Notre-Dame und wie sie ein Österreicher schnell, effizient und preiswert wieder aufbauen will
Zwei Monate nach dem verheerenden Großbrand hat am 15. Juni in der weltberühmten Kirche Notre-Dame erstmals wieder eine Messe in der Pariser Kathedrale stattgefunden. Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit zelebrierte den Gottesdienst gemeinsam mit anderen Priestern, Gläubigen und Bauarbeitern. Sie mussten wegen der Einsturzgefahr des Gewölbes Bauhelme tragen. Aus Sicherheitsgründen wurden nur rund 30 Menschen in die Kirche gelassen.
Die Messe fand in einer Kapelle am östlichen Ende der weltberühmten Pariser Kathedrale statt. Der Gottesdienst wurde live auf dem katholischen Fernsehsender KTO übertragen, damit auch andere „Christen teilnehmen und die Kommunion feiern können“, wie die Diözese erklärte.
Keine Garantie, dass Notre-Dame stehen bleibt
Nach Expertenansicht ist die schwer beschädigte Kathedrale Notre-Dame übrigens noch nicht völlig gerettet. „Heute kann man nicht absolut garantieren, dass das Baudenkmal stehen bleibt“, sagt der Chefarchitekt für historische Bauwerke in Frankreich, Philippe Villeneuve. Bisher habe man Glück gehabt, weil das Gebäude stabil sei. „Aber das Gewölbe könnte nächste Woche genauso gut einstürzen.“ Derzeit arbeiten rund 150 Menschen an der Restauration des weltberühmten Pariser Wahrzeichens. „Es hätte viel schlimmer kommen können, und in gewisser Weise sind die Schäden begrenzt worden“, sagt Villeneuve.
Notre-Dame war bei dem Großfeuer am 15. April schwer beschädigt worden – das Dach wurde fast vollständig zerstört, der Vierungsturm stürzte ein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Wiederaufbau innerhalb von fünf Jahren versprochen. Ein ehrgeiziger Plan, der viel Widerstand hervorrief. Kritiker werfen Macron vor, sich selbst ein Denkmal setzen zu wollen. 72 Prozent der Bevölkerung wollen, dass die Kathedrale originalgetreu rekonstruiert wird. Andere kämpfen für eine moderne Interpretation, so auch Macron. Spekuliert wird bereits über einen Glasturm. Villeneuve hält die fünf Jahre durchaus für möglich. Allerdings habe man bereits vor dem Brand an der Restaurierung der Kathedrale gearbeitet, denn an vielen Stellen bröckelte die Bausubstanz. Eine komplette Restaurierung des Touristenmagnets werde daher viel länger dauern.
In Fragen des Wiederaufbaus befürwortet Villeneuve eine Rekonstruktion des Spitzturm nach dem Original. Zudem meinte er in der Zeitung „Le Figaro“, die Arbeiten würden insgesamt deutlich mehr Zeit brauchen als die angestrebten fünf Jahre. Schließlich müssten neben der Sakristei auch die Apsis, die Querschiffe und die berühmten Rosettenfenster restauriert werden. Kulturminister Franck Riester beschwichtigte daraufhin: „Wir rechnen nicht auf einen Tag genau.“
Umstritten ist auch Macrons Wiederaufbau-Gesetz, das die Regierung bis Juli durchs Parlament bringen wollte. Es sieht Ausnahmen unter anderem beim Denkmalschutz vor, um die Bauarbeiten zu beschleunigen. Der Senat schränkte die Möglichkeiten aber empfindlich ein, es müsse „der letzte, vor der Katastrophe visuell bekannte Zustand des Gebäudes“ angestrebt werden.
Viel Geld vonnöten
Die für die schnelle Restaurierung benötigten Finanzmittel lassen bis dato auf sich warten. Von den zugesagten Spendengeldern von 850 Millionen Euro wurden erst 80 Millionen ausgezahlt. Diese stammen vor allem von Kleinspendern.
Zögerlich sind dagegen die potenziellen Großspender, darunter die französischen Milliardärsfamilien Arnault und Pinault, die 200 und 100 Millionen Euro versprochen haben. Sie verlangen nach Angaben von Kulturminister Riester detaillierte Auskunft, wofür Staat und Kirche ihre in Aussicht gestellten Millionen einsetzen wollen. Dies sei „normal“, meint Riester. „Die Spenden werden nach und nach je nach Fortschritt der Bauarbeiten fließen.“ Derzeit würden Vereinbarungen mit den Großspendern ausgearbeitet.
Der Wiederaufbau kann beginnen, sobald ein Plan fertig ist, auf den man sich geeinigt hat. Derzeit laufen noch immer die Aufräumarbeiten in der Kathedrale.
Die Sensation aus dem „Ländle“
„Für den einen oder anderen mag das verrückt klingen, aber: Wir können Notre-Dame sehr wirtschaftlich und vor allem schnell retten“, ist Hubert Rhomberg, Baumeister aus dem „Holzland“ Vorarlberg und Miteigentümer der Bregenzer Rhomberg Bau GmbH, überzeugt. Wie er das schaffen will? „Mit einem gut durchdachten Plan. Und mit Holz.“
„Schon der alte Dachstuhl war ja aus Holz, und der hat immerhin 800 Jahre gehalten“, erklärt der Holzbauexperte. Neben der Langlebigkeit sprechen weitere Argumente für das nachhaltige Baumaterial: Es wächst nach, es ist überall verfügbar – knapp 30% der Gesamtfläche Frankreichs bestehen aus Wäldern – und kann vor allem auch lokal verarbeitet und verbaut werden. „In Paris gibt es über 270 holzverarbeitende Betriebe“, weiß Rhomberg.
Die würde er gern in seinen Plan miteinbeziehen. Der sieht vor, statt dem bisherigen kleinteiligen, doppelten Hängewerk, das aus einer Vielzahl an Sparren, Kehlbalken, Hängesäulen und Streben bestand, eine vorgefertigte, aufgelöste Fachwerkskonstruktion zu montieren. Auf der sollen anschließend vorelementierte Holz-Rippenelemente angebracht werden, die aus Holzwerkstoff-Platten bestehen, die mit Rippen aus Brettschichtholz verleimt werden und an der Außenseite bereits über eine regendichte Dachhaut verfügen. „Ab diesem Moment ist das Dach dicht“, versichert Rhomberg. „Das heißt: Nach der Baugenehmigung brauchen wir etwa drei Monate, zum Winter könnte die Kathedrale also sicher vor den Witterungseinflüssen geschützt sein.“ Der weitere Dachaufbau und die Dacheindeckung können dann individuell nach den Vorgaben und Wünschen vom Denkmalschutz und dem Bauherrn realisiert werden.
„Der Clou ist, dass die einzelnen Elemente vorgefertigt werden können und auf der Baustelle dann nur noch montiert werden müssen“, erklärt der gelernte Baumeister. Die Vorfertigung sollen lokale Betriebe übernehmen, die Montage ebenfalls. Das Holz selbst – statt der bisherigen Eiche, die in den benötigten Mengen und Längen nicht mehr vorgehalten wird, will Rhomberg Nadelhölzer wie Fichte, Kiefer oder Tanne verwenden – ist im Land vorrätig und könnte entsprechend schnell beschafft und industriell verarbeitet werden. „Damit sparen wir uns auch Zwischenlösungen, die wieder Kosten und Abfall produzieren würden“, argumentiert Rhomberg.
Eine Chance für die Kirche
Weitere Vorteile des neuen Aufbaus: „Mit dem Umstieg von Eiche auf Nadelholz verringern wir die Eigenlast der Dachkonstruktion um rund 30 Prozent. Die entsprechende statisch notwendige Unterkonstruktion für den achtseitigen Turmhelm wird bereits vormontiert, sodass dieser im Nachgang direkt eingehoben werden kann. Zudem können wir durch die größeren einzelnen Balkenquerschnitte sowie die deutlich reduzierten Anschlüsse einen hohen natürlichen Brandwiderstand von mindestens 90 Minuten garantieren.“
Der Einsatz von Holz sei seiner Meinung nach übrigens eine gute Möglichkeit für die katholische Kirche, sich doch noch und ohne großen Aufwand an der Rettung des bedeutsamen Gebäudes zu beteiligen: „Die Kirche ist der größte Waldbesitzer weltweit und hat natürlich auch in Frankreich große Ressourcen. Es ist für sie daher durchaus machbar, die Holzmengen, die jetzt rasch benötigt werden, der Holzindustrie im Nachgang aus ihrem Bestand wieder aufzufüllen. Ließe sich die Kirche auf diese Idee ein, könnte Paris als Eigentümerin der Kathedrale rund 25 Prozent der Kosten sparen – neben der Zeitersparnis und der lokalen Wertschöpfung für Rhomberg ein weiteres starkes Argument für die Stadt.
Zudem zahle der Fokus auf Holz klar auf die Ziele des Übereinkommens von 2015 ein, das sogar nach der französischen Hauptstadt benannt wurde: „Mit dem ökologischen Fußabdruck der Alternativen wie Stahlkonstruktionen wird die CO2-Reduktion aus dem Pariser Klimaabkommen nie erreicht.“ Deswegen möchte Hubert Rhomberg gern möglichst rasch Nägel mit Köpfen machen: „Wir stellen unser Know-how und unsere Kompetenz im Holzbau sehr gern zur Verfügung. Sobald die Ergebnisse über den Zustand des Bestands vorliegen, stehen wir deshalb für Gespräche mit der Stadt bereit.“
16.6.2019, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at