Was KMU 2020 Sorgen bereitet: Fachkräftemangel, drohender Wirtschaftsabschwung und mehr Wettbewerb
EY Mittelstandsbarometer Österreich – Konjunktur:
- Jeder Vierte stuft Klimawandel als Gefahr für die Entwicklung des eigenen Unternehmens ein.
- Die Hälfte der Unternehmen bereitet sich vorrangig mit Kostensenkungen und Überprüfungen von geplanten Investitionen auf den erwarteten Abschwung vor – jeder Achte erwartet schlimmere Auswirkungen als durch die Finanzkrise 2008.
- Jobmotor Mittelstand läuft trotzdem weiterhin rund – mehr als ein Viertel plant neue Stellen zu schaffen, nur 7 Prozent wollen abbauen.
Die Stimmungslage im österreichischen Mittelstand hat sich im letzten Jahr zum zweiten Mal in Folge eingetrübt: Das Geschäftsklima – also der Mittelwert aus Einschätzungen der Geschäftslage und -entwicklung – sank erneut deutlich. Zwar bewertet immer noch ein Großteil der Unternehmen (92%) die aktuelle Geschäftslage als gut bzw. eher gut. Allerdings hat der Optimismus im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung wie schon im Vorjahr deutlich abgenommen: Nur noch jeder Fünfte (22%) rechnet in den kommenden Monaten mit einer Verbesserung der eigenen Geschäftslage. Noch niedriger war dieser Anteil zuletzt im November 2008 (15%) – dem historisch schlechtesten Wert seit Beginn der Erhebung.
Immerhin sind aktuell zwei Drittel (69%) der heimischen Unternehmen der Meinung, dass sich ihr Unternehmen stabil entwickeln wird, nur neun Prozent gehen von einer Verschlechterung aus. Speziell die Tourismusbranche (34%) ist besonders positiv gestimmt, wohingegen sich sowohl der Gesundheitsbereich (17%) als auch das Transport- und Verkehrswesen (15%) eher verhalten zeigen.
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 900 mittelständische, nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern in Österreich befragt wurden.
„Die Hochstimmung der letzten Jahre bei heimischen Unternehmen ist einer wachsenden Skepsis in Bezug auf die Konjunkturentwicklung und die eigene Geschäftslage gewichen. Österreichs Betriebe wappnen sich für wirtschaftlich herausforderndere Zeiten. Jeder Zweite hält eine Rezession in Österreich für wahrscheinlich. Bemerkenswert ist, dass die Unternehmen aber keineswegs den Kopf in den Sand stecken, sondern weiter mutig investieren und auf Wachstum setzen. Österreichs Unternehmen sind definitiv keine reinen Schönwetterbetriebe“, so Erich Lehner, Managing Partner Markets und Verantwortlicher für den Mittelstand bei EY Österreich.
Während 2018 noch mit einem Umsatzplus von durchschnittlich zwei Prozent gerechnet wurde, gehen die mittelständischen Unternehmen für das Jahr 2020 nur noch von 1,4 Prozent Umsatzplus aus. Auch 2019 hatte dieser Wert bereits um 0,3 Prozentpunkte auf 1,7 Prozent abgenommen. Insgesamt erwarten nur zwei von fünf Unternehmen (40%) für das Jahr 2020 ein Umsatzwachstum – im Vorjahr war es noch jeder Zweite (51%).
Top-3-Risiken: Fachkräftemangel, Wirtschaftsabschwung und Wettbewerb
Die größte Bedrohung für heimische Unternehmen ist und bleibt der Fachkräftemangel. Mehr als zwei Drittel (69%) geben an, dass das fehlende Angebot an qualifizierten Bewerbern das größte Risiko für die Entwicklung des eigenen Unternehmens darstellt. 81 Prozent haben insgesamt Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Auf Rang zwei des Risikorankings folgt der drohende wirtschaftliche Abschwung (43%), dicht gefolgt vom zunehmenden Wettbewerb (38%).
Erich Lehner dazu: „Sowohl Wirtschaftsabschwung als auch der zunehmende Wettbewerb sind auf die internationale Ausrichtung des heimischen Mittelstands zurückzuführen. Denn zum einen hängt der Geschäftserfolg unserer heimischen Betriebe stark von den Entwicklungen in den österreichischen Exportländern ab: Deutschland ist Österreichs größter Abnehmer und eben dort sind schon eindeutige Anzeichen einer Rezession spürbar. Zum anderen verstärken die großen Digitalunternehmen mit einem schier grenzenlosen Angebot und zunehmender Vergleichsmöglichkeit den Wettbewerbsdruck“.
Jeder Vierte schätzt außerdem den Klimawandel als Gefahr ein. „Die drohenden Folgen eines Klimawandels sind – nicht zuletzt bedingt durch den öffentlichen Druck – auch dem österreichischen Mittelstand bewusst. Hier ist zwar deutlich Luft nach oben, das Thema gewinnt aber zurecht immer mehr an Bedeutung. Nicht zuletzt der starke Schwerpunkt auf Ökologisierung im neuen Regierungsprogramm wird das Thema weiter in den Fokus rücken. Jedes Unternehmen wird sich in Zukunft damit auseinandersetzen müssen, wie es möglichst klimaneutral wirtschaften kann. In vielen Fällen wir das nur mit einer radikalen Transformation der Strategie, der Prozesse und des Geschäftsmodells möglich sein“, so Lehner.
Österreichs Unternehmen erwarten Wirtschaftsabschwung
Hinsichtlich der Erwartungen der allgemeinen Wirtschaftslage in Österreich zeigt sich ein deutlich schlechteres Bild, als noch vor einem Jahr: Nur noch jeder Sechste (15%) rechnet mit einer Verbesserung der Binnenkonjunktur in den kommenden Monaten – 18 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr, wo noch jeder Dritte positiv in die Zukunft blickte (33%). Noch niedriger als heuer lag dieser Anteil zuletzt zu Jahresbeginn 2009. Zudem geht knapp ein Viertel (25%) von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage aus. Das entspricht einem Zuwachs von 17 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr.
Im Hinblick auf einen drohenden Wirtschaftsabschwung erkennt die Hälfte (51%) der befragten Unternehmen die Gefahr einer Rezession. Nur sieben Prozent schließen aus, dass sich die Wirtschaft ähnlich wie in Deutschland rückläufig entwickeln wird. Von jenen Unternehmen, die eher mit einem Wirtschaftsabschwung rechnen, erwartet jeder Achte (12%) sogar noch schlimmere Auswirkungen als durch die Finanzkrise 2008. „Die Hälfte des österreichischen Mittelstands rechnet mit einem Abschwung der Wirtschaft. Diese Einschätzung deckt sich auch mit jenen internationaler und nationaler Prognoseinstitute und Ökonomen. Wichtig ist, sich jetzt durch proaktives Handeln auf die wirtschaftlich herausfordernde Zeit vorzubereiten, die vor uns liegt“, rät Lehner.
Heimische Betriebe rüsten sich mit Kostensenkungen und stellen Investitionen auf den Prüfstand
Jene Unternehmen, die eher mit einer Rezession für Österreich rechnen, bedienen sich verschiedenster Stellhebel zur Vorbereitung darauf. Knapp zwei Drittel (59%) greifen auf kostensenkende Maßnahmen zurück. Auf Platz zwei folgt die Überprüfung geplanter Investitionen (47%). Rund ein Drittel bereitet ihr Unternehmen auch durch Reorganisation und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten (je 36%) auf den Wirtschaftsabschwung vor.
Dennoch gab mehr als jedes vierte Unternehmen an, in den nächsten sechs Monaten zusätzliche Stellen im Unternehmen schaffen zu wollen (28%) – nur vier Prozentpunkte weniger als im Vorjahr (32%). Nur sieben Prozent der Befragten gehen aktuell davon aus, dass sich ihre Mitarbeiterzahl im kommenden Jahr verringern wird. „Der Jobmotor Mittelstand läuft weiter rund – das ist ein sehr positives Zeichen, insbesondere im Hinblick auf einen drohenden Wirtschaftsabschwung. Hier werden vorrangig andere Vorbereitungen getroffenen, bevor wertvolle Personalressourcen reduziert werden“, so Lehner.
Trotz Konjunkturskepsis: Jedes vierte Unternehmen will verstärkt investieren
Trotz der Skepsis in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung will jedes vierte Unternehmen (25%) seine Investitionen in den nächsten sechs Monaten steigern – eine Verringerung um nur drei Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr (28%). Zwei Drittel (67%) geben an, das Gesamtinvestitionsniveau konstant halten zu wollen, nur acht Prozent wollen ihre Investitionen zurückschrauben. Insgesamt ist die Investitionsbereitschaft im österreichischen Mittelstand damit weiterhin hoch, wenn auch etwas niedriger als in den beiden Vorjahren.
Zwei Drittel sind mit regionaler Standortpolitik zufrieden
Die Rekordzufriedenheit mit der Standortpolitik für Gesamtösterreich aus dem Jahr 2019 ist leicht um neun Prozentpunkte gesunken, liegt mit 42 Prozent Zustimmung aber immer noch bei einem Spitzenwert. Die ebenfalls hohe Zufriedenheit mit der regionalen Standortpolitik stieg hingegen Rekordniveau: Zwei Drittel (63%) der Unternehmen bewerten die Standortpolitik ihres Bundeslandes als positiv, im Vorjahr waren es 60 Prozent.
„Österreich zeichnet sich nach wie vor durch eine hohe Standortzufriedenheit aus – sowohl in den Bundesländern als auch österreichweit. Speziell die regionale Standortpolitik bekommt hervorragende Noten von den heimischen Unternehmenslenkern. Besonders hoch ist die Zufriedenheit in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg. Seit Beginn unserer Erhebung haben heimische Betriebe die Standortpolitik noch nie positiver gesehen“, so Lehner abschließend.
21.1.2010, Ernst & Young, www.ey.com