Österreichs Industrie bejubelt hochdynamischen Jahreswechsel
Hochkonjunktur erreicht Österreich, das bringt hohe Kapazitätsauslastung – und zunehmenden Fachkräftemangel.
Wien. „Die heimische Industrie verzeichnet zum Jahreswechsel einen fulminanten Konjunkturverlauf“, erklärte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Christian Helmenstein bei der Präsentation des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 4. Quartal 2017 am 1. Februar. Bei einer Zunahme der österreichischen Wirtschaftsleistung im Jahresschlussquartal um insgesamt 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal gelang der Industrie im selben Zeitraum eine Ausweitung der Produktion um 2,9 Prozent. „Kein anderer Wirtschaftsbereich weist derzeit eine auch nur annähernd vergleichbare Wachstumsdynamik auf wie die Herstellung von Waren“, sagte Neumayer. Im Vergleich zum Vorjahr weitete die Industrie im Gesamtjahr 2017 ihre Wertschöpfung um 6,6 Prozent und damit mehr als doppelt so kräftig aus wie die Gesamtwirtschaft, deren Wertschöpfung um 3,0 Prozent zunahm.
Das IV-Konjunkturbarometer als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten erreicht erstmals seit der Großen Rezession 2009 mit einem Wert von 43 Punkten wieder Hochkonjunkturniveau. Nicht nur die aktuelle Konjunkturlage wird nochmals günstiger eingeschätzt als zum vorherigen Termin, sondern auch die Konjunkturerwartungen hellen sich – nach aufeinanderfolgenden Rücksetzern in den beiden Vorquartalen – auf. „Dies sind gute Voraussetzungen für einen zunächst anhaltenden Konjunktursommer“, formulierte Neumayer.
Die Ergebnisse im Detail
Der Anstieg des Indikators für die aktuelle Geschäftslage von +64 auf nunmehr +71 Punkte ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ein Viertel der Unternehmen, die im Vorquartal nur einen durchschnittlichen Geschäftsgang verzeichneten, nunmehr ebenfalls an der konjunkturellen Dynamik partizipiert. Der Anteil von Unternehmen mit einem schlechten Geschäftsverlauf bleibt mit einem Wert von drei Prozent zum Vorquartal hingegen unverändert. Die Geschäftserwartungen verbessern sich von +10 auf +16 Punkte. „Dies zeugt von einem Extra-Quantum an Optimismus, doch unterstreicht dieser Wert im historischen Vergleich auch eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der Dauer und der Stärke dieser zyklischen Expansion“, erklärte Helmenstein. „Rund drei Viertel der Respondenten erwarten hier keine weitere Verbesserung mehr.“
Die Gesamtauftragsbestände legen kräftig von +56 auf nunmehr +67 Punkte zu. Einen positiven Verlauf, wenngleich auf etwas niedrigerem Niveau und einen Tick schwächer in der Dynamik, zeigen auch die Auslandsaufträge (+63 nach +53 Punkten). Die starke Entwicklung letzterer Komponente ist umso bemerkenswerter, als der Kurs des US-Dollars zum Euro in der zweiten Jahreshälfte 2017 um durchschnittlich 8,8 Prozent und somit markant höher lag als während der ersten Jahreshälfte 2017. Vor diesem Hintergrund wirkt die gemeinsame europäische Währung derzeit konjunkturstabilisierend. Aufgrund ihrer nach wie vor ausgeprägten Fokussierung auf die europäischen Absatzmärkte profitiert die österreichische Wirtschaft von der Stabilität des Euro in ausgeprägter Weise. Die Rückkehr der Eurozone auf den Wachstumspfad wird nicht mehr durch Wechselkursschwankungen zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone konterkariert. Die gute Mengenkonjunktur nutzend, planen die Unternehmen im Einklang mit der günstigen Auftragslage eine abermalige Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit. Der saisonbereinigte Wert auf Sicht eines Quartals legt von +29 auf +34 Punkte zu.
Zu wenig Fachkräfte
Bei anhaltend hoher Einstellungsneigung in der österreichischen Industrie setzt sich die Beschäftigungsexpansion zwar fort, allerdings erfährt der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes zu diesem Termin einen abermaligen Rücksetzer auf +15 Punkte nach +21 Punkten. Dies ist der niedrigste Wert seit dem vierten Quartal 2016, doch fallen die Gründe dafür unterschiedlich aus. Seinerzeit wurde am Ende einer fünfjährigen Quasi-Stagnationsphase trotz einer erst allmählich anziehenden Konjunkturdynamik schon ein hoher Beschäftigtenstand gehalten, sodass kurzfristig nur ein verhältnismäßig geringer zusätzlicher Personalbedarf bestand. Nunmehr ließe die hohe konjunkturelle Dynamik ein rascheres Beschäftigungswachstum zu, doch beschränkt der Fachkräftemangel die tatsächlichen Expansionschancen in weiten Teilen der Industrie.
Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen steigende Marktnotierungen für Industrierohstoffe und Energie eine Kostenüberwälzung, sodass ein Saldo von +17 Punkten resultiert. Die Ära fallender Verkaufspreise für Industriegüter ist Geschichte. Unter Berücksichtigung des entsprechenden zeitlichen Nachlaufs werden diese Produkte folglich ihren dämpfenden Einfluss auf den Preisauftrieb bei Konsumgütern in Österreich verlieren.
Der Saldo der Ertragslage erhöht sich vor dem Hintergrund der günstigen aktuellen Geschäftslage nochmals von +30 auf nunmehr +42 Punkte; er liegt damit auf einem Niveau, das eine Fortsetzung des zuletzt investitionsgetragenen Aufschwungs erwarten lässt. Dieser wird nicht nur aus der Mengen-, sondern zunehmend auch aus der Ertragskomponente gespeist, zumal sich die Ertragserwartungen nun am oberen Rand des seit acht Jahren bestehenden Schwankungskorridors befinden. Mit einer günstigen Investitionskonjunktur werden Zuwächse bei Produktivität und Beschäftigung einhergehen, welche sich über eine höhere gesamtwirtschaftliche Lohnsumme mit entsprechender zeitlicher Verzögerung auch expansiv auf die private Konsumnachfrage auswirken werden. Summa summarum zeichnet die österreichische Industrie das Bild einer Hochkonjunktur, deren größtes Bestandsrisiko derzeit nicht von internen, sondern externen Faktoren ausgeht.
10.2.2018, Autor: Paul Christian Jezek / paul.jezek@lex-press.at