Aufgrund der Suspendierung des DBA mit Russland und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit der Verteilungsnormen kann es im Verhältnis zu Russland vermehrt zur Doppelbesteuerung kommen. Nach dem nun veröffentlichten BMF-Erlass soll die Doppelbesteuerung für Einkünfte, die nach dem 6. Dezember 2023 bezogen werden, auf Antrag des Steuerpflichtigen einseitig durch Österreich vermieden werden können, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Aufgrund der Suspendierung des DBA mit Russland und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit der Verteilungsnormen kann es im Verhältnis zu Russland vermehrt zur Doppelbesteuerung kommen. Nach dem nun veröffentlichten BMF-Erlass soll die Doppelbesteuerung für Einkünfte, die nach dem 6. Dezember 2023 bezogen werden, auf Antrag des Steuerpflichtigen einseitig durch Österreich vermieden werden können, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. (Symbolbild: pixabay.com)

Durch Verbalnote vom 8.8.2023 hat die russische Regierung die teilweise Suspendierung des DBA mit Österreich samt Protokoll ausgesprochen. Als Reaktion darauf erfolgte seitens Österreichs mit Kundmachung vom 6.12.2023 (BGBl III Nr. 2000/2023) gleichermaßen die (teilweise) Suspendierung des DBA mit Russland. Da das DBA Österreich-Russland das Rechtsinstitut der „Suspendierung“ nicht kennt, war unter anderem fraglich, welche Wirkungen die zunächst einseitige Suspendierung durch Russland auf die Anwendung des DBA durch Österreich hat und, ob eine allfällige sich durch die Nicht-Anwendbarkeit des DBA ergebende Doppelbesteuerung in Österreich durch einseitige Maßnahme vermieden werden kann. In einem kürzlich veröffentlichten Erlass hat das BMF nun zur Wirkung der Suspendierung für Österreich und zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer unilateralen Beseitigung der Doppelbesteuerung Stellung genommen.

Doppelbesteuerung als mögliche Folge der Suspendierung
Seit Wirksamwerden der Suspendierung durch Österreich mit 7.12.2023 erfolgt keine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Österreich und Russland mehr. Die Verteilungsnormen (Artikel 6 bis Artikel 22) des DBA kommen nicht mehr zur Anwendung. Demnach dürfen beide Staaten uneingeschränkt nach den Regelungen des innerstaatlichen Rechts besteuern. Zwar wurde der Methodenartikel, also jener DBA-Artikel, der die Vermeidung der Doppelbesteuerung regelt, von beiden Seiten nicht suspendiert. Allerdings geht dieser (und damit auch die Vermeidung der Doppelbesteuerung) nunmehr ins Leere. Da die Verteilungsnormen aufgrund der Suspendierung nicht mehr angewandt werden, dürfen die Einkünfte nicht – wie vom Methodenartikel gefordert – „nach diesem Abkommen“, sondern Kraft des innerstaatlichen Rechts im Quellenstaat besteuert werden. Den Ansässigkeitsstaat trifft damit keine Verpflichtung mehr, die Doppelbesteuerung durch Befreiung oder Anrechnung zu vermeiden. Dies kann in vielen Fällen eine Doppelbesteuerung zur Folge haben.

Unilaterale Beseitigung der Doppelbesteuerung
Wie das BMF im Erlass ausführt, ist die für Zwecke der unilateralen Vermeidung von Doppelbesteuerung einschlägige Verordnung (BGBl II 474/2002) nicht anwendbar, weil diese das Nicht-Bestehen eines DBA voraussetzt. Da das DBA mit Russland – trotz Suspendierung – aber dem Grunde nach noch anwendbar ist, kann diese Verordnung keine Abhilfe bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung schaffen.

Steuerpflichtige, die demnach sowohl in Österreichs als auch in Russland der Besteuerung unterliegen, können aber einen Antrag auf unilaterale Entlastung im Wege der Anrechnung der in Russland erhobenen Steuern unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags in Österreich stellen, wenn die hierfür notwendigen Voraussetzungen (nach § 48 Abs 5 BAO) erfüllt sind. Zentrale Voraussetzung ist dabei das Vorliegen einer bereits eingetretenen sogenannten „echten internationalen Doppelbesteuerung“. Eine echte (internationale) Doppelbesteuerung tritt grundsätzlich dann ein, wenn vergleichbare Steuern in mindestens zwei Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Zeitraum für denselben Besteuerungsgegenstand erhoben werden.

Selbst bei Vorliegen einer echten internationalen Doppelbesteuerung ist – wie das BMF im Erlass festhält – die Gewährung der Entlastung eine Ermessensentscheidung der zuständigen Finanzbehörde, die nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Zu berücksichtigende Billigkeitsaspekte umfassen unter anderem die Art und Schwere der Steuerbelastung des Abgabepflichtigen mit in- und ausländischen Steuern. Eine maßgebliche Unbilligkeit wird – so der Erlass – etwa dann nicht vorliegen, wenn die in Russland erhobene Steuer im Verhältnis zur Gesamtsteuerlast des Steuerpflichtigen lediglich gering ausfällt. Zudem sei im Rahmen der Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgabe zu prüfen. So soll etwa im Fall von Personen oder Unternehmen, die den EU-Sanktionen unterliegen oder die nicht in Österreich ansässig sind, ein solches öffentliches Interesse vorliegen, das gegen die Gewährung einer einseitigen Entlastungsmaßnahme spricht.

Um das Erfüllen der Voraussetzungen für die Entlastungsmaßnahme zügig prüfen zu können, nennt der Erlass die Bestandteile, die der Antrag zumindest zu enthalten hat. So ist beispielsweise eine Sachverhaltsdarstellung inklusive eigener rechtlicher Würdigung, der Nachweis über die bereits eingetretene echte internationale Doppelbesteuerung (zB übersetzte Steuerbescheide, Nachweis der Steuerzahlung), eine Darlegung der Erforderlichkeit einer unilateralen Entlastungsmaßnahme, eine Erklärung des Abgabepflichtigen, dass er nicht von EU-Sanktionen betroffen ist sowie ein ordnungsgemäß geführtes Verzeichnis betreffend die russischen Einkunftsquellen dem Antrag beizulegen.

Fazit
Aufgrund der Suspendierung des DBA mit Russland und der daraus folgenden Nichtanwendbarkeit der Verteilungsnormen kann es im Verhältnis zu Russland vermehrt zur Doppelbesteuerung kommen. Nach dem nun veröffentlichten BMF-Erlass soll die Doppelbesteuerung für Einkünfte, die nach dem 6. Dezember 2023 bezogen werden, auf Antrag des Steuerpflichtigen einseitig durch Österreich vermieden werden können, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Hierbei handelt um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts und es bleibt abzuwarten, wie die die im Erlass genannten Kriterien in der Praxis durch die Finanzämter ausgelegt werden.

8.7.2024, Autorenteam: Dr. Mario Riedl, MSc (WU) BSc LL.B. (WU) und Dr. Daniel Blum, LLM. (NYU), BSc, Deloitte Österreich, www.deloitte.at