Neue Generationen an E-Autos sind in der Produktion, modernste Ladetechnik ist verfügbar, die Systemanbieter stehen bereit.

E-Mobilität war das Top-Thema auf der Vienna Autoshow 2020.

Die Vienna Autoshow im Jänner ließ nicht den geringsten Zweifel zu: Neben SUV Experience war E-Mobility DAS topaktuelle Thema – sowohl an den Ständen mit insgesamt 330 Neuwagenmodellen als auch in gesonderten Bereichen, in denen man sich bei Vorträgen und in Gesprächen mit Experten umfassend über alle Aspekte der Elektromobilität informieren konnte. Dass die umfassende Elektromobilität definitiv „im Heute angekommen ist“, war auch die klare Erkenntnis der „E-Mobilität.jetzt“-Konferenz in der Schönbrunner Orangerie. Allerdings fahren laut den dort präsenten Top-Experten per Ende 2019 von fünf Millionen Fahrzeugen auf Österreichs Straßen derzeit erst rund 30.000 elektrisch aufladbar. Dabei müsste der Einsatz von Elektrofahrzeugen massiv gesteigert werden, wenn Österreich CO2-Strafzahlungen von etwa zwei Mrd. € bis 2030 vermeiden möchte. Rund 160.000 Autos mit alternativem Antrieb müssten dafür pro Jahr auf unsere Straßen – und dafür braucht es eine Mischung aus rein batterieelektrischen, Plug-in-Hybrid-elektrischen oder Brennstoffzellen-elektrischen Fahrzeugen.

Mehr als 70 Modelle an Steckerfahrzeugen stehen in Österreich heute schon zur Auswahl, und dies wird sich bis 2025 mehr als verdoppeln. Mit rund 6.800 öffentlich zugänglichen Ladepunkten und realen elektrischen Reichweiten bis zu 500 km gehört „der Phantomschmerz der Reichweitenangst“ (Zitat: Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber) der Vergangenheit an. Und der jährliche Gesamtenergiebedarf würde lediglich um 1,8 Prozent oder 1,3 Terawattstunden steigen, wenn 500.000 aller Pkw in Österreich elektrisch fahren. „Die Richtung geht ganz klar zu ‚E‘ im Verkehr“, bestätigt Austrian Mobile Power-Geschäftsführer Heimo Aichmaier. „Eine breitflächige Umsetzung ist so greifbar wie nie zuvor: 2020 kommen modernste E-Auto-Modelle auf die Straßen, öffentliche Lademöglichkeiten sind vorhanden. Dass das e-Fahren in der Bevölkerung angekommen ist, hat ein Wochenende mit dem Rekord von 6.300 Testfahrten gezeigt, die wir organisiert und umgesetzt haben.“ Somit ist E-Mobilität mittel-, aber auch bereits kurzfristig die Lösung für eine CO2-Reduktion, und Österreich könnte das Erreichen der gesteckten Ziele ermöglichen – sofern die „richtigen“ politischen Maßnahmen gesetzt werden. Denn jetzt braucht es technologieneutrale Förderungen und Steuervorteile, um die Nachfrage für Stecker-Autos anzukurbeln. Klarerweise sollen diese mit erneuerbaren Energien geladen werden.

Was die Industrie konkret tut
Zudem braucht es den Experten zufolge „einen Rechtsanspruch, um intelligent steuerbare Ladeanlagen in Wohngebäuden errichten zu können“. Dafür müssen Steuervorteile, die dem Flotten-Ziel von einem Ausstoß von maximal 95 g CO2 pro Kilometer entgegenstehen, schrittweise abgeschafft werden. Für die Versorgung mit nachhaltiger Energie und einem flächendeckenden Netz an Schnellladestationen hat der Verbund frühzeitig gesorgt. „Der Verkehrssektor bietet erhebliches Einsparungspotenzial sowohl im Energieverbrauch, als auch im Emissionsausstoß“, bestätigt CEO Wolfgang Anzengruber. „Selbst wenn alle Autos in Österreich ab sofort elektrisch fahren, bräuchten wir dafür nur etwa 13 Prozent mehr Strom und das ist keine große Herausforderung für die Energiewirtschaft.“
„Die Elektromobilität ist ein wesentlicher Baustein für die Mobilität der Zukunft“, bestätigt OMV-Vorstand Thomas Gangl. „Wir betreiben derzeit mehr als 180 E-Ladestationen an 51 OMV-Tankstellen in Deutschland, Österreich, Rumänien, Slowenien und Ungarn. Durch zahlreiche Kooperationen wie zum Beispiel die Beteiligung an Smatrics, die strategische Partnerschaft mit Ionity oder den Vertrag mit EnBW Energie Baden-Württemberg AG unterstützen wir den Ausbau eines europaweiten Netzes von Ladestationen.“

Für smarte Elektrifizierungslösungen sorgt der Energie- und Automatisierungs-Konzern ABB. Die Partnerschaft mit der FIA Formel-E dient dabei als globale Plattform für die Erprobung und Entwicklung von Elektrifizierungs- und Digitalisierungslösungen. „Um diese Vision zu verwirklichen, bieten wir ein umfassendes Portfolio von Ladelösungen für Elektrofahrzeuge, das bis zu den unterstützenden Energieverteilungslösungen reicht“, sagt ABB Österreich-Chef Franz Chalupecky. ABB hat rund um den Globus bereits mehr als 11.000 Schnelllade­stationen in 76 Ländern verkauft, davon rund 500 in Österreich. „Der Ausbau der Schnell- und Hochleistungsladeinfrastruktur sollte gerade in Wien, aber auch in anderen größeren Städten sowie entlang der Hauptverkehrsrouten weiter forciert und gefördert werden, um die notwendige bedarfsorientierte Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, die für die wachsende Anzahl an E-Fahrzeugen notwendig ist“, ­fordert Chalupecky.

Ist E-Mobilität wirklich teuer?
Derzeit ist das E-Auto leider noch mit so manchem Vorurteil behaftet. Die neue Studie der internationalen Unternehmensberatung Kearney (Anm.: seit Jänner 2020 offiziell ohne das „A.T.“) „Integratives Kostenmanagement für E-Fahrzeuge“ zeigt, welche Hürden die Hersteller von Elektromobilen nehmen müssen, um in Sachen Preis/Leistung mit Verbrennern gleichziehen zu können.

Knackpunkt ist unverändert der Akku. Neben dessen Anschaffungskosten bereitet vor allem das Gewicht – es steigt gegenüber vergleichbaren Verbrennern um ca. 300 bis 800kg (ca. 15 bis 50 Prozent) Probleme. Ein höheres Gesamtgewicht des Fahrzeugs bedeutet auch eine steifere Karosserie, größer dimensionierte Bremsen, Achsen und vieles mehr. Das treibt die Kosten nach oben. „Elektroautos kämpfen noch immer mit höheren Materialkosten als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren“, erklärt Kearney-Partner und Mobilitätsexperte Marcus M. Weber. „Die Automobilindustrie wird die Renditeziele von Elektrofahrzeugen erreichen, wenn Zusammenarbeitsmodelle neu definiert und Prozesse bereichs- bzw. unternehmensübergreifend vollständig ausgerichtet werden. Die höheren Materialeinzelkosten, die vor allem durch die Batterie bzw. den Antrieb bedingt sind, müssen an anderen Stellen eingespart werden“, sagt Weber.
Anhand des Mercedes EQC haben die Experten von Kearney nachgerechnet, wo die Knackpunkte liegen. So beträgt das Fahrzeugleergewicht des Mercedes EQC 2.425 kg. 650 kg davon entfallen auf die 80 kWh-Batterie inkl. Batteriegehäuse und Kühlung. Gegenüber dem Verbrenner GLC bedeutet dies ein Mehrgewicht von 690 kg. Dieses Zusatzgewicht führt zu Sekundäreffekten im ganzen Fahrzeug. Die Kosten des Fahrwerks (Achsen, Räder/Reifen, Lenkung, Bremsen und Bremsregelung) steigen aufgrund der stärkeren Auslegung um ca. 5 bis 10 Prozent. Zum Schutz der Batterie bei Front- und Seitencrashs werden in der Karosserie zusätzliche Crashmaßnahmen erforderlich. Hierbei entstehen ebenfalls Mehrkosten in der Höhe von ca. 10 Prozent.

Bisher sind Automobilhersteller von steigenden Volumina und weiter minimierten Kosten in der Zellproduktion ausgegangen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Aufgrund einer angespannten Marktsituation steigen die Preise. Das Angebot der Zellmodule wird von einer kleinen Anzahl von Zulieferern bestimmt. Die asiatischen Hersteller Samsung, Panasonic und CATL produzieren derzeit ca. 90 Prozent der weltweit verfügbaren. Eine Möglichkeit, sich Know-how ohne Aufbau einer eigenen Zellfertigung anzueignen, besteht in der Gründung strategischer Partnerschaften. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation zwischen Tesla und Panasonic: Tesla und der Batteriehersteller investieren gemeinsam in eine „Gigafactory“ und teilen sich damit das Investitionsrisiko.

Laut Studie müssen die Hersteller die Gesamtfahrzeugeigenschaften wie z. B. die Aerodynamik optimieren. „Verbessert sich die Aerodynamik durch die Absenkung der Fahrzeughöhe, kann der Batterieenergieinhalt bei gleichbleibender Reichweite reduziert werden“, erläutert Weber. „Eine Kilowattstunde spart dann bis zu 80 Euro Materialkosten.“ Ganzheitliches Fahrzeug-Kosten- und durchsetzungsstarkes Projektmanagement, das die Komplexität eines integrativen Ansatzes effizient bewerkstelligen kann, ist somit von zentraler Bedeutung. Neben den Materialeinzelkosten müssen auch die Lieferantenbeziehungen bzw. -netzwerke neu durchdacht werden. Vor allem strategische Partnerschaften werden hierbei immer wichtiger, um fehlendes Know-how rasch auszugleichen und mögliche Risiken dauerhaft zu minimieren.

Europa mit dem weltweit stärksten Wachstum von E-Mobilität
Dabei ist Europa auf einem guten Weg – vielleicht ein „Hoffnungsschimmer“ im Wettbewerb mit dem „Reich der Mitte“? (Siehe den TOP LEADER-Artikel zu Christoph Leitls „China am Ziel! Europa am Ende?“ Im Gesamtjahr 2019 stieg die Zahl neuzugelassener reiner „Stromer“ um 13,8 Prozent (knapp 1,4 Millionen Fahrzeuge auf allen analysierten Märkten). Dabei zeigt der langfristige Trend bei den neuzugelassenen E-Fahrzeugen für die Top-5-Länder auf dem europäischen Markt – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien – weiterhin annähernd eine jährliche Verdopplung. Das gilt im Wesentlichen auch für 2019. So legten die batterieelektrischen Autos etwa um 78 Prozent zu. In Deutschland, dem weltweit drittgrößten Markt für E-Fahrzeuge, legten die batterieelektrischen Fahrzeuge im Gesamtjahr um 76 Prozent zu, in Frankreich um 37,7 Prozent. In Großbritannien legten die „Stromer“ im vierten Quartal 2019 mit 203,4 Prozent um über das Doppelte zu (Gesamtjahr: 144,4 Prozent).

Michael Sponring, Leiter des Bereichs Energy, Utility und Resources bei PwC Österreich: „Das Umschwenken vom Diesel auf Elektroautos ist in Großbritannien in vollem Gange. Interessant ist vor allem, dass man dort die E-Autos inzwischen als fahrenden Stromspeicher, also als Teil einer Gesamtstrategie betrachtet, von der Windkraftanlage bis zum Privathaushalt.“ Eine solche durchgehende Strategie fehle den meisten anderen Ländern noch, darunter Italien und Spanien. Die steile Zunahme der batterieelektrischen Fahrzeuge von 113,1 Prozent in Italien bzw. 95 Prozent in Spanien zeige deren spätes Aufwachen in puncto Elektromobilität.

Günther Reiter, Automotive Leader bei PwC Österreich: „Die verschärften Flottenverbrauchsziele der Europäischen Union stellen Hersteller vor die Herausforderung, entscheidend mehr Elektroautos zu verkaufen. Nur mit einem Produktportfolio, in dem verbrauchsarme Fahrzeuge einen erheblichen Anteil haben, lässt sich das ambitionierte 95-Gramm-Ziel erreichen. Damit werden die massiven Investitionen der letzten Jahre jetzt einer ersten Bewährungsprobe unterzogen.“ Herausfordernd ist jedoch, dass die Elektromobilität und Kundenvorlieben in den einzelnen europäischen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. „Während in Norwegen der Anteil der rein batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeuge am Gesamtmarkt bereits bei über 40 Prozent liegt, beträgt er in Italien nur 0,6 Prozent“, ergänzt Reiter. Die Automobilhersteller brauchen daher eine eigene Portfolio-Strategie für jedes einzelne europäische Land, denn auch die Unterschiede zwischen einzelnen Regionen – etwa urbanen Ballungszentren und ländlichen Gebieten – sind sehr groß. Michael Sponring: „Ein durchdachtes Portfolio-Mix aus klassischen und elektrischen Modellen würde die Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten, zumindest bis Elektromobilität eine weitgehende Akzeptanz erreicht hat.“

27.2.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at