In einem vom erfreulich umtriebigen Bundeskartellanwalt angestrengten Vorabentscheidungsverfahren hat der Europäische Gerichtshof nunmehr eine klare Linie hinsichtlich der fusionskontrollrechtlichen Prüfung bei Gemeinschaftsunternehmen gezogen. Neuerdings sind damit ─ jedenfalls auf europäische Ebene ─ von der Fusionskontrolle ausschließlich Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen umfasst. Dabei kommt es seit 7.9.2017 nicht mehr darauf an, dass das Gemeinschaftsunternehmen neu gegründet wird. Vielmehr sind von dieser Unterscheidung auch bereits existierende Unternehmen umfasst, bei denen sich durch Hinzukommen einer oder mehrerer weiterer Muttergesellschaft(en) ein Gemeinschaftsunternehmen ergibt. Ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss liegt auf europäischer Ebene damit immer nur dann vor, wenn ein Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen gegeben ist.

Bei einem Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen muss es sich daher nach der europäischen Fusionskontrolle ab sofort um eine „selbstständige wirtschaftliche Einheit“ handeln. Das Unternehmen muss daher auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllen. Dazu gehört vor allem auch, dass das betreffende Unternehmen nicht ausschließlich Hilfsfunktionen für seine Muttergesellschaften übernimmt.

Wer sich nun über die offenbar einschränkende Interpretation der Fusionskontrollregelungen auf europäischer Ebene freut, sollte gleichzeitig die bittere Pille nicht vergessen: Dies führt dazu, dass das Kartellrechtsregime voll auf alle anderen Joint Venture anwendbar ist, sodass die Koordination des Verhaltens der Muttergesellschaften über das Joint Venture dem Kartellverbot unterliegt. Hier gibt es allerdings keine Möglichkeit einer Anmeldung und damit Genehmigung durch die Behörden, sondern die Unternehmen müssen dies selbst beurteilen und am Ende auch die (drakonischen) Konsequenzen tragen.

Dank dieser richtungsweisenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist damit die Frage für die europäische Fusionskontrolle geklärt, ob dies allerdings auf die nationale Fusionskontrolle unmittelbar umzulegen ist, bleibt fraglich. Die österreichischen Fusionskontrolltatbestände datieren größtenteils von einer Zeit vor Einführung des Begriffs des „Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens“ und umfassen auch wesentlich mehr Tatbestände als bloß den Kontrollerwerb. So sind auch Anteilserwerbe ab bereits 25% erfasst.

Hier stellt sich somit die Frage, ob ein solcher Anteilserwerb, der in weiterer Folge zu einem Gemeinschaftsunternehmen führt, nun dennoch der österreichischen Fusionskontrolle unterliegt, oder ob auch hier die speziellere Regel für Gemeinschaftsunternehmen zur Anwendung kommen muss, die auch im österreichischen Recht auf die Vollfunktion abstellt. Ist dies der Fall, so ist davon auszugehen, dass die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs auch für die Interpretation des österreichischen Rechts gelten dürften, zumal die Regelung nahezu wortgleich ist. Auch in Österreich gilt in diesem Fall allerdings die bittere Pille, dass die §§ 1 ff KartG 2005 damit auf Nicht-Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen und ihre Gesellschafter voll anwendbar sind, ohne dass eine Vorabkontrolle und damit Freigabe erfolgen kann. Die Strukturierung derartiger Vorhaben und deren Anmeldung oder eben Nicht-Anmeldung wird daher in nächster Zeit noch spannende Fragen aufwerfen.

5.10.2017, Autor: Dr. Lukas Flener / www.fwp.at