Besonders die Bundeshauptstadt hält sich im internationalen Vergleich sehr ordentlich. (Bild: pixabay.com / Montage)

Ein Finanzzentrum (Englisch: financial centre) ist ein Ort oder Staat, der eine hohe Konzentration der Finanzwirtschaft aufweist und an dem die Existenz und Aktivitäten der Marktteilnehmer nicht oder kaum durch Marktregulierung eingeschränkt werden, so dass Transaktionen mit geringeren Transaktionskosten durchgeführt werden können als anderswo.

Zur Finanzwirtschaft gehören die Finanzmärkte (Geld-, Devisen- und Kapitalmarkt einschließlich Börsen) und Marktteilnehmer wie Finanzdienstleister, Investmentfonds, Kreditinstitute, Pensionsfonds, Versicherungen oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Alle tragen sie zu einem hohen Anteil der Finanzwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bei, durch den sich ein Ort oder Staat als Finanzplatz auszeichnet.

Mit Rang 18 nimmt Österreich eine sehr beachtliche Platzierung im globalen Ranking des World Economic Forum (WEF) ein – vor allem, wenn man bedenkt, dass die Ergebnisse der einzelnen Länder vergleichsweise relativ eng zusammenliegen. So hat etwa die Schweiz als Spitzenreiter einen Indexwert von 5,63 Punkten, Österreich liegt bei 5,09. In dieser Studie zählt Österreich zur Gruppe der am besten entwickelten und wettbewerbsfähigsten Ökonomien – innerhalb dieser Gruppe liegt es bei zahlreichen Faktoren sogar über dem Durchschnitt. Zudem rangiert unser Land nach wie vor deutlich vor großen und erfolgreichen aufstrebenden Volkswirtschaften wie etwa Südkorea (22.) oder China (27.). Im Vergleich der EU-27 liegt Österreich übrigens auf Platz 8.

(Auch) Nach Auffassung des WEF ist Österreich also ein Land mit hoher Wettbewerbs- bzw. „Finanz“-Fähigkeit – dennoch sind Verbesserungen natürlich immer möglich. Studien wie jene des WEF beziehen eine Vielzahl der unterschiedlichsten Faktoren mit ein: Ausbildung und Gesundheit, Fragen der Wettbewerbs- und Arbeitsmarktsituation eines Landes bis hin zu Verbrechensstatistiken – all dies spielt hier eine Rolle. „Die meisten dieser Faktoren liegen jedoch im Aufgabenbereich der Politik, welche die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen kann, um die Wettbewerbs­fähigkeit eines Landes zu verbessern“, fordert der ehemalige Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Prof. Ewald Nowotny. Das primäre geldpolitische Ziel der EZB – und daher auch der OeNB – ist die Sicherung von Preisstabilität, die als Inflationsrate von unter, aber nahe bei zwei Prozent definiert wird. Nowotny: „Insbesondere tragen stabile Preise zur Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bei und hier leistet die Geldpolitik auch ihren aktiven Beitrag.“ Des Weiteren spielt gerade auch eine funktionierende Aufsicht des Banken- und Finanzsektors eine bedeutende Rolle für die Attraktivität eines Finanzstandorts und somit ebenfalls für die Wettbewerbsfähigkeit. „Dennoch möchte ich auch zu bedenken geben, dass auch die besten Regulierungsmaßnahmen Instabilitäten und Krisen nicht für alle Zeit verhindern werden können“, bleibt Nowotny realistisch.

Ein weiterer internationaler Vergleich – nämlich der Global Financial Centres Index – beweist, wie angesehen speziell die Bundeshauptstadt (auch) jenseits der Grenzen als Finanzstandort ist. Diese Rangliste ergibt sich aus der Gesamtsumme der fünf Kategorien Menschen (Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, Flexibilität des Arbeitsmarkts, Qualität der Ausbildung), wirtschaftliche Rahmenbedingungen (Gesetzgebung, Steuern, Korruption, Gewerbefreiheit), Marktzugang (Handel mit Wertpapieren, Angebot an unterschiedlichen Finanzdienstleistungen), Infrastruktur (Immobilienpreise, Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel) und generelle Wettbewerbsfähigkeit (Preisniveau, Lebensqualität, Wirtschaftsklima).

Wien gilt dort als „Transnational Diversified“ = „relativ breit aufgestelltes Finanzzentrum“ und rangiert beispielsweise vor Brüssel (!), Rom (!), Madrid (!) Moskau (und St. Petersburg), Stockholm, Oslo, Helsinki, Kopenhagen, Mexiko-Stadt, Sao Paulo, Istanbul und Neu-Delhi. (Die weltweit wichtigsten Finanzstandorte sind übrigens – wenig überraschend – London vor New York City und Hongkong).

Einige Details
1) Die Wiener Börse war mit 3.000 neuen Bonds im Vorjahr der am schnellsten wachsende Börsenplatz für Anleihe-Listings in Europa. Aktienseitig debütierten 2020 immerhin fünf Neuzugänge im Einstiegssegment direct market (plus): Aventa AG (direct market plus), Biogena Group Invest AG (direct market, dm), SunMirror AG (dm), Creactives Group S.p.A. (dm) und CAG International AG (dm). Zwei Unternehmen holten sich am Kapitalmarkt frisches Eigenkapital: Immofinanz AG (171,6 Mio. €) und S Immo AG (148,9 Mio. €).

„Trotz eines herausfordernden Umfelds ist es uns 2020 gelungen, eine Vielzahl an Initiativen umzusetzen“ sagt Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse AG. „Kommendes Jahr feiern wir den 250-jährigen Geburtstag der Wiener Börse. In unserem Jubiläumsjahr werden wir unsere strategischen Initiativen konsequent weiter verfolgen und dafür sorgen, dass der heimische Handelsplatz weiterhin die ihm zustehende internationale Aufmerksamkeit erhält.“

2) Der heimische Bankensektor verzeichnete infolge der durch die Covid-19-Pandemie verursachten Kosten einen markanten Rückgang des konsolidierten Gewinns. Das Betriebsergebnis brach um fast ein Viertel ein, was vor allem auf ein Sinken der betrieblichen Erträge außerhalb des Kerngeschäfts und eine starke Erhöhung der Betriebskosten zurückzuführen war.

Einmal mehr leisteten die österreichischen Tochterbanken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE) einen wesentlichen – wenn auch im Vorjahresvergleich geringeren – Beitrag zur konsolidierten Profitabilität. Der stärkste Gewinnrückgang war bei österreichischen Tochterbanken in Tschechien und der Slowakei zu beobachten, also jenen CESEE-Töchtern, deren Beiträge zur Gesamtprofitabilität der österreichischen Banken zu den höchsten gehören.

Die Kreditvergabe der heimischen Banken zeigt sich seit Beginn der Pandemie gedämpft. Dank gesetzlichen Kreditmoratorien und staatlichen Garantien zog das Wachstum der Unternehmenskredite allerdings an und jenes der Kredite an private Haushalte stabilisierte sich. Die Quote notleidender Kredite (NPL-Quote) verbesserte sich weiter – allerdings ist damit zu rechnen, dass der Konjunktureinbruch sich auch in der NPL-Quote widerspiegeln wird, sobald sich mit dem Auslaufen von Moratorien und staatlichen Garantien die Kreditqualität verschlechtert und in weiterer Folge zusätzlicher Wertberichtigungsbedarf entsteht.

Die harte Kernkapitalquote (CET1-Quote) der österreichischen Banken belief sich Mitte 2020 – unverändert zum Vorjahr – auf 15,5 Prozent. Im Vergleich mit der vor der Finanzkrise von 2008 verzeichneten Kapitalausstattung konnte der Bankensektor seine Eigenkapitalquote im Einklang mit den höheren aufsichtlichen Anforderungen damit mehr als verdoppeln.

3) Last but not least zeigt eine top-aktuelle Umfrage des Instituts Ipsos für die ING-Diba Austria vom Jänner 2021, dass sich – auch das wenig überraschend – Herr und Frau Österreicher derzeit in „getrübter Finanzstimmung“ befinden. Demnach rechnen nur 24 Prozent damit, dass das neue Jahr für sie ein finanziell gutes wird. Vor einem Jahr war dieser Anteil mit 40 Prozent noch um einiges größer. Umgekehrt hat sich der Anteil jener, die mit einem schlechten Jahr rechnen, praktisch verdoppelt, nämlich von 15 auf 29 Prozent.

35 Prozent geben an, dass sie im neuen Jahr „mehr sparen“, also Geld zur Seite legen wollen. „Mehr in Vorsorge investieren“ wollen der Umfrage zufolge acht Prozent. Auch das ist ein geringerer Wert als vor einem Jahr: Damals waren es zwölf Prozent.

28.2.2021 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at