Energiewende in der Industrie
Oberösterreich und Steiermark als Vorzeigeregion für Energieinnovation.
Oberösterreich ist aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur ein besonders energieintensives Bundesland und das bedeutet, dass der Hebel die Energieeffizienz sein muss. „Je intelligenter und effizienter wir mit Energie umgehen, desto erfolgreicher werden wir im internationalen Wettbewerb sein“, ist Forschungs- und Energiereferent LH-Stv. Dr. Michael Strugl überzeugt. Daher wird bei der Energiestrategie „Energie-Leitregion OÖ 2050“ die Verbesserung der Energieintensität noch stärker in den Mittelpunkt gestellt. Neben der Ausrichtung auf die Verbesserung der Energieeffizienz soll auch der Anteil an erneuerbaren Energieträgern weiter gesteigert werden. Der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern im produzierenden Bereich trägt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Standortsicherheit bei. Besonders heimische Energietechnologie-Unternehmen profitieren schon davon.
„Diese Ziele unserer Energiestrategie haben wir in ‚New Energy for Industry‘ – kurz NEFI – eingebracht. Hier werden sie in konkreten Projekten umgesetzt“, erklärt Strugl. NEFI ist eine F&E-Plattform und versteht sich als Industrieregion von produzierenden und energieintensiven Unternehmen. NEFI ist bundesländer-übergreifend mit einem besonderen Fokus auf Oberösterreich und Steiermark aufgrund der hohen Dichte produzierender Unternehmen, überdurchschnittlich hohem Energiebedarf und der Zielsetzungen der beiden Landesregierungen.
Oberösterreich stärkt damit sein Innovations-Ökosystem, indem sowohl Technologie zur Anwendung kommt als auch Energietechnologie entwickelt wird und die gesamte Wertschöpfungskette – von den Großunternehmen, den KMUs, den Energietechnologieentwicklern bis zu den Energieplanern und Nutzerinnen – verbunden wird. Ziel ist auch in bestimmten Segmenten Energietechnologie- und Innovationsführerschaft zu erreichen und international sichtbar zu sein.
Innovative Entwicklungen spielen dabei eine große Rolle: Mehr als die Hälfte aller innovativen Unternehmen in OÖ haben im Zeitraum 2012 bis 2014 (= letztverfügbare Daten) eine „Öko-Innovation“ umgesetzt. Als „Öko-Innovationen“ werden neue oder merklich verbesserte Produkte, Dienstleistungen, Prozesse, organisatorische Neuerungen oder Marketingneuerungen, die im Vergleich zu anderen Alternativen eine positive Auswirkungen auf die Umwelt haben, bezeichnet. Zu den wichtigsten Innovationszielen gehören die Senkung des Energieverbrauchs und Ressourceneffizienz.
Warum das auch für die ökonomische Entwicklung von Bedeutung ist, zeigt eine Zahl: Die Umsatzerlöse mit Öko-Innovationen haben sich in den vergangenen Jahren österreichweit vervierfacht und die Dynamik dieser Entwicklung ist ungebrochen. Rund zwei Billionen Dollar werden jährlich global in Energietechnologien investiert. Für Oberösterreich als exportorientierte Region bringt das enorme Chancen. Nicht zuletzt deshalb ist NEFI auch das zentrale Umsetzungsprojekt im Aktionsfeld Energie des Strategischen Wirtschafts- und Forschungsprogrammes Innovatives OÖ 2020 im kommenden Jahr.
Für ein Industriebundesland wie Oberösterreich ist vor allem der produzierende Sektor entscheidend. Das Projekt NEFI bringt in diesem Zusammenhang einen dreifachen Nutzen:
1) Der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Ressourcen sichert den Produktionsstandort Oberösterreich und die damit verbundene Wertschöpfung & Arbeitsplätze auch vor dem Hintergrund herausfordernder europäischer Klimaschutzziele langfristig ab.
2) Heimische Technologien, die im Zuge von NEFI (weiter-)entwickelt und im eigenen Bundesland eingesetzt werden, können in weiterer Folge auch auf den Weltmarkt ausgerollt werden.
3) Aus der Zusammenarbeit von Wissenschaft, Technologieanbietern und Unternehmen entsteht ein Innovationsverbund, der den Weg zur Dekarbonisierung der Industrie demonstriert. Diese Leuchtturmprojekte, die in den produzierenden Unternehmen umgesetzt werden, dienen sowohl zur Bewusstseinsbildung als auch als Anschauungsbeispiele für interessierte Unternehmen. Ein großer Vorteil dieses Innovationsverbundes ist, dass nicht nur große Leitbetriebe, sondern auch innovative KMU in die Aktivitäten miteinbezogen werden und von den Forschungsergebnissen profitieren. Breit ist auch die Beteiligung nach Branchen: Lebensmittel, Maschinenbau, Chemie, Zement, Stahl und Kunststoff sind vertreten.
Hinzu kommt ein positiver Beschäftigungseffekt: Jeder neue Beschäftigte in der Cleantech-Branche schafft annähernd zwei zusätzliche Arbeitsplätze in anderen Branchen.
Drei oberösterreichische NEFI-Projekte im Detail:
1) Im Projekt „Industrial Microgrids“ werden technologischen Dienstleistungen und Lösungen für die Dekarbonisierung in mehreren Testfeldern entwickelt. In neuen „Energiegemeinschaften“ werden durch den unternehmensübergreifenden Energieaustausch und der Nutzung von Energieüberschüssen sowie deren Bewertung in Hinblick auf die wirtschaftliche und technologische Machbarkeit und relevante regulatorische Anforderungen diese erprobt.
2) Im Projekt „Industrial Leaders“ werden konkreter Lösungen für die gesamthafte Dekarbonisierung von bestehenden Produktionsstandorten durch die Kombination entwickelt, getestet und demonstriert. Im Zentrum steht hier die nutzerorientierte Innovation, sie führt zu einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von Investitionen im Bereich Energieeffizienz und erneuerbarer Energie in industriellen Energiesystemen. Es erfolgt die Implementierungen neuer Lösungen an 12 Produktionsstandorten unter Leitung des OÖ Energiesparverbandes.
3) Das Ziel des Projektes „Renewable Processes“ ist die Entwicklung von Konzepten und Produkten zur Dekarbonisierung wirtschaftlich wichtiger industrieller Prozesse durch Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energie. Der Fokus liegt auf Anwendungen in der Maschinenbau- und Kunststoffindustrie, wie Beschichten, Lackieren, Schneiden, Metall umformen, Löten und Spritzgießen.
Klima- und Energiefonds zeigt mit NEFI den Weg zur Dekarbonisierung der Industrie
Die energieintensive Industrie steht vor enormen Herausforderungen: Maximaler Klimaschutz, wie er im Pariser Klimaabkommen beschlossen wurde, muss mit der Sicherung des Industriestandorts vereinbart werden. Gleichzeitig wird der globale Wettbewerb intensiver. Die Entwicklung neuer Energietechnologien hat daher eine enorme Bedeutung für die nachhaltige Sicherung des Standorts Österreich, zählt die Industrie hierzulande doch knapp 380.000 Beschäftigte mit einer Wertschöpfung von mehr als 87 Mrd. Euro. Klima- und Energiefonds-Geschäftsführerin Theresia Vogel: „Die ,Vorzeigeregionen Energie‘ werden genau auf diese Herausforderungen Antworten geben. NEFI wird der Welt zeigen, dass die Energiewende mit Innovationen ,made in Austria‘ mach- und leistbar ist. Industrieländer wie Oberösterreich und die Steiermark eignen sich für dieses großformatige Projekt hervorragend, ist die Präsenz von Industriebetrieben doch gerade hier sehr stark ausgeprägt und die Bereitschaft, in die Energiezukunft zu investieren, ist seitens des Landes enorm ausgeprägt.“
Die aktuelle Energie-, Forschungs- und Innovationsstrategie ist das Ergebnis eines mehrstufigen Dialogprozesses mit Experten aus Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und begreift den tiefgreifenden Wandel des Energieversorgungssystems als Chance für heimische Unternehmen. Gleichzeitig gibt sie die zukünftige strategische Ausrichtung der Energieforschung und -innovation vor. Vogel: „Mit der Energie-Forschungs- und Innovationsstrategie verfolgt Österreich einen einzigartigen Weg – denn die Versorgung der energieintensiven Industrie mit erneuerbaren Energieträgern wurde bisher in keinem Energieszenario ausreichend berücksichtigt. Durch die Vorzeigeregionen Energie erfährt die Strategie nun ihre Umsetzung, den Weg wollen wir gemeinsam mit der Industrie gehen.“
NEFI läuft im Rahmen der breit angelegten Forschungs-, Technologie- und Innovations-Initiative (FTI) des Klima- und Energiefonds. Mit einer Gesamtlaufzeit bis zum Jahr 2025 und einem Fördervolumen von bis zu 40 Mio. Euro pro Vorzeigeregion unterstützt der Klima- und Energiefonds insgesamt drei thematisch unterschiedliche Vorzeigeregionen. Deren gemeinsames Ziel: Die Entwicklung und großformatige Demonstration österreichischer Energieinnovationen für eine Versorgung mit bis zu 100 % erneuerbare Energien aus der Region. „Unser Ziel ist es, eine Energietechnologie von der Bedeutung eines Linz-Donawitz-Verfahrens auf den Weltmarkt zu bringen“, präzisiert Vogel. „Das ist ein durchaus ambitioniertes Ziel, denn dieses Verfahren wurde bei der Voest in Linz Ende der 1940er-Jahre bis zur Betriebsreife entwickelt. Mehr als 70 Prozent der Weltrohstahlproduktion basiert heutzutage auf dieser Entwicklung. Genauso muss es uns gelingen, mit innovativen Energietechnologien den Weltmarkt zu erobern.“ Dabei leistet das Förderprogramm mehr als eine reine Forschungsförderung. Im Sinne eines „One-Stop-Shop“ begleitet der Klima- und Energiefonds – dotiert aus Mitteln des bmvit – Unternehmen von der Entwicklung neuer Technologien bis zur Demonstration.
Der Innovationsverbund
Der NEFI Innovationsverbund hat sich um AIT Austrian Institute of Technology, Montanuniversität Leoben, OÖ Energiesparverband und OÖ Wirtschaftsagentur Business Upper Austria formiert und bündelt damit die umfangreiche Erfahrung dieser Akteure im Bereich der Energieforschung. Gemeinsam wurde ein Konsortium mit mehr als 80 Unternehmen, 14 Forschungs- und 5 institutionellen Partnern aufgestellt. NEFI involviert Unternehmen aller Sektoren z. B. aus der Lebensmittel-, Maschinenbau-, Kunststoff-, Zement-, Chemie- und Stahlindustrie und bezieht auch den Tourismus als wichtigen Energieverbraucher und Wirtschaftsfaktor in das Konzept mit ein.
„NEFI kann viel bewirken: derzeit entfallen 38 % des gesamten Energieverbrauchs der österreichischen Industrie auf die NEFI-Partner“, sagt NEFI-Verbundkoordinatorin Hon. Prof. Mag. DI Dr. Brigitte BACH vom Austrian Institute of Technology. „Sie nehmen die Herausforderung an und entwickeln in bis zu 20 geplanten Einzelprojekten Technologien mit Leuchtturmcharakter, die die Energiewende in der Industrie ermöglichen und für internationale Sichtbarkeit sorgen.“ Für 2019 und 2020 ist eine Reihe weiterer Projekte geplant. Eine zentrale Rolle spielt die fortschreitende Digitalisierung, die neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Energiesystems und der Industrieprozesse schafft. NEFI setzt auf sechs Innovationsfelder, u.a. im Bereich der Energieeffizienz und verfolgt einen systemischen Ansatz, in dem das Unternehmen wichtiger Teil eines integrierten Energieverbundes ist. Dadurch ergeben sich auch neue Geschäftsmodelle.
NEFI Innovationsfelder:
– Energieeffizienz & neue Prozesse
– Erneuerbare Energie & Speicher & DSM
– Industry to Grid
– Gesetzgebung, Innovation & Forschungsstrategien
– Systemlösungen & Infrastruktur
– Neue Geschäftsmodelle
NEFI Schlüsseltechnologien – Beispiele
– Effizienzsteigerung und Einbindung innovativer Prozesstechnologien (z.B. Hochtemperatur Wärmepumpen) in industrielle Systeme durch innovative Prozesssteuerung und Demand-Side-Management
– Industrielle Abwärmenutzung
– Speichertechnologien wie innovative Hybridspeicher und adiabate Druckluftspeicher
– Lastenflexibler Sauerstoffeinsatz bei der Stahlerzeugung
– Einrichtung unternehmensübergreifender Energiegemeinschaften
– Lastmanagement im Bereich der Stromnetze durch Einbeziehung der Tourismusregionen
NEFI Partner
NEFI Verbundkoordinator ist AIT Austrian Institute of Technology GmbH
Das NEFI Steuerungsteam (Cluster Steering Committee) bilden:
– AIT Austrian Institute of Technology – Center for Energy
– Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Energieverbundtechnik
– OÖ Energiesparverband
– Business Upper Austria – OÖ Wirtschaftsagentur GmbH
– Ein wissenschaftlicher & strategischer Beirat wird eingerichtet zur Unterstützung der Projektauswahl und Ausrichtung
Exzellente Energieforschung und Innovationsprozesse
Die Montanuniversität Leoben, vertreten durch Rektor Univ.-Prof. Dr. Wilfried Eichlseder, wird im Rahmen des NEFI die Rolle der Leitung des Innovationsprozesses einnehmen. „Dabei geht es vor allem darum, welche neuen Prozesse es braucht, um einem flexiblen, digitalisierten Energiesystem der Zukunft gerecht zu werden“, erläutert Eichlseder. Auch soll untersucht werden, wie erneuerbare Energie bestmöglich in bestehende Prozesse integriert werden kann.
Univ.-Prof. Dr. Thomas Kienberger, Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik der Montanuniversität und operativer Leiter des Projekts in Leoben, stellt folgende Fragestellungen in den Mittelpunkt: „Wie können komplexe Energiesysteme entlang der industriellen Wertschöpfungskette optimiert werden? Und wie kann die Energieeffizienz der industriellen Produktion erhöht werden?“ Dazu nennt Kienberger schon einige konkrete Forschungsschwerpunkte: So wird im ZaB (Forschungszentrum am steirischen Erzberg) intensiv an einem innovativen Druckluftspeicher gearbeitet. Auch soll der Sauerstoffeinsatz bei der Stahlerzeugung lastflexibel werden, ebenso der Energieverbrauch in Papierfabriken.
Neben der energieintensiven Industrie mit ihren Hochtemperaturprozessen wird auch die energieextensive Industrie (Lebensmittel, Automotive, Elektronik) betrachtet. Die Einzelprozesse brauchen dabei zwar nicht so viel Energie – gerade das macht ein systemisches Zusammenspielen in einem Gesamtsystem aber umso wichtiger. Besonderes Augenmerk wird auf die Verknüpfung der Industrie mit den anderen Sektoren gelegt. „Wir von der Montanuniversität Leoben sehen uns vor allem für den Technologietransfer und die Begleitung bei unseren steirischen Stakeholdern verantwortlich“, erklärt Eichlseder.
6.1.2018, Autor: Paul Christian Jezek, / paul.jezek@lex-press.at
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