Ein internationales Forscher*innenteam untersucht im EU-Projekt „Imptox“, welche Rolle Mikro- und Nanoplastik für die menschliche Gesundheit spielen – der Schwerpunkt liegt dabei auf den Atemwegen. Mit an Bord ist Lea Ann Dailey vom Department für Pharmazeutische Technologie & Biopharmazie der Universität Wien.

Mikroplastik – viel wird derzeit darüber gesprochen und berichtet. Wir wissen, dass es in den Meeren, in der Luft, selbst in Lebensmitteln oder Kosmetika vorkommt. Doch in welcher Menge es tatsächlich im Umlauf ist, und wieviel davon wiederum in den menschlichen Körper gelangt, sei es durch Einatmen oder Nahrungsaufnahme, darüber gibt es bis dato wenig fundiertes Wissen. Und sogar noch weniger bekannt ist, ob – und wenn ja, welche – Auswirkungen dieses Mikroplastik in unserem Körper auf unsere Gesundheit hat.

Wie schädlich Mikro- und Nanoplastik für die menschliche Gesundheit ist, untersucht nun erstmals ein aktuelles EU-Projekt. (Bild: pexels.com)

„Uns fehlen derzeit noch die Werkzeuge zur Messung und Charakterisierung von Mikro- und Nanoplastik, sowohl in der Umgebung, als auch im Menschen selbst“, sagt Lea Ann Dailey vom Department für Pharmazeutische Wissenschaften der Uni Wien, Forscherin im „Imptox-Team“: „Ein großes Projektziel ist daher, diese Mess-Methoden zu entwickeln. Dafür werden wir Methoden weiter verfeinern, die eigentlich aus der pharmazeutischen Entwicklung kommen, aber das Potenzial haben, auch in der Umweltforschung zu guten Ergebnissen zu führen.“

Die Luft am Strand analysieren
Die Expertise von Lea Ann Dailey liegt eigentlich in der Untersuchung von Arzneimitteln, die für Lungenerkrankungen entwickelt werden. „Dadurch habe ich eine Vielfalt an Methoden parat, um Aerosole zu verabreichen und deren Abscheidung in der Lunge und im Nasenbereich zu untersuchen. Im EU-Projekt kann ich so meine Kenntnisse auf Mikroplastik übertragen.“

Lea Ann Dailey hat seit November 2019 die Professur für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie am Department für Pharmazeutische Technologie & Biopharmazie der Universität Wien inne. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Nanomedizin,Nanodiagnostika und Nanoplastik, innovative Darreichungsformen und Erkennung und Therapie von Infektionserkrankungen. (© Barbara Mair)

Dazu fährt die Forscherin mit ihrem Team an den Strand in Kroatien und an den Neusiedlersee – nicht um Urlaub zu machen, sondern um Luftproben zu nehmen und diese mit ihrem Aerosoluntersuchungsgerät, dem „Glaspimpinger“, in verschiedenen Größenklassen aufzutrennen. „Damit können wir, im Vergleich zu den Versuchen, die bisher weltweit gelaufen sind, tatsächlich die abgeschiedene Menge an Mikroplastik in den verschiedenen Bereichen der Atemwege sehen.“

Simulation der Atemwege
Dieses Gerät, das normalerweise dazu verwendet wird, Arzneimittel für die Lunge zu charakterisieren, ist in der Lage, Aerosole aufzutrennen, so dass die Forscherin erkennt, wie viel davon im Nasen- und Mundbereich, in den oberen Atemwegen oder in die tiefe Lunge kommt. „Der Glaspimpinger simuliert dabei die gesamten Atemwege, ist portabel und kann daher überall hin mitgenommen werden“, freut sich Dailey: „Wir sind schon auf die Luftqualität in Kroatien im Vergleich zum Neusiedlersee gespannt – unsere These ist aber, dass die Meeresluft mehr Mikro- und Nanoplastik enthält, da gerade die Weltmeere besonders von der Plastikflut betroffen sind.“

Neuartige Messungen geben Aufschluss über Plastikmenge
Um den Plastikanteil im menschlichen Körper dann wirklich exakt zu messen, bedient sich Dailey einer relativ neuen Methode aus dem Bereich der Materialforschung: „Wir werden ein sogenanntes Rasterkraftmikroskop, das mit einem Infrarotspektrometer gekoppelt ist, einsetzen. Das erkennt die Topologie der Probe, und in Verbindung mit einer chemischen Analyse kann die chemische Zusammensetzung identifiziert werden“, so Dailey: „Zusammen mit unseren Kooperationspartnern sind wir weltweit die ersten, die diese Methode bei der Bestimmung von den kleinsten Mikro- und Nanoplastikteilchen in Proben aus der Umwelt, untersuchen. Damit sind wir wirklich am ‚Cutting Edge‘ der Technologie.“

Die menschliche Lunge ist an sich sehr gut dafür gerüstet, kleine Teilchen, wie Staubpartikel, die in die oberen Atemwege gelangen, wieder auszustoßen, z.B. durch Husten; nur wenn sie ganz tief in der Lunge landen und dort auch länger bleiben, können sie Irritationen auslösen. „Wir wissen, dass Plastik zwar sehr beständig ist, aber auch, dass Plastikteilchen nicht ganz so irritierend wie z.B. Mineralstäube sind, weil sie generell relativ inert, d.h. nicht besonders reaktiv sind. Gleichzeitig zieht Plastik andere Moleküle an ihre Oberfläche und das könnte – so unsere Annahme – Allergien verstärken“, sagt Lea Ann Dailey.

Wie viel Plastik verträgt der Körper?
Prinzipiell wollen die Forscher*innen des Imptox-Projekts daher erstmals herausfinden, ob Mikro- und Nanoplastik Allergene, vor allem Proteinbestandteile, anzieht. Und wenn ja, ob sich dadurch das allergene Potenzial sogar steigert. Lea Ann Dailey wird sich außerdem speziell mit der Frage auseinandersetzen, ob Mikroplastik, wenn es in die Atemwege gelangt, das allergene Potenzial bestimmter Pollenbestandteile beeinflusst.

Noch kann die Forscherin keine Einschätzung geben, welche Auswirkungen das in der Umwelt vorhandene Mikro- und Nanoplastik tatsächlich auf die menschliche Gesundheit hat: „Als Gesellschaft können wir erst eine Risikoabwägung in Bezug auf Mikroplastik anstellen, wenn wir genau wissen, welcher Menge an Plastik der Körper ausgesetzt ist und wo dieses Plastik sich ablagert. Und damit ist ebendie wichtige Fragestellung verbunden, die mein Team und mich in unserem Teilprojekt beschäftigt: Was ‚hängt‘ an dem eingeatmeten Plastik noch mit dran?“

Das EU-Horizont 2020-Projekt Imptox ist eine Forschungsplattform zur Untersuchung der Wirkung und Toxizität von Mikro- und Nanoplastikteilchen (MNPs). Das Projekt startete am 1. April 2021 und besteht aus einem Konsortium von zwölf Partnern aus acht europäischen Ländern. Lea Ann Dailey vom Department für Pharmazeutische Wissenschaften ist von Seiten der Universität Wien Projektpartnerin.

9.6.2021 / Autor: Universität Wien