Die Herstellung abbaubarer Materialien, von Verpackungsmaterialien hin zu Dämmstoffen, ist eine der Herausforderungen unserer Zeit. Alexander Bismarck vom Institut für Materialchemie entwickelt in einem EU-Projekt Polymerschäume aus Cellulose – und nutzt dazu die Kulturtechnik des Brotbackens.

Die uralte Kulturtechnik des Brotbackens ist Vorbild für den biologischen Schäumungsprozess von Cellulose im EU-Projekt „BreadCell“. (Bild: pexels.com/Odintsov Roman)

Polymerschäume, landläufig auch unter Schaumstoff bekannt, sind aus unserem täglichen Leben kaum wegzudenken. Bekannt ist das typische Schwämmchen zum Geschirrwaschen, aber der wesentliche Anteil der Kunststoffschäume findet sich in der Industrie, wie z.B. der Ski- und Snowboardherstellung oder der Baubranche, wo es u.a. in Form von Styropor als Dämmmaterial eingesetzt wird. Aktuell werden all diese Schäume, von weich bis hart, ausschließlich aus Kunststoff hergestellt, sprich aus Plastik. Hier eine umweltfreundliche Alternative zu finden, ist das Ziel des EU-Projekts „BreadCell“, das im Rahmen von Horizon 2020 läuft.

Der Materialchemiker Alexander Bismarck, seit 2012 Professor an der Fakultät für Chemie der Universität Wien, hat bereits erfolgreich an der Entwicklung für Verpackungsmaterial aus Cellulose gearbeitet, aktuell widmet er sich der Entwicklung von Celluloseschaum. (© Core Facility Interface Characterisation)

Vorbild Brotbacken
Ein internationales Team aus Österreich, Schweden und Spanien widmet sich in den nächsten fünf Jahren der Entwicklung von Polymerschäumen aus Cellulose, die mittels einer biologischen Gaserzeugungsmethode hergestellt werden. „Biologisch schäumen heißt in unserem Fall, dass wir Hefe nutzen“, erklärt Materialchemiker Alexander Bismarck, der von Seiten der Universität Wien am Projekt beteiligt ist: „Dabei bedienen wir uns eines Prozesses aus einer der ältesten Kulturtechniken, dem Brotbacken. Das Prinzip ist ganz ähnlich: Hefe produziert CO2, das wiederum den Zucker aus dem Teig abbaut und dadurch diesen schäumt. In unserem Fall ist der Teig die Cellulose.“

Die Herausforderungen des Schäumens
„Unser Problem dabei war, dass normale Cellulose zwar ein polymerer Zucker ist, aber leider nicht durch Hefe angegriffen wird. Nur wenn wir sogenannte Hemicellulosen verwenden, die sich übrigens sogar noch leichter abbauen lassen, können sie von einer speziell gezüchteten Hefe abgebaut werden“, erklärt Bismarck: „Diese Hefe erzeugt dabei Carbondioxid, das wiederum eine Suspension von Cellulosefasern aufschäumt.“ Der Celluloseschaum, der so entsteht, hat den Forscher*innen zufolge das Potenzial, Schaumstoff aus Kunststoff abzulösen.

Der Weg dahin ist noch lang – eine weitere Herausforderung, die die Forscher*innen im EU-Projekt beschäftigt, betrifft die Materialqualität. Ein Material muss für bestimmte Zwecke natürlich immer bestimmte Eigenschaften haben, um die gewünschte Funktion zu erfüllen. „Wir wollen den Celluloseschaum in eine bestimmte Breite bekommen, mit so wenig Gewicht pro Volumen wie möglich; gleichzeitig muss das Material immer noch mechanische Eigenschaften, wie z.B. eine bestimmte Stabilität, besitzen“, erklärt der Materialchemiker.

Angewandtes Grundlagenprojekt
Am Ende der Projektlaufzeit, 2025, wollen die Forscher*innen zumindest einen Material-Prototypen vorweisen, der die gewünschten Anforderungen an Dichte und Funktionalität besitzt. Dann kommt der Industriepartner ins Spiel, der den erneuerbaren Polymerschaum aus Cellulose in sogenannten Sandwich Composites testen möchte. „Das Material ist generell für umweltfreundliche Verpackungsmaterialen, wie z.B. auch Kaffeekapseln, interessant. Wenn die aus Cellulose sind, kann ich die gebrauchten Kapseln direkt auf den Hauskompost oder in die Biotonne geben.“

Das Besondere am BreadCell-Projekt ist, dass nicht nur der entwickelte Polymerschaum vielseitig einsetzbar und biologisch abbaubar ist, sondern dass auch der Schäumungsprozess selbst durch die Hefe biologisch ist.

„Ohne Polymere hätten wir ein Riesenproblem“
So wichtig Alexander Bismarck die Entwicklung erneuerbarer, umweltfreundlicher Materialien ist, gibt er gleichzeitig zu bedenken, dass zwar viele Kunststoff-Materialien langfristig ersetzt werden können, nicht jedoch alle: „Kunststoff, also Polymere, wurden erfunden und werden erzeugt, gerade weil sie langlebig sind. Ohne Polymere hätten wir ein Riesenproblem mit jeder Verkabelung, mit jedem elektrischen Gerät.“ Er plädiert generell für ein Umdenken im Konsumverhalten: „Die Frage ist: Müssen wir wirklich jedes Stück einzeln verpacken?“ Solange diese Frage mit ja beantwortet wird, kann der Einsatz von abbaubaren Ausgangsmaterialien, hergestellt in einem ebenso schonenden Verfahren, zur Lösung der CO2- und Müllproblematik beitragen.

5.5.2021 / Quelle: Universität Wien / univie.ac.at /