Versicherungsmakler haben Informationspflicht nach Abschluss der Verträge
Der Versicherungsmakler ist auch nach Abschluss des Versicherungsvertrags zu einem Best-Risk Management im Interesse des Kunden verpflichtet. Wie weit diese in § 28 Z 7 MaklerG normierte nachvertragliche Informations- und Aufklärungspflicht im Einzelfall reicht, hatte der Oberste Gerichtshof jüngst zu klären (OGH 5 Ob 252/15t).
Danach kann von einem Versicherungsmakler erwartet werden, laufend veröffentlichte Gerichtsentscheidungen, die zu einer Risikoerhöhung eines Kunden führen könnten, zu studieren und alle Kunden sofort nach Veröffentlichung der OGH-Entscheidung von den Konsequenzen zu verständigen. Die gegenteilige Ansicht der beklagten Versicherungsmaklerin wurde vom Höchstgericht verworfen.
Sachverhalt
Einem als Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe tätigen Arzt wurde nach der Geburt eines behinderten Kindes von einer Patientin die Verletzung von Aufklärungspflichten vorgeworfen. Im anschließenden Schadenersatzprozess wegen „wrongful birth“ wurde der Arzt zum Ersatz des bisherigen (gesamten) Unterhalts und des Pflegeaufwands sowie sämtlicher künftig entstehenden Unterhalts- und sonstigen Aufwendungen, Pflegeleistungen und aller Vermögensnachteile im Zusammenhang mit Obsorge und Pflege des Kindes verurteilt. Seine über die auf Ärzte spezialisierte Versicherungsmaklerin 2001 geschlossene Berufshaftlichtversicherung sah eine Versicherungssumme von (lediglich) EUR 400.000,- vor.
Mit Schadenersatzklagen wegen „wrongful birth“ hatte sich der Oberste Gerichtshof seit 1990 zu befassen. 1999 hielt er erstmals fest, dass den Eltern eines behinderten Kindes im Falle der Verletzung von Aufklärungspflichten der dadurch bedingte Unterhaltsmehraufwand als Schadenersatz zusteht. 2006 sprach der Oberste Gerichtshof erstmals aus, dass in einem solchen Fall den Eltern Schadenersatz in Höhe des gesamten Unterhalts für das behinderte Kind zusteht.
Der Arzt klagte die Versicherungsmaklerin wegen Verletzung nachvertraglicher Aufklärungs-plichten. Seiner Ansicht nach hätte die Versicherungsmaklerin ihn über die 2006 eingetretene Änderung der Judikatur des Obersten Gerichtshof und die damit verbundene wesentliche Erweiterung der möglichen Haftung in „wrongful birth“ – Fällen aufklären und ihm eine entsprechende Erhöhung der Deckungssumme empfehlen müssen, was die Versicherungsmaklerin jedoch unter-lassen hat.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes
Versicherungsmakler müssen die jeweils aktuelle Rechtsprechung kennen
Der Oberste Gerichtshof folgte dieser Ansicht. Von einem Makler könne erwartet werden, über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und richtige Auskünfte zu erteilen. Als auf Ärzte spezialisierte Versicherungsmaklerin hätte die Beklagte die „wrongful-birth“-Entscheidung aus dem Jahr 2006, die für breites mediales Interesse und Aufsehen unter Ärzten, insbesondere Gynäkologen gesorgt habe, besonders berücksichtigen müssen. Dabei reiche es nicht, dem Kunden die Entscheidung einfach bekannt zu geben.
Vielmehr wäre die beklagte Versicherungsmaklerin, die von der Tätigkeit des Arztes im Rahmen der Pränataldiagnostik wusste, verpflichtet gewesen, ihn auf die Änderung der Rechtsprechung hinzuweisen und den bestehenden Versicherungsschutz zu diskutieren, weil der Zuspruch des gesamten Unterhalts für ein behindert geborenes Kind eine wesentliche Risikoerhöhung zur Folge hatte. Die Verletzung der nachvertraglichen Aufklärungspflicht sei auch kausal für den Schaden des Klägers gewesen, weil dieser bei ausreichender Beratung bereits 2006 eine höhere Versicherungssumme gewählt hätte, die für den Schadensfall aus „wrongful birth“ zur Verfügung gestanden wäre.
Fazit
Für den Versicherungsmakler bedeutet die Entscheidung eine signifikante Erhöhung des Beratungsaufwands, denn sie verpflichtet ihn, den Kunden laufend über in der Sphäre des Kunden aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen eingetretene Risikoerhöhungen zu informieren und ihm einen angepassten Versicherungsschutz vorzuschlagen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Versicherungsmakler die jeweils aktuelle Rechtsprechung kennt. Es empfiehlt sich für den Versicherungsmakler, sich in Bezug auf die einschlägige Rechtsprechung auf dem Laufenden zu halten.
30. September 2016, Autor: Thomas Böhm, www.cms.law/de