Schau’n wir mal – auf’s neue Gütesiegel
Unsere regionalen Betriebe sollen von einer neuen Vermarktungsoffensive profitieren – ob’s wahr ist bzw. wenigstens wahr wird?
Die Verheissungen klingen locker-flockig-vielversprechend und haben etwas vom „Koste-es-was-es-wolle“-Charme dieser anderen, ebenfalls markigen Ankündigung. „Das neue Genuss Region-Gütesiegel, das von zertifizierten bäuerlichen Direktvermarktern, Manufakturen, Hotels und Gastronomiebetrieben verwendet werden kann, bringt für die Konsumenten noch mehr Klarheit, wie und wo heimische Lebensmittel produziert worden sind“, lobt der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer (LK) Österreich, Ferdinand Lembacher, bereits zum Start der Initiative und somit notwendigerweise noch weit weg von jeder möglichen Erfolgskontrolle des neuen Gütesiegels. (Der kundige Leser bzw. so mancher Landwirt mag sich auch ein wenig am „noch mehr“ vor der „Klarheit“ stören.)
Es handele sich um eine Erweiterung der in der Bevölkerung gut bekannten Qualitätsoffensiven AMA-Gütesiegel sowie Genuss Region Österreich und garantiere ein durchgängiges Qualitäts- und Herkunftssicherungssystem, in das auch die bekannte Marke der LK Österreich ,Gutes vom Bauernhof‘ eingebunden werde, heißt es weiter, und auch hier könnte der (Ankündigungs-)Teufel im „gut bekannten“ bzw. „garantierten“ System stecken. „Für die bäuerlichen Erzeuger ist die neue Initiative eine Chance, ihre nach höchsten Standards produzierten Produkte, sei es direkt oder in Zusammenarbeit mit regionalen Betrieben, noch besser zu vermarkten“, sagt Lembacher. „Eine verstärkte Vernetzung und eine Bündelung der Kräfte sind die besten Voraussetzungen dafür, die Kulinarik in Österreich auf ein noch höheres Niveau zu heben.“ Sein Wort in Gottes bzw. der Landwirte Ohr(en).
Die Botschaft hör’n wir wohl …
Das neue Siegel solle – auch – „ermöglichen, dass mehr heimische Produkte die höchstklassigen europäischen Gütesiegel – geschützte Ursprungsbezeichnung (gU) und garantiert traditionelle Spezialität (gtS) – erhalten“, meinten weiters Agrarministerin Elisabeth Köstinger und die Chefin des zur AMA gehörenden Netzwerks Kulinarik, Christine Mutenthaler, bei einem Hintergrundgespräch. Nachsatz: An diesem Schritt arbeite die Politik schon länger, nachdem ein solches System in Österreich bisher nicht so recht in Gang gebracht worden sei (Hört, hört! bzw. Lest, lest!) und dessen Ansätze sogar vom Rechnungshof (RH) kritisiert worden waren. Nun werde dem Ruf des RH nach einer verbindlichen Gesamtstrategie für Kulinarik, Qualitätskriterien für die Vergabe von öffentlichen Mitteln und die Einbeziehungen von regionalen Kulinarik-Initiativen wie der Genuss Regionen Rechnung getragen.
Die Vernetzung regionaler Betriebe steigere die Wertschöpfung, schaffe Vertrauen und sichere (!) „lebendige ländliche Regionen“. „Das neue Gütesiegel bringt Klarheit und steht für höchste Qualitäts- und Herkunftskriterien von heimischen Lebensmitteln, die Konsumenten – insbesondere seit der Corona-Krise – verstärkt nachfragen.“ Mit der Auslobung des Genuss Region-Gütesiegels werde Kunden sowie Gästen regionale Herkunft und beste Qualität der Lebensmittel, kurze Transportwege sowie die stets frische Zubereitung der Speisen garantiert. Auf den Punkt gebracht: „Es unterstützt die erfolgreiche Qualitätsoffensive der heimischen Landwirte sowie regionaler Betriebe.“
… und wollen auch brav glauben
Nun wagen wir doch ein wenig den quasi offiziellen Optimismus anzuzweifeln, der hier rund um das neue Genuss Region-Gütesiegel entwickelt wird – umso mehr angesichts der starken AMA-Einbindung. Diesbezüglich erlauben wir uns z.B. einen kleinen Hinweis auf die seit Jahren gehandhabte Praxis bei der EU-Agrarförderung, wo konsequent und in immer weiter steigendem Ausmaß nicht etwa die heimischen Landwirte, sondern – erraten! – die AMA die bei weitem höchsten Fördersummen einstreicht. (2015 z.B. „erst“ 24,2 Mio. €, aktuell bereits 33 Mio. €, während der kleinste Empfänger am Ende der Liste einen Cent erhält.)
Zumindest den guten Willen, „bestmöglich zur Vernetzung aller Beteiligten und Nutzung von Synergien entlang der Wertschöpfungskette beizutragen“ bzw. „einen Mehrwert für unsere Familienbetriebe, für unsere Regionen und die Konsumenten zu schaffen“, wollen wir den Initiatoren des Genuss Region-Gütesiegels jedoch so lange nicht absprechen, bis sich im echten Leben und fernab prophylaktischer Erfolgspropaganda der etwaige reale Nutzen dieser neuen Aktion herausgestellt haben möge …
29.06.2020 / Autor: Paul Christian Jezek / p.jezek@lex-press.at