Bis 2030 soll in Österreich mit der Verringerung der Treibhausgasemissionen ein weiterer wichtiger Schritt zur weitgehenden Dekarbonisierung des Energiesystems bis zum Jahr 2050 erreicht werden. Neben dem Umstand, dass der Schutz des Klimas bereits genügend Motivation dafür sein müsste, die Energiewende voranzutreiben, braucht es dennoch dafür auf einer vorgelagerten Ebene die dazu notwendigen gesetzlichen Grundlagen. (Symbolbild: pixabay.com)

Mit dem Entwurf des neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes („ElWG“) – dessen Begutachtungsfrist am 23. Februar abläuft – soll dieser angesprochene gesetzliche und regulatorische Rahmen für Österreich geschaffen werden.

Zielsetzung des ElWG
Durch das ElWG sollen europäische Vorgaben, wie beispielsweise die „Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie“, in nationales Recht umgesetzt und das etwas in die Jahre gekommene Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 abgelöst werden. Darüber hinaus wird durch den ElWG Entwurf die derzeitige doppelstöckige Umsetzung über Grundsatz- und Ausführungsgesetze vermieden und dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der Elektrizitätsmarkt – zum einen durch die fortschreitende Dekarbonisierung des Energiesystems und zum anderen aufgrund der zunehmenden Dezentralisierung der Energieerzeugung – in den letzten Jahren stark verändert hat. Angesichts des dynamischen Rechtsbereichs des Elektrizitätsrechts ist eine Modernisierung, insbesondere im Hinblick auf ein überarbeitetes Marktdesign und einen modernen und wirksamen Rechtsrahmen für die Elektrifizierung aller Sektoren – auch unabhängig von der Notwendigkeit im Zusammenhang mit der Energiewende – dringend erforderlich.

Die wichtigsten Neuerungen des ElWG im Über­blick
Die wichtigsten Eckpunkte und Neuerungen des ElWG werden bereits durch einen systematischen Blick auf den Aufbau des Gesetzes ersichtlich. Nach denen für ein Gesetz zu Beginn üblichen allgemeinen Bestimmungen finden sich – um nur einige zu nennen – Bestimmungen über Kundenrechte, die dezentrale Versorgung und Bürgerenergie sowie über die Versorgung mit elektrischer Energie.

Stärkung der Kund:innenrechte
Im Zusammenhang mit der Verbesserung und Stärkung der Rechte und des Schutzes von Endkund:innen ist geplant, dass Vertragsaspekte – insbesondere betreffend Änderungen der Allgemeinen Lieferbedingungen sowie Möglichkeiten hinsichtlich eines Wechsels des Lieferantens – in einer transparenten und „knappen und leicht verständlichen“ Form auf Basis von Musterformulierungen der Regulierungsbehörde zur Verfügung gestellt werden müssen.

Kund:innen soll es ermöglicht werden – sofern diese über einen digitalen Stromzähler verfügen – sogenannte Aggregierungsverträge abschließen zu können, um den Strombedarf mit anderen Kund:innen zu bündeln. Mit der freien Lieferantenwahl können künftig auch mehrere Stromlieferverträge mit unterschiedlichen Lieferanten abgeschlossen werden. Ebenso geplant sind dynamische Energiepreise, bei denen Lieferanten – die mehr als 50.000 Zählpunkte beliefern – verpflichtet werden, den Strom zu dynamischen Energiepreisen anzubieten. Das bedeutet, dass bei der Verrechnung nicht wie üblich ein statischer Preis pro kWh, sondern vielmehr auch Preisschwankungen auf Spotmärkten herangezogen werden.

Dezentrale Versorgung durch aktive Teilnahme am Energiemarkt
Ganz nach dem Motto „Altbewährtes währt am längsten“ sieht das ElWG als Fortsetzung der bereits bekannten Energiegemeinschaften die Förderung der aktiven Teilnahme des Verbrauches am Energiemarkt vor. Der Wille innerhalb der Bevölkerung sich selbst an der Energiewende zu beteiligen, soll im Rahmen des sogenannten Peer-to-Peer-Handels gesteigert werden. Von nun an soll es möglich sein – sofern es sich hierbei nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt – als Eigenversorger nicht selbst verbrauchte (überschüssige) Elektrizität an Dritte gewinnbringend zu verkaufen, ohne dabei in die Kategorie eines Stromlieferanten zu fallen. Im Unterschied zu Energiegemeinschaften können Peer-to-Peer Verträge mit Personen im gesamten Bundesgebiet abgeschlossen werden, wodurch es auch zu keinen Begrenzungen hinsichtlich Konzessionsgebieten oder Netzebenen kommt.

Im Zusammenhang mit Direktleitungen gibt es im ElWG Entwurf ebenfalls Neuerungen. Der bisher durch die Rechtsprechung sehr eingeschränkte Anwendungsbereich wird dahingehend erweitert, dass von nun an für den Eigenbedarf der Stromerzeugungsanlage Strom aus dem Verteilernetz bezogen werden darf und der nicht verbrauchte (überschüssige) Strom wieder in das öffentliche Netz eingespeist werden kann.

Netzanschluss und Netzzugang
Durch die Vereinbarung eines flexiblen Netzzugangs soll es künftig möglich sein, dass erneuerbare Energien schneller ans Netz gebracht werden. Geplant ist, dass der Netzbetreiber für einen gewissen Zeitraum die maximale netzwirksame Leistung vorgeben kann. Vereinfacht dargestellt folgt daraus, dass beispielsweise die Betreiberin einer Photovoltaikanlage den Strom ins Netz einspeisen darf, auch wenn nicht zu jedem Zeitpunkt sichergestellt ist, dass eine 100-prozentige Einspeisung erfolgt. Eine verschärfte Netzausbauverpflichtung von Verteilernetzbetreibern ist ebenso wie eine allgemeine Anschlusspflicht für Energiespeicheranlagen im Entwurf vorgesehen. Geplant sind nunmehr auch geschlossene Verteilernetze, bei denen – anders als bei regulären Verteilernetzen – das Verteilernetz einer geschlossenen Benutzergruppe (beispielsweise Industrie- und Gewerbeparks) dient.

Fazit und Ausblick
Auch wenn es nicht „die eine“ richtige Maßnahme gibt, mit der eine Energiewende erreicht werden kann, geht der österreichische Gesetzgeber mit dem geplanten ElWG den längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung, wobei an der ein oder anderen Stelle noch ein „legistischer Feinschliff“ notwendig sein wird.

Eine umfassende Informationspflicht birgt beispielsweise die Gefahr, dass es zum einen zu einer überschießenden Auskunftspflicht der Netzanbieter kommt und zum anderen den Endkund:innen dicht bedruckte Informationsblätter drohen, die am initiierten Ziel der Transparenz wohl vorbeigehen. Im derzeitigen ElWG Entwurf bleiben auch die in letzter Zeit besonders im Rampenlicht stehenden Bestimmungen zur Grundversorgung für Haushaltskund:innen und Preisanpassung aus inhaltlicher Sicht im Wesentlichen unberührt.

Ein spannendes Instrument bietet der Peer-to-Peer-Handel, welcher eine Konkurrenz – insbesondere deshalb, weil es hierfür keiner Mitgliedschaft bei einem Rechtsträger bedarf – zu den Energiegemeinschaften darstellt, die maßgeblich auf Überschusseinspeiser setzen. Die für den Peer-to-Peer Verkäufer geltenden Pflichten (Informationspflichten an die Verteilernetzbetreiber über den Vertragsabschluss sowie über bestimmte Inhalte des Vertrages) werden aber rechtliches Know-how erfordern, um die Attraktivität und vor allem die Rechtssicherheit des Peer-to-Peer-Handels nicht zu schmälern.

Ebenso muss berücksichtigt werden, dass im Zusammenhang mit dem notwendigen Netzausbau und den damit in Verbindung stehenden rechtlichen Anforderungen – wie beispielsweise Umweltverträglichkeitsprüfungen, Planungsverfahren oder Bürgerbeteiligungen – die Gefahr besteht, dass die geplanten legistischen Änderungen nicht der Realität des bereits jetzt vorhandenen Netzes sowie dessen Ausbaugeschwindigkeit entsprechen.

23.2.2024, Autoren: Josef Peer und Lukas Reichmann, Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, www.fwp.at