Mehr Rechtssicherheit für Familienunternehmen
Mit 1. Juli 2016 trat eine Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Kraft, die eine Gesetzeslücke schließt und das Bestehen von Familienunternehmen zukünftig besser absichert. Die Ergänzung im Gesetzestext soll das Aussteigen aus sogenannten Syndikatsverträgen zukünftig erschweren, um den GesellschafterInnenbestand und das Einkaufen externer InvestorInnen in ein Familienunternehmen besser regulieren zu können. Die Empfehlung zu dieser Ergänzung kam von WU-Professorin Susanne Kalss, die sich seit vielen Jahren den rechtlichen Grundlagen von Familienunternehmen widmet. Sie sieht in der gesetzlichen Änderung einen großen Schritt, um Familienunternehmen mehr Sicherheit gewährleisten zu können.
Rund achtzig Prozent der Unternehmen in Österreich sind Familienbetriebe. Um ihr langfristiges Bestehen sichern zu können, greifen diese neben zahlreichen anderen Instrumenten auf Syndikatsverträge zurück, welche die Interna Anteilsaufteilung, Übergaben oder Gewinnausschüttung regeln. Eine zentrale Problemstellung der vergangenen Jahre war die Tatsache, dass eine gesetzliche Lücke es möglich machte, dass GesellschafterInnen der Familie aus dem Syndikatsvertrag aussteigen und daher einfach ihre Anteile verkaufen konnten. Somit wurde externen InvestorInnen eingeräumt, sich in Familienunternehmen einkaufen und den Bestand des Familienunternehmens gefährden zu können. Eine Empfehlung von WU-Professorin Susanne Kalss schafft ab heute Abhilfe. Sie formulierte in ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung jene Ergänzung („Dies gilt nicht für Innengesellschaften (§ 1176 Abs. 1).“), die mit 1. Juli in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Artikel 11 aufgenommen wurde. „Wir haben versucht durch verschiedenste Auslegungen des Gesetzes die bestehende gesetzliche Lücke zu schließen. Leider mussten wir dem Gesetzgeber mitteilen, dass dies nicht möglich war. Demnach gab es unsererseits die Empfehlung, fünf Worte im Gesetzestext zu ergänzen, um Familienunternehmen mehr Sicherheit zu gewährleisten. Diese fünf Worte treten heute in Kraft. Wir freuen uns sehr, mit unserer Arbeit derartige Verbesserung unterstützen zu können“, so WU-Professorin Susanne Kalss vom Department für Unternehmensrecht.
Sicherheitsfaktor Syndikatsvertrag
Der Syndikatsvertrag ist ein nicht öffentlicher, ergänzender Vertrag zum Gesellschaftsvertrag oder zu einer Aktiensatzung und erleichtert interne Regelungen unter den (meist familiären) GesellschafterInnen wie Anteilsübertragungen, die Verteilung von Funktionen, Abstimmung des Stimmrechts in der Hauptversammlung oder auch die Aufteilung des Gewinns. Er regelt demnach das Verhältnis der Familienmitglieder zum Unternehmen und soll Stabilität schaffen. Ein zentrales Element des Fortbestandes eines Familienunternehmens ist die Absicherung, dass die Anteile der (familiären) GesellschafterInnen nicht einfach an Außenstehende verkauft werden können. Gerade in diesem Punkt deckten wir am Department für Unternehmensrecht an der WU Schlupflöcher auf, die die Kündigung und in Folge das Aussteigen aus dem Syndikatsvertrag und – umgekehrt – das Einsteigen externer InvestorInnen durch den Verkauf der Anteile eines Familienmitglieds vereinfachten und so den Bestand von Familienunternehmen massiv gefährdeten.
Novelle mit Lücken
Vor zwei Jahren trat in Österreich eine Novelle des 200 Jahre alten Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Kraft, die das Recht für Gesellschaften und damit für Syndikatsverträge völlig neu regelte. Mit den Änderungen kamen auch einige rechtliche Unschärfen zu Tage, die gerade für Familienunternehmen enorme Risiken darstellten. Diesen rechtlichen Gefahren widmet sich seither Susanne Kalss in ihrer wissenschaftlichen Arbeit am Department für Unternehmensrecht. „Die Novelle machte es möglich, dass die einzelnen familiären GesellschafterInnen ohne interne Absprache ihre Anteile an Externe, wie beispielsweise MitbewerberInnen, verkaufen könnten. Der Weiterbestand zahlreicher Familienunternehmen würde dadurch massiv gefährdet. Der Gesetzgeber berücksichtigt jetzt allerdings das vertraglich festgelegte Ziel von Familienunternehmen, die Anteile in der Hand der Familie zu halten und stellt dies mit der Ergänzung in § 1209 ABGB nun sicher“, erklärt Susanne Kalss.
Autorin: Univ.Prof. Dr. Susanne Kalss
https://www.wu.ac.at
Susanne Kalss ist seit Oktober 2003 Professorin für Zivil- und Unternehmensrecht an der WU. Von 2008 bis 2013 übernahm sie die Leitung des Departments für Unternehmens-, Arbeits- und Sozialrecht. Nach vielen Jahren Grundlagenforschung im Gesellschafts- und Unternehmensrecht beschäftigt sich Susanne Kalss derzeit vorwiegend mit den Bereichen Kapitalmarktrecht, Recht der Familienunternehmen einschließlich der Familienstiftungen, Recht des Aufsichtsrats und Unternehmensnachfolge. Im Herbst 2015 wurde Susanne Kalss als erster Wirtschaftsrecht-Professorin der WU und als erster Frau in Österreich das Ehrenzeichen für wissenschaftliche Verdienste um das österreichische Notariat von der österreichischen Notariatskammer verliehen.