Ungelöste Konflikte, neue Sicherheitsbedrohungen und Forderungen nach höheren Militärausgaben von der anderen Seite des Atlantiks: Europas Verteidigungspolitik steht unter Druck. In diesem politisch turbulenten Umfeld rechnen über 90 Prozent der Rüstungsunternehmen mit steigenden Etats auf dem alten Kontinent. Das ist ein zentrales Ergebnis der neuen Ausgabe des Aerospace and Defense (A&D) Management Issues Radar. Für die Studie befragten die Experten von Roland Berger rund 220 Unternehmensführer und Manager aus der internationalen Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie.

Manfred Hader, Senior Partner Roland Berger GmbH

Mehr als ein Drittel (36%) der Firmen erwartet ein Wachstum der Verteidigungsausgaben zwischen 2 und 5 Prozent innerhalb der kommenden beiden Jahre. Als Ursachen für die höhere Nachfrage sehen sie vielfältige Gründe wie zunehmende Spannungen zwischen Ost- und West (57%) oder aufflammenden Nationalismus (49%). „Es gibt nicht den einen Stein des Anstoßes, der die Branche optimistisch in die Zukunft blicken lässt“, kommentiert Manfred Hader, Partner von Roland Berger: „Es kommen mehrere Faktoren zusammen, die dem Trend Stabilität verleihen.“

Trotz dieser Aussichten sollte sich die Industrie nicht ausruhen. „Die Firmen betrachten externe Unsicherheitsfaktoren wie geopolitische Ereignisse deutlich entspannter als interne – obwohl sie bei letzteren das Heft selbst in der Hand halten“, erläutert Hader. Fast zwei Drittel (63%) der Firmen sehen sich gut gewappnet gegenüber politischen Risiken, die sie aber letztendlich nicht beeinflussen können. Was ihre internen Baustellen angeht, sind die Unternehmen weit weniger optimistisch. Mehr als die Hälfte (56%) gibt sich keine guten Noten in Bereichen, die sie kontrollieren können. Hierzu zählen auch die eigene Innovationskraft und die Fähigkeit neue Technologien in der Produktion zu entwickeln. „Diese Haltung ist überraschend und paradox“, sagt Hader. Aus Sicht des A&D-Experten verweisen die Resultate auf einen Nachholbedarf: „Die Strategie muss wieder oberste Priorität beim Management genießen“, sagt Hader. „Stellen sich Organisationen insgesamt agiler auf und treiben den digitalen Wandel voran, schaffen sie eine stabile Grundlage – und können wiederum auch externe Schocks leichter abfedern.“

Digitale Transformation als wichtigstes Handlungsfeld

Die Unternehmen erkennen immer mehr, dass die Digitalisierung auch vor der A&D-Industrie nicht haltmacht: Fast drei Viertel (70%) der befragten Manager, stimmen der These zu, dass durch die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen entstehen. Vor einem Jahr waren es noch weniger als die Hälfte (49%). Mehr als zwei Drittel (69%) haben in ihren Unternehmen bereits Programme gestartet, um entsprechende Prozesse anzuschieben. Insbesondere in großen Unternehmen gibt es schon eigene Abteilungen, um die digitale Transformation zu planen und voranzutreiben.

Selbst die Sorge vor Cyberattacken kann diese Entwicklung nicht stoppen: 76 Prozent der Befragten halten den Trend zu mehr Digitalisierung trotz bestehender Probleme beim Thema Sicherheit für unumkehrbar. Das sehen auch die Roland Berger-Experten so: „Die Vernetzung nimmt unaufhaltsam zu, sowohl innerhalb von Produktionsprozessen – Stichwort Industrie 4.0 – als auch der Produkte untereinander und mit dem Anwender“, sagt Holger Lipowsky, Principal bei Roland Berger. „Im gleichen Maß wächst auch die Bedeutung von Cybersecurity als Voraussetzung für die Digitalisierung der Wertschöpfungskette. Unternehmen sollten daher proaktiv entsprechende Strategien entwickeln.“

21.9.2017, Autor: Manfred Hader, www.rolandberger.com