EU Retail Investment Strategy
Am 24.5.2023 veröffentlichte die Europäische Kommission die Entwürfe zur lang erwarteten Retail Investment Strategy. Wie bereits mehrfach angekündigt, liegen ESG und Sustainable Finance im Kernbereich der Strategie. Neben bekannten Regeln rund um die „Nachhaltigkeitspräferenzen“ gibt es auch ganz neue Anforderungen an den Vertrieb und an die vorvertraglichen Informationen.
Im Einzelnen:
- ESG-Informationen im PRIIPS KID: Das Basisinformationsblatt (PRIIPS KID) soll unter der Überschrift „Wie ökologisch nachhaltig ist dieses Produkt?“ zukünftig auch ESG-Informationen enthalten. Im Wesentlichen sind das zwei Kennzahlen: Einerseits das Mindestinvestment in taxonomiefähige Aktivitäten. Andererseits die mit dem Produkt verbundenen erwarteten Treibhausgas-Emissionen.
Sinnvoll ist, dass diese Informationen bereits Teil der Offenlegungen nach der Offenlegungs-VO sind, weshalb sie bei den Marktteilnehmern bereits vorhanden sein sollten. Allerdings irritiert daran, dass der vorgegebene Rahmen extrem eng gezogen ist: Es geht nur um ökologische Nachhaltigkeit – die soziale Nachhaltigkeit bleibt, wie so oft, wieder einmal unberücksichtigt, obwohl die Offenlegungs-VO auch die Förderung sozialer Ziele als Bestandteil einer nachhaltigen Investition anerkennt. Und noch dazu wird diese rein ökologische Nachhaltigkeit eingeschränkt auf die Erfüllung der Kriterien der Taxonom-VO. Andere Definitionen ökologischer Nachhaltigkeit, welche die Offenlegungs-VO ebenfalls erlaubt, sind unter dieser Überschrift nicht zu behandeln.
Das hätte das zur Folge, dass viele Produkte, die nach der Offenlegungs-VO nachhaltige Investitionen anstreben („Art 9-Fonds“), in den verpflichtenden ESG-Informationen im Basisinformationsblatt keinen Raum haben, ihre Nachhaltigkeitseignung zu demonstrieren – außer sie wären spezifisch fokussiert auf taxonomiefähige Investments, was aber die wenigsten sind. Aus unserer Sicht würde das gerade nicht dazu beitragen, dem (Klein-) Anleger eine umfassende Entscheidungsgrundlage zu bieten. Im Gegenteil: Diese Art der Darstellung ist nicht selbsterklärend und sogar irreführend.
Zwei Beispiele: Investmentfonds mit dem von der Offenlegungs-VO genannten sozialen Ziel der Förderung benachteiligter Bevölkerungsgruppen haben 0 % taxonomiefähige Mindestinvestments, weil es erst eine „Umwelt-Taxonomie“, aber noch keine „Sozial-Taxonomie“ gibt. Und Investmentfonds, die zwar ein Umweltziel im Sinn der Offenlegungs-VO verfolgen, allerdings die strengen Vorgaben der Delegierten Verordnungen zur Taxonomie-VO nicht einhalten können, haben ebenfalls 0 % taxonomiefähige Investments. Wie ein „dunkelgrüner“ Art 9-Fonds 0 % Mindestinvestments in taxonomiefähige Tätigkeiten haben kann, wird vielen, die noch nie mit dieser Materie zu tun hatten, unerklärlich bleiben. Dabei handelt es sich allerdings gerade um einen sehr häufigen Fall, insbesondere weil es bekanntlich erst verhältnismäßig wenige taugliche taxonomiefähige Assets gibt, weshalb Emittenten – erlaubterweise – auf nicht-taxonomiefähige, aber trotzdem nachhaltige Assets ausweichen. Diese Praxis sollte auch im Basisinformationsblatt Niederschlag finden. - Kenntnisse im Bereich von Sustainable Finance: Wer zukünftig zu Finanzinstrumenten oder Versicherungsanlageprodukten berät, muss über besondere Kenntnisse im Bereich von Sustainable Finance verfügen. Erforderlich ist ein Verständnis darüber, was nachhaltige Investments sind und wie Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess integriert werden müssen. Der Grund liegt laut Kommission darin, dass bei Beratern über alle Mitgliedstaaten hinweg ein sehr unterschiedlicher Grad an Wissen und Qualifikationen vorliege.
- Nachhaltigkeitspräferenzen: Wie berichtet ist es seit einigen Monaten in der Anlageberatung und in der Versicherungsanlageberatung verpflichtend, unter anderem auch die „Nachhaltigkeitspräferenzen“ des Kunden abzufragen. Diese Pflicht ergab sich schon bisher aus Delegierten Verordnungen. Sie soll jetzt für die Anlageberatung auch in der MiFID II und für die Versicherungsanlageberatung auch in der IDD selbst festgehalten werden. Inhaltlich würde sich damit aus unserer Sicht aber nichts ändern.
Zusammengefasst kreist auch der neue Vorschlag der EU stark um den Bereich ESG, allerdings mit einem besonderen Blick auf Kleinanleger. Angesichts der in den letzten Jahren immer wieder überarbeiteten Pflichten – insbesondere was vorvertragliche Informationen betrifft – wäre es tatsächlich wünschenswert, wenn der Gesetzgeber gerade im Retail-Segment eine übersichtlichere Informationslage herstellt. Aus unserer Sicht wäre dafür aber in erster Linie eine Verschlankung und Vereinfachung des bisherigen Regelwerks erforderlich – und keine Erweiterung auf Grundlage eines noch nicht völlig ausgereiften, ohnehin schon jetzt hochkomplexen Regelwerks. Sonst sieht der Kleinanleger aufgrund der im Vermögensveranlagungsbereich bereits bestehenden Informationsflut den Wald vor lauter Bäumen nicht, was die Bereitschaft zu nachhaltigen Veranlagungen– entgegen den Zielsetzungen der neuen Regulierung – vermutlich nicht steigern wird.
30.5.2023, Autoren: Dr. Andreas Zahradnik und Dr. Christian Richter-Schöller, DORDA Rechtsanwälte GmbH, www.dorda.at