Preistafel für Treibstoff an einer Tankstelle. Der Benzinpreis schwankt im Tagesverlauf: Wer nur zu Stoßzeiten tanken kann, trägt letztlich auch mehr Steuerlast. Unter anderem anhand von Daten von Tankstellen aus Deutschland untersucht ein internationales Forschungsteam … (Symbolbild: pixabay.com)

Vom Benzin- bis zum digitalen Markt: In einem hochdotierten Forschungsprojekt untersuchen die Ökonomin Christine Zulehner und ihr Team, wie sich Preise in Märkten, die von wenigen Unternehmen dominiert werden, gestalten – und erarbeiten wichtige Grundlagen für die Wettbewerbspolitik.

In einem sogenannten „vollkommenen Markt“ gibt es viele Unternehmen und viele Konsumentinnen. Die Konsumentinnen wissen, welche Art von Produkten die Unternehmen verkaufen und welche Preise sie verlangen, und die Unternehmen haben freien Zugang zum Markt. „In solchen Märkten werden die Preise sehr nahe an den Grenzkosten der Güterproduktion sein. Ein Beispiel sind landwirtschaftliche Märkte“, erklärt die Ökonomin Christine Zulehner.

Im Mittelpunkt ihres aktuellen, groß angelegten Forschungsprojekts – insgesamt sind fünf Forscherinnen der Universität Bergen und der Uni Wien beteiligt – stehen allerdings Märkte, bei denen diese Bedingungen nicht erfüllt sind: Das internationale Projektteam untersucht den „unvollkommenen Wettbewerb“ und seine Auswirkungen auf die Konsumentinnen.

Daten: Der etwas andere Preis
Im unvollkommenen Wettbewerb dominieren wenige Unternehmen den Markt. Prominente Beispiele sind digitale Konzerne wie Google, Amazon, Facebook oder Apple: Sie nehmen eine führende Marktposition ein – mit Konsequenzen für Konsumentinnen und andere Unternehmen, die ebenfalls diese Plattformen nutzen: „Die Konsumentinnen können nicht so leicht auf einen anderen Anbieter wechseln – also kann dieser seinen Preis leicht erhöhen“, so Zulehner.

Im Fall von Google und Co. bezahlen die User*innen nicht in Euro, sondern mit ihren persönlichen Daten. „Die Unternehmen wiederum müssen die Bedingungen, die Plattform nutzen zu können, akzeptieren“, erklärt die Vorständin des Instituts für Volkswirtschaftslehre.

Beispiel Benzinmarkt
Aber auch auf traditionellen Märkten findet sich unvollkommener Wettbewerb – etwa dem Benzinmarkt. „Auf diesem Markt beobachten wir, dass die Nachfrage nach Benzin über den Tag schwankt. Das wollen die – wenigen – Unternehmen am Markt für sich nutzen“, veranschaulicht Zulehner. Einigen Konsument*innen wird das Produkt billiger verkauft. Anderen, die nur zu den Stoßzeiten tanken können, deutlich teurer.

Ob man von den Preistälern profitieren kann, bestimmen in diesem Fall zwei Faktoren, erklärt sie weiter: „Habe ich erstens Informationen darüber, wann Benzin am billigsten ist? Wenn ja: Bin ich zweitens zeitlich so flexibel, dass ich beispielsweise mittags tanken fahren kann?“, fasst die Sprecherin des mit 1,3 Mio. Euro dotierten FWF-Projekts zusammen.

Eingriff in den Markt: Wo bleibt der Lenkungseffekt?
In Deutschland sind Tankstellen dazu verpflichtet, ihre Preisänderungen stündlich an die Transparenzstelle zu übermitteln. Die genauen Daten aus Deutschland nutzen Christine Zulehner und ihr Team im Projekt, um diese dynamische Preisbildung und die Reaktionen der Unternehmen zu untersuchen sowie hypothetische Berechnungen durchzuführen. „So können wir beispielsweise auch die optimale Zusammensetzung von Steuern ermitteln“, sagt die Projektsprecherin.

Wie Steuern sich auf den Endpreis, den Konsumentinnen bezahlen müssen, auswirken, hängt von mehreren Faktoren ab – unter anderem, wie stark der Wettbewerb unter den Anbieterinnen ist und inwieweit Konsumentinnen auf andere Produkte ausweichen können. „Bei Konsumentinnen, die nicht flexibel tanken können, ist das kurzfristig zumindest schwierig, und es ist damit zu rechnen, dass diese Konsument*innen einen Großteil der Steuerlast tragen“, so Zulehner.

Informationsasymmetrien und ihre Wirkung
Ein weiterer spannender Aspekt, den die internationalen Forscherinnen rund um Christine Zulehner untersuchen, sind Informationsasymmetrien, die auch ein Abweichen vom vollkommenen Wettbewerb bedeuten. Sie können entstehen, wenn das in einer vertikalen Lieferkette nachgelagerte Unternehmen (z.B. ein Supermarkt) keine Information über die Qualität der Produkte hat, die es verkaufen soll, und das vorgelagerte Unternehmen (z.B. ein Produzent) wiederum nichts über die Nachfrage nach diesen Produkten weiß. „Etwa haben Supermärkte durch Kundenbindungsprogramme mehr Informationen über die Nachfrage als die Produzentinnen von Lebensmitteln“, erklärt die Ökonomin.

Zudem beschäftigen Christine Zulehner und ihr Team zwei weitere spannende Fragen: Wann verkaufen Unternehmen direkt an die Verbraucherinnen, und wann sind sie auf unabhängige Einzelhändlerinnen angewiesen? Welche Anreize gibt es für Unternehmen, sogenannte vertikale Fusionen einzugehen? „Die Bewertung der Auswirkungen solcher Fusionen ist wichtig für die Wettbewerbspolitik und letztlich für das Wohl der Konsument*innen“, so die Wirtschaftswissenschafterin abschließend. (lk)

Das Forschungsprojekt "Preissetzung in Märkten mit unvollkommenem Wettbewerb" wird vom Wissenschaftsfonds FWF mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Fünf Forscher*innen (Daniel Garcia, Maarten Janssen, Eeva Mauring, Philipp Schmidt-Dengler, Christine Zulehner) von der Universität Bergen und der Universität Wien untersuchen verschiedene Märkte und die Preisbildung auf unvollkommenen Wettbewerbsmärkten sowohl aus einer empirischen als auch aus einer theoretischen Perspektive. Das Forschungsprojekt (Laufzeit 2021-2026) ist in fünf Themen unterteilt, die sich auf dynamische Preisbildung, Preisbildung unter Informationsasymmetrien, Verbrauchersuche, Kollusion und Preisbildung im Einzelhandel konzentrieren. Christine Zulehner, Vorständin des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Uni Wien, ist Sprecherin des FWF-Projekts.

27.10.2021 / Autorin: Lisa Kiesenhofer (uni:view) / univie.ac.at