Sozialbetrug mittels Scheinunternehmen: neue Betrugsmodelle durch komplexe Firmenkonstruktionen rund um Scheinunternehmen (Foto: Sevenstorm Juhaszimrus / pexels.com)

Zahl der Scheinunternehmen in Wien steigt – Finanzminister Blümel ordnet Gründung der SOKO Scheinfirmen an.

„Dass Betrug keinen Lockdown kennt, wissen wir dank der Betrugsbekämpfungseinheiten von Zoll, Steuerfahndung und Finanzpolizei nur allzu gut. Denn auch während der Pandemie hatten sie alle Hände voll zu tun. Doch die Entwicklung von Scheinunternehmen in Zusammenhang mit Sozialbetrug ist derzeit höchst bedenklich – vor allem in Wien“, berichtet Finanzminister Gernot Blümel einleitend bei einer Pressekonferenz mit dem Leiter der Finanzpolizei, Wilfried Lehner.

Die Finanzpolizei beobachtet derzeit einen beunruhigenden Trend in Wien: Normalerweise werden bundesweit im gesamten Jahr zwischen 50 und 100 Scheinunternehmen festgestellt, doch alleine im ersten Quartal 2021 wurden nun 55 solcher Scheinunternehmen in ganz Österreich aufgedeckt und rechtskräftig festgestellt. 46 dieser Scheinfirmen finden sich in Wien. „Neben diesen Firmen bearbeitet die Finanzpolizei Wien jedoch aktuell noch weitere 61 Unternehmen und deren Firmenkonstrukte, die verdächtigt werden, Scheinunternehmen zu sein. Meist handelt es sich bei den aufgedeckten Scheinfirmen um Personalbereitsteller für den Baubereich. Je schneller wir diese Scheinfirmen vom Markt nehmen, desto geringer ist der Schaden“, sagt Wilfried Lehner.

„Pro Scheinunternehmen werden bis zu 30 Mio. Euro Umsatz abgewickelt, hier entsteht vor allem im Bereich der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge, die dem Staat vorenthalten werden, ein enormer Schaden“, so Finanzminister Gernot Blümel.

Wie Sozialbetrug mittels Scheinunternehmen funktioniert
Während früher das „klassische“ Modell der bloßen Beschäftigung ohne Anmeldung vor allem in der Baubranche anzutreffen war, hat sich das Betrugsmodell, mit dem Lohnkosten gespart werden sollen mittlerweile verändert: Jetzt bestehen Firmenkonstruktionen rund um Scheinunternehmen, um den Ermittlern die Arbeit zu erschweren.

Dabei werden für Schwarzlohn-Zuzahlungen Arbeitszeitaufzeichnungen und Lohneinstufungen manipuliert. Da jedoch die fingierte Lohnverrechnung nicht den tatsächlichen Aufwand für Arbeitslöhne deckt, entsteht ein massiver Bedarf an Schwarzgeld. Dieser Bargeldbedarf wird durch fingierte Ausgaben bei Dienstleistern gedeckt. Dazu werden Schein- und Deckungsrechnungen zugekauft und ins Rechenwerk übernommen. Diese Schein- und Deckungsrechnungen liefern kriminelle Machthaber, die Firmenmäntel errichten und erwerben, um eine Unternehmensstruktur und branchenübliche Tätigkeit vorzuspiegeln.

Um den Behörden die Entdeckung weiter zu erschweren, werden immer öfter Firmen zwischengeschaltet, die zumindest teilweise über angemeldete Dienstnehmer verfügen und daher nicht sofort als Scheinunternehmen erkennbar sind.

Ausgangsrechnungen werden unter Verwendung der Scheinfirmen ausgestellt, der Rechnungsbetrag vom Rechnungskäufer überwiesen, in der Folge zur Erschwerung der Nachvollziehbarkeit in Sub(schein-)unternehmen weitergeleitet und am Ende der Kette in bar behoben. Das Bargeld kommt in Folge wieder an den Erstüberweiser zurück und steht diesem für seine Zwecke, als „gewaschenes Geld“, zur Verfügung. Dieses wird nicht nur für die Entlohnung der Mitarbeiter, sondern auch für andere kriminelle Machenschaften wie z.B. Schmiergeldzahlungen, steuer-/beitragsfreie Entnahmen für die Machthaber, Kreditbetrügereien, etc. verwendet.

Frühwarnsystem der Finanzpolizei und ÖGK und Rechtsfolgen für Betrüger
Die Finanzpolizei hat in Zusammenarbeit mit der ÖGK ein Frühwarnsystem etabliert, um Scheinunternehmen rasch aufdecken zu können. Rechtskräftig festgestellte Scheinunternehmen verlieren ihre UID-Nummer, werden aus dem Firmenbuch gelöscht und es werden strafrechtliche Ermittlungen wegen Sozialbetrug eingeleitet. Bei den Kunden der Scheinunternehmen werden abgabenrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Zudem wird das Scheinunternehmen in einer Liste auf der Website des BMF veröffentlicht, um eine weitere Verwendung unmöglich zu machen.
Liste der Scheinunternehmen: https://service.bmf.gv.at/service/allg/lsu/

28.6.2021 / Bundesministerium für Finanzen / bmf.gv.at