Nachhaltig bleibt nachhaltig erfolgreich
Nachhaltige Geldanlage knackt die 30 Milliarde Euro-Marke
Die Privatanleger in Österreich haben ihre Investments in Nachhaltige Geldanlagen 2019 von 3,8 auf rund 6,8 Milliarden Euro gesteigert und tragen damit zu knapp 36 Prozent zum Gesamtwachstum Nachhaltiger Geldanlagen bei. Insgesamt wurden per Ende des Vorjahres 30,1 Milliarden Euro in Anlageprodukte investiert, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien explizit in den Anlagebedingungen festschreiben. Das sind rund 38 Prozent mehr als im Vorjahr. Berücksichtigt man außerdem die Kapitalanlagen, für die Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmensebene verankert sind, ergibt sich per Ende 2019 eine Gesamtsumme von rund 107 Milliarden Euro für die verantwortlichen Investments in Österreich. Dies sind die Kernergebnisse des Marktberichts 2020 des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG).
Die Ursache für das deutlich gestiegene Interesse privater Anleger liegt nach Einschätzung des FNG insbesondere in der deutlich intensivierten Berichterstattung über Nachhaltige Geldanlagen im Zuge der verschiedenen europäischen Maßnahmen zur Förderung dieser Anlageform und der damit gestiegen Bekanntheit entsprechender Anlagen. Zudem tragen Fridays for Future, die Diskussionen zum Kohleausstieg, zur CO2-Steuer und weiteren Initiativen zu einem gesteigerten gesellschaftlichen Klima- und Umweltbewusstsein bei. „Mit einem Anteil von 15,9 Prozent sind nachhaltige Fonds und Mandate ein fester Bestandteil des österreichischen Finanzmarktes – Tendenz wachsend“, stellt Wolfgang Pinner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des FNG und Leiter für Österreich fest. „Denn mit der verpflichtenden Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz in der Anlageberatung werden sich auch immer mehr Privatanleger dem Thema Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage zuwenden.“
Neue Rekorde
Die 30,1 Milliarden Euro markieren einen neuen Rekordwert für die Nachhaltige Geldanlagen in Österreich. Gegenüber dem Vorjahr ist ihr Volumen um 38 Prozent gestiegen. 14,6 Milliarden Euro (+31 Prozent) entfielen dabei auf nachhaltige Mandate, 14,7 Milliarden (+49 Prozent) auf nachhaltige Investmentfonds. Bei den Fonds und Mandaten erreichten die nachhaltigen Produkte nach Berechnungen des FNG einen Marktanteil von knapp 16 Prozent.
Die Nutzung von Ausschlusskriterien ist bei der Gestaltung nachhaltiger Fonds und Mandate nach wie vor von besonderer Bedeutung. 98 Prozent dieser im Marktbericht erfassten Anlageprodukte nutzen sie, um kontroverse Emittenten vom Investment auszuschließen. Bei den Unternehmen werden dabei besonders häufig die Ausschlusskriterien Waffen und Rüstung, Kohle, Kernenergie, Menschen- sowie Arbeitsrechtsverletzungen aktiviert. Besonders stark gestiegen ist im Berichtsjahr auch die Nutzung des normenbasierten Screenings, bei dem die Konformität der Anlagen mit internationalen Normen und Standards, z.B. mit dem UN Global Compact, überprüft wird. Das unter Nutzung dieser nachhaltigen Anlagestrategie verwaltete Vermögen legte um 81 Prozent zu und erreichte per Ende 2019 ein Volumen von rund 27 Milliarden Euro. Vergleichsweise hohe Wachstumsraten verzeichneten auch die Stimmrechtsausübung (+47 Prozent auf 12 Milliarden Euro) sowie die nachhaltigen Themenfonds, die um 50 Prozent auf 1 Milliarde Euro zulegte.
Auch die Verantwortlichen Investments erreichten Ende 2019 in Österreich mit knapp 107 Milliarden Euro einen neuen Höchststand und lagen damit um beachtliche 64 Prozent über dem Vorjahreswert. In die Berechnung der Verantwortlichen Investments fließen neben den Nachhaltigen Geldanlagen auch solche Geldanlagen ein, bei denen Nachhaltigkeitskriterien nicht auf Produktebene für einzelne Fonds oder Mandate definiert, sondern auf übergeordneter Unternehmensebene für alle Kapitalanlagen berücksichtigt werden.
Weiteres Wachstum erwartet
Auch für das laufende Jahr erwartet die überwiegende Mehrheit ein weiteres Wachstum der unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien verwalteten Geldanlagen. Rund jeder vierte (23,8 Prozent) im Rahmen des Marktberichts befragte Experte prognostiziert ein Wachstum von bis zu 15 Prozent, 42,9 Prozent der Befragten ein Wachstum von 15 Prozent bis 30 Prozent. Jeder dritte (33,3 Prozent) Befragte erwartet sogar einen Anstieg um über 30 Prozent.
Weiteren Rückenwind dürfte die Nachhaltige Geldanlage erhalten, wenn sich die ersten Studien bestätigen, die nachhaltigen Fonds eine höhere Krisenfestigkeit attestieren als ihren konventionellen Pendants. So zeigt beispielsweise eine Analyse der Wertentwicklung von mehr als 2.000 Aktienfonds durch Scope Analysis, dass nachhaltige Aktienfonds im ersten Quartal 2020 in allen betrachteten Regionen – Global, Europa, Nordamerika und Schwellenländer – weniger an Wert verloren als ihre konventionellen Wettbewerber.
Rendite-Argument würde noch mehr Zuwachs bringen
Obwohl das Thema Nachhaltigkeit in den Medien viel Aufmerksamkeit erhält und die Anleger die Wichtigkeit von ökologischen, sozialen und ethischen Aspekten bei der Auswahl von Anlagen betonen, könnten nachhaltige Anlagen noch mehr genutzt werden, steht in einer von der LGT Bank Österreich beauftragten, aktuellen Studie über das Anlegerverhalten im deutschsprachigen Raum.
Die Hälfte der Befragten ist demnach der Meinung, dass nachhaltige Vermögensanlagen helfen würden, ethische Standards in der Wirtschaft durchzusetzen, soziale Bedingungen zu verbessern und die Umwelt und das Klima zu schützen. Ein Großteil zeigt sich „besorgt“ über den Klimawandel (83) und die sich zunehmend öffnende Schere zwischen Armen und Reichen (75 Prozent). Ebenfalls signalisieren 43 Prozent großes Interesse an der Integration von ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) in Anlagen, nachhaltigen Fonds (48), Impact Investing und Microfinance (55 Prozent).
Zwischen diesen Aussagen und dem tatsächlichen Verhalten klafft allerdings eine große Lücke: Immer noch sind erst fünf Prozent des Vermögens von österreichischen Anlegern auch wirklich nach nachhaltigen Kriterien investiert, so die Studie. Die Anleger gewichten in ihrer Wahrnehmung reine Renditeüberlegungen klar höher als Umwelt- oder soziale Aspekte, heißt es. Ein Viertel der österreichischen Private-Banking-Kunden sind nämlich der Meinung, dass die Rendite von nachhaltigen Anlagen im Gegensatz zu traditionellen Anlagen generell niedriger sei.
„Es ist den Instituten nicht wirklich gelungen, den Anlegern eine fundierte Informationsbasis zu Nachhaltigkeit zu vermitteln“, erklärt der Studienleiter Univ.-Prof. Teodoro D. Cocca von der Universität Linz. „Es scheint, als ob sie das Thema gegenüber außen stärker forcieren als in der Kundenberatung. Dadurch könnten auch hartnäckige Vorurteile gegenüber nachhaltigen Anlagen, wie der vermeintliche Renditenachteil, abgebaut werden.“
3.7.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at