Auslegungshinweise der Finanzmarktaufsicht (FMA) zum Tatbestand des Einlagengeschäfts nach § 1 Abs 1 Z 1 Bankwesengesetz im Zusammenhang mit Unternehmensfinanzierungen

Die folgenden Ausführungen sind als allgemeiner Leitfaden zur Rechtsansicht der FMA zum Einlagengeschäft in Zusammenhang mit Unternehmensfinanzierungen anzusehen. Eine abschließende und rechtsverbindliche Beurteilung einer Konzessionsfrage durch die FMA kann jeweils nur im konkreten Einzelfall vorgenommen werden.

Wir weisen darauf hin, dass seit dem Inkrafttreten des Single Supervisory Mechnism (SSM, https://www.fma.gv.at/de/sonderthemen/single-supervisory-mechanism.html ) die EZB im Rahmen des SSM für die Konzessionierung von Kreditinstituten in Österreich zuständig ist, sofern es sich um ein Kreditinstitut gemäß Artikel 4 Abs 1 Z 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRR) handelt. Für die Auslegung der CRR und damit auch für die Auslegung des Begriffs des Kreditinstituts nach Art. 4 Abs. 1 Z 1 CRR (CRR-Kreditinstitut) ist letztlich die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) zuständig. Die nachstehenden Ausführungen enthalten die Rechtsansicht der FMA, die unter dem Vorbehalt einer künftigen Änderung anlässlich einer abweichenden Auslegung der europäischen Rechtsgrundlagen durch die EBA oder EZB steht.

Eine rechtliche Beratung zu konkreten Geschäftsmodellen und deren Ausgestaltung bleibt Personen aus beratenden Berufsständen, wie z.B. Rechtsanwälten vorbehalten. Die FMA kann keine Rechtsberatung vornehmen.

I Der Tatbestand des Einlagengeschäfts
Dem Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 Bankwesengesetz („BWG“) unterliegen Geschäfte, in welchen fremde Gelder zur Verwaltung oder als Einlage gewerblich entgegengenommen werden.
In Folge wird ein Überblick über die Begriffe „Entgegennahme“, „fremde Gelder“, „gewerblich“ sowie über die zwei Tatbestandsalternativen „Verwaltung“ und „Einlage“ gegeben, ebenso werden beispielhaft konzessionsrechtliche Implikationen einzelner, gängiger Finanzierungsformen dargestellt:
Gelder werden „entgegengenommen“, wenn einem Unternehmen die tatsächliche Verfügungsmacht in Bezug auf das fremde Geld eingeräumt wird; d.h. die Gelder müssen bei dem Unternehmen ankommen, bspw. durch Einzahlung auf ein auf das Unternehmen lautendes (Ander-)Konto.
Das BWG selbst definiert den Begriff „fremd“ nicht. Die Verwendung des Begriffes „fremd“ soll zum Ausdruck bringen, dass die Begründung eines Einlagengeschäfts mit sich selbst nicht möglich ist und die kontrahierenden Vertragspartner somit voneinander verschiedene natürliche oder juristische Personen sein müssen.
Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung (z.B. VWGH 2005/17/019) wird fremdes Geld dann entgegengenommen, wenn nach der Intention der Vertragspartner eine Forderung des Geldgebers auf Rückzahlung entsteht. Beide o.g. Tatbestandsalternativen (Verwaltung und Einlage) erfordern einen Rückzahlungsanspruch – die jeweiligen Anforderungen an das Kriterium unterscheiden sich jedoch: Während die Einlage einen unbedingten Rückzahlungsanspruch verlangt, genügt für das Vorliegen des Tatbestandmerkmals Verwaltung ein bedingter Rückzahlungsanspruch:
Ein unbedingter Rückzahlungsanspruch ist gegeben, wenn der Geldgeber das von ihm hingegebene Geld oder zumindest den wesentlichen Teil davon vereinbarungsgemäß als durchsetzbaren Rückforderungsanspruch geltend machen kann.
Kann der Geldgeber nicht die hingegebene Summe zurückfordern, sondern wird bspw. vereinbart, dass der Anspruch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses vom Anlageerfolg abhängt, liegt ein bedingter Rückzahlungsanspruch vor.
Gesellschaftsrechtliche Einlagen (d.h. Erwerb von Geschäftsanteilen) bei, Kapital-, und Personengesellschaften sowie Genossenschaften stellen in der Regel keine Einlagen iSd Einlagengeschäfts dar, weil die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales „fremdes Geld“ verneint wird.
Das Merkmal der Gewerblichkeit orientiert sich am Gewerblichkeitsbegriff des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und liegt dann vor, wenn eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen vorliegt. Das Erzielen von Gewinn ist nicht gefordert.
Nachhaltigkeit als Voraussetzung für eine gewerbliche Ausübung eines Bankgeschäfts liegt bei wiederholter Tätigkeit unter Ausnützung derselben Gelegenheit oder desselben andauernden Verhältnisses vor, aber auch bei bereits einmaliger Tätigkeit, wenn aus den objektiven Umständen des Falles auf Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann.
Eine gelegentliche Tätigkeit, welche die Gewerblichkeit ausschließt, liegt dann vor, wenn die Tätigkeit nur fallweise, sobald sich eine Gelegenheit von außen bietet, ausgeführt wird, nicht jedoch, wenn jemand selbst gezielt darauf hinwirkt, die Voraussetzungen für sein Tätigwerden herbeizuführen.
Der Zweck der Einnahmenerzielung durch eine bestimmte Geschäftstätigkeit liegt auch schon dann vor, wenn das in Rede stehende, selbst unentgeltliche, Geschäft dem späteren Bewirken von Umsätzen und damit verbunden der Erzielung von Einnahmen dient. Die Erzielung von Einnahmen muss also durch die in Rede stehenden Geschäfte nicht unmittelbar bezweckt werden; es genügt bereits die Absicht, diesen Zweck auf mittelbarem Wege zu verfolgen.
An einer Einnahmenserzielungsabsicht fehlt es dort, wo Tätigkeiten ohne wirtschaftliches Kalkül, ohne eigenwirtschaftliches Interesse entfaltet werden. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn das Verhalten des Leistenden von der Absicht der Unentgeltlichkeit, der Gefälligkeit, des familiären Zusammenwirkens udgl. bestimmt wird.
Bei Konzernen/Unternehmensgruppen werden Einnahmen unmittelbar oder auch mittelbar bereits aufgrund von Einsparungseffekten aufgrund konzerninterner, bankgeschäftlicher Tätigkeiten erzielt. Das BWG kennt kein allgemeines, sog. „Konzernprivileg“ als explizite Ausnahmeregelung. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob bankgeschäftliche Tätigkeiten ausschließlich konzernintern erbracht werden und der Steuerung der Hauptfunktionen des Konzerns und dem Erwerbszweck des Konzerns dienen: Liegt dies vor, wird unter Umständen bei Konzernen/Unternehmensgruppen die Gewerblichkeit einer bankgeschäftlichen Tätigkeit zu verneinen sein.

II Tatbestandsalternative „Einlage“
Schließt ein Unternehmen Verträge, die vorsehen, dass Geldgeber dem Unternehmen einen Geldbetrag für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen, um diese Summe ratenweise oder endfällig als Gesamtbetrag zurückzuerhalten (unbedingter Rückzahlungsanspruch), stellt dies auf Unternehmensseite in der Regel ein Einlagengeschäft dar.
Liegt ein unbedingter Rückzahlungsanspruch vor, ändert auch eine (grundbücherliche) Besicherung nichts an der Qualifizierung eines Geschäfts als Einlagengeschäft.
Für die Qualifizierung als Einlage ist weder die Verzinsung noch die Verwendung der entgegengenommenen Gelder ausschlaggebend: Der Zweck der Entgegennahme, etwa eine folgende Kreditvergabe oder eine Verzinsung, bleibt ebenso wie die zivilrechtliche Qualifikation der Vereinbarung außer Acht.
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das für eine Konzessionspflicht sprechen können, ist die Verwendung standardisierter Verträge mit denen sich ein Unternehmen an ein Publikum wendet.

Synallagmatische Leistung
Gelder, die als synallagmatische Leistung, also als Austausch- oder Gegenleistung, entgegengenommen werden, stellen keine Einlagen dar. Dies ist bspw. bei der Entgegennahme eines Kaufpreises für eine Ware der Fall. Erwirbt ein Käufer Eigentum an einer Sache und vermietet er diese im Anschluss an den Verkäufer zurück (Sale-and-Lease-Back), stellt dies in der Regel kein Einlagengeschäft dar. Wird in einem Vertrag vereinbart, dass als Gegenleistung für eine bestimmte Summe Geld jährlich Warengutscheine über einen bestimmten Betrag gewährt werden, die nicht in bar abgelöst und ausschließlich beim Vertragspartner eingelöst werden können, liegt in der Regel kein unbedingter Rückzahlungsanspruch auf den eingesetzten Geldbetrag vor.

Darlehenskonstruktionen
Wie ausgeführt, kommt es für die Qualifikation als Einlage nicht auf die zivilrechtliche Einordnung einer Vereinbarung an. Damit ein Einlagengeschäft iSd BWG vorliegt, ist es nicht Voraussetzung, dass der Vertrag auch als Kreditvertrag iSd ABGB anzusehen ist.
Von Unternehmen gewerblich abgeschlossene Gelddarlehensverträge stellen jedoch regelmäßig ein Einlagengeschäft der Tatbestandsalternative „Einlage“ dar, da die Verpflichtung besteht, die erhaltene Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zurückzuzahlen.
Es gibt unterschiedliche Formen der Verzinsung von Darlehen, eine gängige Variante ist die fixe Verzinsung. Ob überhaupt eine Vergütung vereinbart wird (zinslose Darlehen) bzw. in welcher Weise diese ausgestaltet ist (fixe Verzinsung, gewinnabhängige Verzinsung bei sog. partiarischen Darlehen oder Gewinnscheinen, Mischformen aus fixen und variablen Zinsen, etc.) ist für das Vorliegen eines Einlagengeschäfts irrelevant, solange ein Anspruch des Geldgebers auf Rückzahlung der Darlehenssumme besteht.
Für qualifizierte Nachrangdarlehen besteht keine Konzessionspflicht nach BWG. Für die Beurteilung der Konzessionspflicht ist die konkrete Ausgestaltung des Darlehensvertrags und dabei insbesondere die der Klausel des qualifizierten Nachranges maßgeblich. Diese ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Prinzipiell enthält eine solche Klausel zum einen die Vereinbarung, dass die Forderung aus dem Darlehensvertrag gegenüber den Forderungen sämtlicher anderer Gläubiger nachrangig ist (Nachrang), und zum anderen ist die Geltendmachung des Anspruchs des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens solange und soweit ausgeschlossen, wie dies einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über den Darlehensnehmer herbeiführen würde (Qualifikation). Zur wirksamen Vereinbarung eines qualifizierten Nachranges sind auch die Regelungen des Konsumentenschutzgesetzes zu beachten.

Stille Beteiligungen
Wie bereits ausgeführt, stellen gesellschaftsrechtliche Einlagen zwar grundsätzlich kein Einlagengeschäft dar, allerdings kommt es auch dabei auf die konkrete Ausgestaltung der Vereinbarung an. Es ist gesellschaftsrechtlich zulässig bei einer stillen Beteiligung die Verlustbeteiligung gänzlich auszuschließen. Ebenso besteht die Möglichkeit Informations- und Kontrollrechte unterschiedlich intensiv auszugestalten: Daher bedarf es jeweils einer Prüfung des konkreten Einzelfalles, um eine Konzessionspflicht abschließend zu beurteilen. Gleicht nämlich die als Vertrag über eine stille Beteiligung titulierte Vereinbarung inhaltlich eher einem partiarischen Darlehen, so liegt wiederum ein konzessionspflichtiges Einlagengeschäft nahe.

Anleihen
Werden fremde Gelder auf Grund einer Emission handelbarer Anleihen (Inhaber- und Orderschuldverschreibungen) entgegengenommen, liegt in der Regel kein Einlagengeschäft vor.

III Tatbestandsalternative „Verwaltung“
Auch in der Tatbestandsalternative Verwaltung des § 1 Abs 1 Z 1 BWG kommt es nicht auf die Benennung der Vereinbarung, sondern auf deren wirtschaftlichen Inhalt an.
Grundsätzlich liegt eine tatbestandsgemäße Verwaltung vor, wenn der Geldgeber einen Verwaltungsauftrag, also die Ermächtigung zur Vornahme von Dispositionen über die Gelder, erteilt. Tatbestandsmäßig ist daher, wenn der Geldgeber dem Entgegennehmenden einen gewissen Entscheidungsspielraum betreffend die Verwendung der Gelder einräumt. In der Regel werden Anlagerichtlinien definiert, innerhalb derer die konkreten (Anlage-)Entscheidungen von demjenigen getroffen werden, der die Gelder entgegen genommen hat.
Für die Erfüllung des Tatbestandes ist es ausreichend, wenn innerhalb des Entscheidungsspielraumes auch nur einmal eine Investitionsentscheidung getroffen wird.
Auch die Ausübung des Ermessens durch Beauftragung/Auswahl eines Dritten zur Vermögensverwaltung ist tatbestandsmäßig.
Mit der Verwaltungstätigkeit ist auch vereinbar, dass der Geldgeber durch Weisungen eingreifen kann oder über eine Veranlagung im Einzelfall entscheiden kann, solange eine Ermächtigung zu begrenztem selbständigen Handeln vorliegt.

Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen
Beteiligungskapital fällt grundsätzlich nicht unter den Tatbestand des Einlagengeschäfts, wobei auch hier die konkrete Ausgestaltung des Vertrages ausschlaggebend ist.
Für das Vorliegen von Verwaltung, in Abgrenzung zu Beteiligungskapital, spricht das Vorliegen folgender Merkmale:
es wurden bestimmte Grundsätze über die Verwendung des Geldes vereinbart
das aufgebrachte Kapital im Gesellschaftsvermögen bildet einen eigenen Rechnungskreis
der Anspruch des Geldgebers richtet sich nach dem Erfolg oder Misserfolg dieses Rechnungskreises
Sind die genannten Merkmale gegeben, nimmt der Geldgeber nicht am unternehmerischen Risiko teil, so dass der Verwaltungstatbestand jedenfalls erfüllt ist.

Genussrechte
Ist der Genussscheininhaber wirtschaftlich am gesamten Unternehmen beteiligt („Beteiligungskapital“ bzw. „Substanzgenussrecht“) und liegt somit eine Annäherung bzw. Gleichstellung zur wirtschaftlichen Position eines Gesellschafters vor (siehe unter „Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen“), so ist das ein Indikator für das Nichtvorliegen eines Einlagengeschäftes.

Anleihen
Die Begebung handelbarer Anleihen (Inhaber- und Orderschuldverschreibungen) stellt in der Regel kein Einlagengeschäft dar (siehe II Tatbestandsalternative „Einlage“ → Anleihen).
Bestimmte Ausgestaltungsvarianten von Anleihen können trotzdem zu einer Konzessionspflicht führen, z.B. in der Tatbestandsalternative der Verwaltung von Geldern:

So wurde folgender Sachverhalt durch den Verwaltungsgerichtshof (GZ 2008/17/0034) als Einlagengeschäft in der Tatbestandsalternative Verwaltung beurteilt:
Eine Aktiengesellschaft emittierte ein Wertpapier unter dem Titel „Anleihe“, wobei das eingesammelte Kapital entsprechend den Anleihebedingungen in einem eigenen Rechnungskreis gebündelt wurde. Die Anleger erhielten einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Emittentin, dessen Höhe sich nach dem aktuellen Wert des Rechnungskreises richtete. Die Anleihebedingungen gaben bezüglich Verwendung des Kapitals vor, dass dieses dem Handel bzw. dem Erwerb von Wertpapieren, Optionen und Terminkontrakten jeder Art, der Veranlagung in Devisenkassa- und Termingeschäfte auf internationalen Märkten und in sonstige Vermögensanlagen und andere Finanzinstrumente diene, wobei vor allem in derivative Finanzinstrumente veranlagt werden solle. Das Unternehmen verrechnete entsprechend den Anleihebedingungen Verwaltungsgebühren in der Höhe von 0,1 % des Rechnungskreisvermögens.
Dies wurde wie bereits erwähnt als Einlagengeschäft angesehen.

Urheber: https://www.fma.gv.at