Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert
Die Europäische Kommission hat am 18. Mai 2021 eine Mitteilung über die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert an das Europäische Parlament und den Rat veröffentlicht. In dieser beschreibt sie ihre Agenda bezüglich des Erlasses neuer Vorschriften im Bereich der Unternehmensbesteuerung bis 2023. Durch die geplanten Maßnahmen soll ein effizienter und fairer Rahmen für die Unternehmensbesteuerung geschaffen werden, der die Erholung nach der COVID-19 Krise unterstützt, Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen im Binnenmarkt beseitigt und ein Umfeld schafft, das ein gerechtes und nachhaltiges Wachstum fördert.
Aktuelle Problemfelder in der Unternehmensbesteuerung
• Das derzeitige internationale Körperschaftsteuersystem wurde vor mehr als einem Jahrhundert konzipiert und basiert auf veralteten Grundsätzen. Es wird immer schwieriger Steuervorschriften auf die Realität der modernen Unternehmenspraxis anzuwenden.
• Innerhalb der EU besteht ein steuerrechtlicher „Flickenteppich“ bei der nationalen Unternehmenssteuer, der sich für grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Binnenmarkt als kompliziert erweist und Investitionen und Wachstum behindert.
• Während das Unternehmenseinkommen auf nationaler Ebene besteuert wird, werden die Geschäftsmodelle immer internationaler, komplexer und digitaler. Dies führt einerseits zu hohen Befolgungskosten und zur Gefahr von Doppelbesteuerung, gleichzeitig bestehen aber auch Schlupflöcher zwischen den Steuersystemen, die von einigen Unternehmen durch aggressive Steuerplanungsstrategien genutzt werden.
Maßnahmenvorschläge der Kommission
Verlustrücktrag für KMU
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert den Unternehmen einen Verlustrücktrag aus 2020 und 2021 zumindest auf das vorangegangene Geschäftsjahr zu ermöglichen. Dadurch sollen die Unternehmen gestärkt werden, die in den Jahren vor der Pandemie rentabel waren.
Bekämpfung von Steuervermeidung über Offenlegung von Briefkastenfirmen
Die Europäische Kommission wird bis zum vierten Quartal 2021 einen Legislativvorschlag gegen die Möglichkeit für aggressive Steuerplanung durch die Nutzung von Briefkastenfirmen (ATAD 3) unterbreiten. Bekämpft werden soll die Verwendung von Firmen mit wenig bzw. gar keiner Substanz unter anderem über zusätzliche Meldeverpflichtungen an die Finanzverwaltung.
Freibetrag für Eigenkapitalfinanzierung
Bis zum ersten Quartal 2022 wird die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag über einen Freibetrag als Anreiz gegen die derzeit bestehende Bevorzugung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung (DEBRA – „Debt Equity Bias Reduction Allowance“) vorlegen.
Veröffentlichung der effektiven Steuersätze von Großkonzernen
Bis 2022 wird die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag für die Veröffentlichung der effektiv gezahlten Steuersätze von bestimmten in der EU tätigen Großkonzerne (nach den Grundsätzen von „Pillar 2“) erstellen.
Einheitliche Vorschriften für die Körperschaftsteuer – oder auch „CCCTB reloaded“
Im Jahr 2023 soll ein Vorschlag zur Vereinheitlichung des Steuerrechts und für eine gerechtere Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten gemacht werden (BEFIT – „Business in Europe: Framework for Income Taxation“). Dadurch sollen EU-weit einheitliche Vorschriften für die Körperschaftsteuer auf der Grundlage einer Steueraufteilung (abhängig von Umsatz, Kapital- sowie Mitarbeitereinsatz in den einzelnen Märkten) und einer gemeinsamen Steuerbemessungsgrundlage geschaffen werden. Die Europäische Kommission erhofft sich von BEFIT den Abbau von Bürokratie, die Senkung von Befolgungskosten, die Schließung von Steuerschlupflöchern und die Förderung von Beschäftigung, Wachstum und Investitionen im Binnenmarkt. Dieser neue Vorschlag ersetzt den noch nicht verabschiedeten Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (CCCTB), der damit zurückgezogen wird.
Umsetzung OECD Pillar 1 und 2 in der EU
Sobald auf OECD Ebene eine Einigung zu Pillar 1 (teilweise Neuzuordnung der Besteuerungsrechte) und Pillar 2 (effektive Mindestbesteuerung der Gewinne multinationaler Konzerne) erzielt wurde, wird die Kommission rasch zwei Richtlinienentwürfe zur Umsetzung der neuen Regelungen durch die Mitgliedstaaten der EU vorlegen. Darüber hinaus soll eine Subject-to-tax Klausel in die Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie aufgenommen werden und die Teilnahme an Pillar 2 ein Kriterium für die Einstufung von Drittstaaten auf der EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete werden.
Digitalabgabe
Die Kommission wurde vom Europäischen Rat beauftragt, eine Digitalabgabe auszuarbeiten, die auch als EU-Eigenmittelquelle dienen soll. In diesem Zusammenhang plant die Kommission noch im Juli 2021 einen Vorschlag zu unterbreiten.
Ausblick
Die von der Europäischen Kommission vorgelegten Maßnahmen erscheinen sehr ambitioniert und kommen einer „Revolution“ des internationalen Steuerrechts gleich. Es bleibt abzuwarten, inwieweit auf Ebene des Europäischen Rats die zur Umsetzung der Maßnahmen erforderliche Einstimmigkeit erzielt werden kann. Wie jedoch bereits die Entwicklungen der letzten Jahre (BEPS-Initiative der OECD, ATAD-Richtlinien der EU) gezeigt haben, können sich steuerliche Rahmenbedingungen sehr rasch ändern. Daher ist allen international agierenden Konzernen geraten die oa. Maßnahmen der Kommission genau im Auge zu behalten und die eigene Steuerstrategie daran auszurichten.
25.5.2021 / Autoren: Nikolaus Neubauer, Richard Jerabek / PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / www.pwc.at