Nutzung eines via Asset Deal übernommenen Kundenstocks für Werbesendungen zulässig
Wenn sich der Verkäufer bisher zu Recht auf die Soft Opt-In Ausnahme gestützt hat, kann dies der Käufer in einem Asset Deal – bei im Wesentlichen identen Waren und Dienstleistungen – ebenfalls tun. Das muss daher sinngemäß auch für eine bestehende „Alt“-Einwilligung gelten. (Symbolbild: pixabay)
Der Versand von Werbe-Newslettern führt in der Praxis oftmals zu Beschwerden – sowohl bei der Datenschutz- als auch bei der Fernmeldebehörde. Regelmäßig geht es dabei um die Frage, ob eine gültige Einwilligung erteilt wurde sowie ob der Betroffene ausreichend transparent informiert war. Besonders spannend wird dieses Thema im Kontext von Unternehmenstransaktionen: Dabei wird regelmäßig auch der zugehörige Kundenstock verkauft. Für den Käufer ist es daher besonders relevant, ob und wie er diese neuen Kunden nun kontaktieren und ob er sich auf ehemals rechtsgültig eingeholte Einwilligungen berufen darf. Die DORDA Experten der Digital Industries Group haben das Thema für Sie anhand einer aktuellen Entscheidung noch einmal im Detail aufgearbeitet:
Hintergrund
Im letzten Jahr ergingen rund um die Zulässigkeit der werblichen Kontaktaufnahme von Kunden nach einem Asset Deal zwei scheinbar divergierende Entscheidungen des OGH und der DSB (DORDA hat berichtet): Im Anlassfall gingen zunächst sämtliche übertragbaren Vermögenswerte in Bausch und Bogen auf den Käufer über. Darunter war auch der Firmenwert (goodwill), der Kundenstock und der Online-Auftritt des Unternehmens. Der Käufer kontaktierte sodann die erworbenen Kunden zu Werbezwecken mit einem Newsletter, ohne erneut Einwilligungen einzuholen. Er sah sich daraufhin mit zwei Verfahren konfrontiert: (i) Ein Mitbewerber initiierte ein UWG-Verfahren wegen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch, konkret Verletzung der SPAM-Bestimmungen, und (ii) einer der angeschriebenen Kunden wandte sich aufgrund einer vermeintlichen Verletzung seines Rechts auf Geheimhaltung an die DSB.
Wie wir bereits berichteten, entschied der OGH im UWG-Verfahren, dass vom Verkäufer eingeholte Einwilligungen iSv § 174 Abs 3 TKG (damals noch § 107 TKG) – unter gewissen Voraussetzungen – auf den Käufer übergehen können. Auch die DSB hat diese Möglichkeit beim Asset Deal nicht (ausdrücklich) ausgeschlossen. Stützt sich das Unternehmen jedoch stattdessen auf die Soft Opt-In Ausnahme des § 174 Abs 4 TKG, ist ein zunehmend strengerer Maßstab zu erfüllen (zuletzt etwa OLG Wien 5 R 168/20t). Im Zweifel sollten daher nur solche Zusendungen auf das Soft Opt-In gestützt werden, die eindeutig unter die Ausnahme fallen – bspw wenn ein Abonnement des Kunden ausläuft und ihm eine Verlängerung zu einem ermäßigten Preis angeboten wird. In der Regel wird wegen der strengen Auslegung der Kriterien für werbliche Kontaktaufnahmen aber die Einwilligung des Betroffenen erforderlich sein. Auch im Anlassfall war die DSB in Bezug auf die Voraussetzung eines „Kunden“ zurückhaltend und kam zum Ergebnis, dass es sich beim Asset Deal mangels Gesamtrechtsnachfolge bei den Angeschriebenen nicht um die Kunden des Käufers handelt und die Ausnahme des § 174 Abs 4 TKG daher per se nicht greifen kann. Daher hat sie diese Kontaktaufnahme für unzulässig erklärt. Das sieht das BVwG nun aber anders und hat die Entscheidung gedreht:
Kundenstock gehört nach Ansicht des BVwG zum Käufer
Die Wortfolge „seine Kunden“ in § 174 Abs 4 Z 1 TKG ist nach Ansicht des BVwG nämlich nicht anhand nationaler gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen, sondern mit Blick auf die ePrivacy-RL auszulegen: Deren ErwGr 41 könne aber nicht entnommen werden, dass nur ein durch Gesamtrechtsnachfolge übernommenes Unternehmen als „dasselbe“ gilt. Vielmehr war der Beschwerdeführer Kunde des vom Käufer übernommenen Unternehmens und erfolgte der Versand des Newsletters (i) auf Basis einer bereits vorab in der Datenschutzerklärung erteilten Information zu potentiellen Unternehmenstransaktionen und (ii) im Hinblick auf den im Wesentlichen identen Webshop. Daher durfte er davon ausgehen, dass (i) der Kunde auch weiterhin Interesse an den Produkten hat und (ii) der Beschwerdeführer auch sein „Kunde“ iSv § 174 Abs 4 Z 1 TKG war. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts natürlich auch für das Tatbestandsmerkmal der „eigenen Produkte“ der Z 2.
Kurzum: Wenn sich der Verkäufer bisher zu Recht auf die Soft Opt-In Ausnahme gestützt hat, kann dies der Käufer in einem Asset Deal – bei im Wesentlichen identen Waren und Dienstleistungen – ebenfalls tun. Das muss daher sinngemäß auch für eine bestehende „Alt“-Einwilligung gelten.
Letzteres lässt sich abseits der e-Privacy-RL auch aus den österreichischen Bestimmungen zum Unternehmenskauf ableiten: Es ist unstrittig, dass im Zuge eines Asset Deals auch die mit dem Unternehmen verbundenen Kundenbeziehungen erworben werden. Dies beruht nicht zuletzt auch auf der Annahme, dass der Übergang der Rechtsverhältnisse den Interessen der Vertragspartner bzw Kunden entspricht: So ist der Käufer und nunmehrige Eigentümer der für den Betrieb des Unternehmens notwendigen Assets, im Regelfall eher in der Lage, die Kundenbeziehung weiterhin aufrecht zu erhalten als der Verkäufer. Dass die Übertragung beim Asset Deal im Wege der Einzelrechtsnachfolge geschieht, ändert nichts an der Wirksamkeit der Übertragung. Ganz im Gegenteil: Eine Differenzierung zwischen Asset- und Share Deal im Hinblick auf die Übertragbarkeit von Kundenbeziehungen und Einwilligungen ist nach österreichischem Unternehmensrecht nicht geboten. Damit steht einer Übertragung von bestehenden Einwilligungen (als Teil der Kundenbeziehungen) auch im Rahmen von Asset Deals nichts im Wege.
Take-Aways und Ausblick
Auch wenn sich ein Käufer bei einem Asset Deal nach der Entscheidung des BVwG nunmehr auf eine Soft Opt-In Ausnahme berufen kann, empfehlen wir in der Praxis dennoch wenn möglich auf Einwilligungen abzustellen. Werbezusendungen auf § 174 Abs 4 TKG zu stützen ist aufgrund des restriktiven Verständnisses der zuständigen Behörden mit erheblichen Risiken verbunden und sollte nur bei Zusendungen erfolgen, die völlig zweifelsfrei unter die Ausnahme fallen (was selten zutrifft). Es empfiehlt sich daher bei jedem Unternehmenskauf vorab zu prüfen, ob die entsprechenden Einwilligungen eingeholt wurden, und – sofern dies nicht der Fall ist – dies rechtzeitig vor Übertragung des Unternehmens nachzuholen. Sofern das nicht mehr möglich war, ist das Vorliegen der Voraussetzungen der TKG Soft Opt-In Ausnahme vor Abschluss der Transaktion zu prüfen um sicher zu stellen, dass auch Sie von der nun liberaleren Rechtsprechung faktisch profitieren können.
Die DORDA Experten der Digital Industries Group behalten weitere Entwicklungen in diesem Bereich im Auge – nicht zuletzt, weil auch im Anlassfall der Weg zum VwGH mit ordentlicher Revision noch offen steht.
7.4.2023, Autor:innen: Dr. Axel Anderl, LL.M., Mag. Nino Tlapak, LL.M., Mag. Ulrich Weinstich, LL.M. (UCLA), Mag Mirko Marjanovic, Dr. Corina Kruesz, LL.M. (WU), DORDA Rechtsanwälte GmbH, www.dorda.at