabgabenvergütung für das Jahr 2012 können noch bis Ende 2017 gestellt werden. Dienstleistungsbetriebe, die ihre Ansprüche wahren möchten, können daher nach wie vor Anträge stellen.
6. October 2017, Autor: Andreas Kapferer / www.deloitte.at