Es liegt im Interesse von Unternehmen eine eigene Stelle für Hinweise einzurichten, um bereits vor Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen durch Strafbehörden Maßnahmen setzen zu können. (Symbolbild: pixabay.com)

Die Regierung hat dem Nationalrat im Juni 2022 den Entwurf des HinweisgeberInnenschutzgesetzes („HSchG“) vorgelegt (siehe dazu den Blog-Beitrag vom 19.4.2021). Mit diesem Gesetz soll die im Jahr 2019 veröffentlichte Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden („EU-Richtlinie“), umgesetzt werden. Arbeitgeber werden nach Inkrafttreten des HSchG mit neuen Pflichten und Vorgaben konfrontiert, auf die sie reagieren müssen. Im Vorfeld gab es von mehreren Stellen Kritik am Entwurf des HSchG, sodass es durchaus noch zu Änderungen des Entwurfs kommen kann. Der folgende Beitrag fasst die – hinsichtlich dem aktuellen Gesetzesentwurf – wesentlichsten Pflichten und Vorgaben für Unternehmen zusammen und liefert Lösungsansätze:

Geltungsbereich
Der Schutz für Hinweisgeber (und Personen in ihrem Umkreis) vor persönlichen Nachteilen sowie unbegründeten oder ungerechtfertigten Verdächtigungen besteht nur bei Hinweisen, die sich auf Rechtsverletzungen in Lebensbereichen von besonderem öffentlichen Interesse beziehen. Damit zieht der österreichische Gesetzgeber den Rahmen zwar weiter als von der EU-Richtlinie vorgegeben ist, bezieht aber Lebensbereiche nicht ein, die typischer Weise Gegenstand von Hinweisen sein können (z.B. Verstöße gegen Sozialversicherungspflicht, Lohndumping, Diskriminierung). Von mehreren Seiten wurde auch die Kritik geäußert, dass der Geltungsbereich in Bezug auf strafrechtliche Bestimmungen (Betrug, Untreue etc.) ausgeweitet werden sollte. Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf sind Hinweise aus folgenden Bereichen geschützt:

  • Öffentliches Auftragswesen;
  • Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderungen von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;
  • Produktsicherheit und –konformität;
  • Verkehrssicherheit;
  • Umweltschutz;
  • Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit;
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz;
  • öffentliche Gesundheit;
  • Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen;
  • §§ 302 bis 309 Strafgesetzbuch (StGB) und damit ein Teil der strafbaren Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandten strafbaren Handlungen.

Abgabe von Hinweisen und Hinweisgeberstellen
Hinweise können von Hinweisgebern an interne Stellen innerhalb des Unternehmens und an externe Stellen abgegeben werden. Hinweise sollen nach dem aktuell bestehenden Gesetzesentwurf jedoch vorrangig bei internen Stellen abgegeben werden, was kritisiert wird, da die zu Grunde liegende Richtlinie keine derartige Priorisierung vorsieht. Ist die Behandlung des Hinweises in einem internen Hinweisgebersystem nicht möglich, zweckentsprechend oder zumutbar – beispielsweise, weil die interne Stelle nicht gemäß den Vorgaben des HSchG eingerichtet oder ausgestattet ist – sowie diese sich als erfolglos oder aussichtslos erweisen, sollen Hinweise an eine externe Stelle abgegeben werden.

Anforderungen an interne Hinweisgeberstellen
Das HSchG verpflichtet Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts – mit 50 oder mehr Arbeitnehmern oder Bediensteten oder unabhängig von der Anzahl der Arbeitnehmer in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Verkehrssicherung und Umweltschutz – zur Einrichtung von internen Stellen für die Abgabe von Hinweisen durch Hinweisgeber.

Interne Hinweisgeberstellen müssen dabei die Vorgaben des HSchG erfüllen:

  • Hinweisgebersysteme müssen technisch und organisatorisch nach Art 25 DSGVO geeignet sein, also den Stand der Technik erfüllen;
  • die Hinweisgeberstellen sind mit den zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen und personellen Mitteln auszustatten; sie sind so zu planen, einzurichten und zu betreiben, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers und Dritter, die in einem Hinweis erwähnt werden, gewahrt bleibt;
  • bei der Entgegennahme und Behandlung von Hinweisen ist unparteilich und unvoreingenommen vorzugehen;
  • Arbeitnehmern, die Hinweise entgegennehmen und behandeln dürfen, sind bei der Erfüllung dieser Aufgaben keine Weisungen zu erteilen;
  • Hinweise müssen schriftlich oder mündlich (telefonisch oder durch ein anderes Mittel der mündlichen Kommunikation) oder in beiden Formen gegeben werden können.

Behandlung von Hinweisen
Das HSchG gibt Mindestanforderungen vor, die bei der Behandlung von Hinweisen einzuhalten sind:

  • auf Verlangen muss die interne Stelle die Entgegennahme des Hinweises spätestens nach sieben Kalendertagen schriftlich bestätigen;
  • auf Ersuchen des Hinweisgebers hat innerhalb von spätestens 14 Tagen eine Zusammenkunft zur Besprechung des Hinweises stattzufinden;
  • spätestens drei Monate nach Entgegennahme des Hinweises hat die interne Stelle dem Hinweisgeber bekanntzugeben welche Folgemaßnahmen (interne Nachforschungen, Untersuchungen etc) sie zu ergreifen beabsichtigt oder aus welchen Gründen die interne Stelle den Hinweis nicht weiterverfolgt;
  • mit der Ergreifung von Folgemaßnahmen kann die interne Stelle oder ein für die Ergreifung von Folgemaßnahmen zuständiges Organ betraut werden;
  • die Unternehmensleitung darf nur unter bestimmten Voraussetzungen von den Inhalten eines Hinweises verständigt werden (siehe dazu Punkt „Schutzwürdigkeit von Hinweisgebern“.).

Schutzwürdigkeit von Hinweisgebern
Hinweisgeber können sich auf den Schutz des HSchG berufen, wenn sie sich für die Hinweisgebung an interne oder externe Stellen wenden. Zudem müssen die Hinweisgeber zum Zeitpunkt der Hinweisgebung aufgrund der tatsächlichen Umstände und ihnen verfügbaren Informationen im Glauben sein, dass die gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich des HSchG fallen.

Die Identität des Hinweisgebenden oder jene einer von einem Hinweis betroffenen Person, ist durch die internen und externen Stellen zu schützen. Das gilt ebenfalls für jegliche Informationen, aus denen die Identität dieser Personen abgeleitet werden kann.
Die interne Stelle ist berechtigt, die Leitung des Unternehmens von den Inhalten des gegebenen Hinweises zu verständigen, wenn:

  • der begründete Verdacht einer Rechtsverletzung besteht,
  • die Verständigung geeignet erscheint, von vergleichbaren künftigen Rechtsverletzungen abzuhalten und
  • mit einer Gefährdung als Folge der Verständigung nicht zu rechnen ist.

Die Identität des Hinweisgebenden ist gegenüber der Leitung des Unternehmens jederzeit geheim zu halten.

Einrichtung von Stellen zur Abgabe von Hinweisen

Interesse des Unternehmens
Wie erörtert sind Unternehmen, die in den Geltungsbereich des HSchG fallen, grundsätzlich verpflichtet, die Hinweisgebung intern zu ermöglichen, also eine interne Hinweisgeberstelle einzurichten. Ein Blick auf die Strafbestimmungen des HSchG zeigt aber, dass die Unterlassung der Einrichtung einer internen Stelle nicht unter Strafe steht.

Der Entwurf des HSchG sieht in seinen Strafbestimmungen aber vor, dass die Behinderung einer Person im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung mit Strafe bedroht ist. Zumal die Nichteinrichtung einer internen Stelle die Hinweisgebung behindern und somit unter den Straftatbestand des HSchG subsumiert werden könnte, wurde von mehreren Seiten eine Klarstellung der Strafbestimmungen gefordert.

Als Alternative zur Strafandrohung wird nach den Erläuterungen zum HSchG auf Beweggründe, die zur Implementierung eines internen Meldewesens für Hinweise anhalten, gebaut. Gemeint ist damit, eine Betonung der Vorteile, sich um rechtskonforme Vorgänge sowie einen internen Umgang mit Hinweisen auf Rechtsverletzungen zu bemühen.

Das vom Gesetzgeber intendierte Anreizsystem zur Einrichtung einer eigenen Hinweisgeberstelle ist grundsätzlich ein valider Gedanke. Durch die Einrichtung einer internen Hinweisgeberstelle kann der jeweilige Rechtsträger beispielsweise eine potenziell öffentlichkeitswirksame externe Hinweisgebung vermeiden. Weiters wird diskutiert, ob die Einrichtung einer internen Hinweisgeberstelle einen Milderungsgrund nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) darstellt. Durch die Einrichtung einer internen Hinweisgeberstelle können auch zeitgerecht Maßnahmen gesetzt werden, die letztlich dazu führen können, dass Verbandsgeldbußen geringer ausfallen, zumal diese anhand folgender Bemessungskriterien bestimmt werden:

  • das Ausmaß der Schädigung oder Gefährdung, für die der Verband verantwortlich ist;
  • die Größe des aus der Straftat vom Verband erlangten Vorteils; sowie
  • das Ausmaß des gesetzwidrigen Verhaltens, das von Mitarbeitern geduldet oder begünstig wurde.

Zudem sieht das VbVG folgende Milderungsgründe vor:

  • der Verband schon vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu rechtstreuem Verhalten angehalten hat;
  • der Verband lediglich für Straftaten von Mitarbeitern (nicht von Entscheidungsträgern) verantwortlich ist;
  • der Verband nach der Tat erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat;
  • der Verband die Folgen der Tat gutgemacht hat;
  • der Verband wesentliche Schritte zur zukünftigen Verhinderung ähnlicher Taten unternommen hat;
  • die Tat bereits gewichtige rechtliche Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen hat.

Aus den genannten Gründen liegt es im Interesse von Unternehmen eine eigene Stelle für Hinweise einzurichten, um bereits vor Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen durch Strafbehörden Maßnahmen setzen zu können. Besteht keine eigene Stelle, werden Hinweisgeber Hinweise direkt bei externen Stellen, also Aufsichtsbehörden (Geldwäschemeldestelle, Abschlussprüferaufsichtsbehörde, Bundeswettbewerbsbehörde etc.), abgeben, sodass Unternehmen – in der Regel – nicht mehr zeitgerecht Maßnahmen setzen können, bevor behördliche Ermittlungen aufgenommen werden.

Im Zusammenhang mit der Implementierung von internen Stellen ist noch darauf hinzuweisen, dass diskutiert wird, ob für die Einrichtung einer internen Hinweisstelle vorab die Zustimmung der Arbeitnehmer bzw. des Betriebsrats (falls vorhanden) eingeholt werden muss. Diesbezüglich wird von mehreren Seiten eine Klarstellung durch den Gesetzgeber gefordert.

Lösungsansatz
Die Unterlassung der Einrichtung einer „internen“ Stelle steht nicht explizit unter Strafe, was – zumindest in Hinblick auf den aktuellen Gesetzesentwurf – auf den Willen des Gesetzgebers schließen lässt, dass Unternehmen relativ flexibel bei der Einrichtung von Hinweissystemen sein sollen.

Insbesondere für mittelständische Unternehmen ist es sinnvoll, externe Dienstleistungsunternehmen (bspw. Rechtsanwaltskanzleien) als Hinweisgeberstelle zu bestellen. Einerseits kann der damit verbundene personelle und technische Aufwand minimiert werden. Andererseits ist es aufgrund der Unternehmensstrukturen in mittelständischen Unternehmen – in denen sich regelmäßig alle Mitarbeiter gegenseitig kennen – de facto ausgeschlossen, die Anonymität der Hinweisgeber zu wahren; beispielsweise, wenn nur eine überschaubare Anzahl Personen Zugang zu den für den Hinweis notwendigen Informationen haben.

Mit der Befassung externer Dienstleister kann das Risiko von Verstößen gegen das HSchG, beispielsweise bei der Behandlung von Hinweisen, de facto eliminiert werden. Verstöße gegen das HSchG im Zusammenhang mit der Hinweisgebung (Behinderung, Einschüchterung, Vergeltungsmaßnahmen und Verletzung der Vertraulichkeit) und der Behandlung von Hinweisen stehen – im Gegensatz zur Unterlassung der Einrichtung einer internen Stelle – nämlich unter (empfindlicher) Strafe von bis zu EUR 20.000, im Wiederholungsfall bis zu EUR 40.000,–.

29.8.2022, Autor: Florian Dauser, Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, www.fwp.at