„Wirtschaftspolitik langfristiger denken“
WIFO-Leiter Christoph Badelt zu Gast im Klub der Wirtschaftspublizisten
Eine „mutigere Wirtschaftspolitik, die langfristigere Zukunftshemen anpackt“ forderte WIFO-Leiter Christoph Badelt bei einem Pressegespräch am 11. April 2019 im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. Vor allem in der Umwelt- und der Europapolitik erwartet sich Badelt nachhaltige und positive Impulse aus Österreich.
Egal ob im Verkehr, in der Raumplanung oder im Wohnbau – ganzheitliche Strategien zur Energie-, Ressourcen- und Klimawende müssten laut Badelt ins Zentrum einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik rücken. In diesem Sinne gelte es, umweltschädliche Subventionen weitestgehend zu reduzieren, kreislauforientierte Produktionszyklen zu forcieren und den „langen Horizont“ in heutige Investitionsentscheidungen einzubeziehen.
Neben der Umwelt- werde auch der Europapolitik in Österreich nicht jener Stellenwert eingeräumt, den sie verdient. Essentielle Wirtschaftsthemen wie die Arbeitsmigration und die innereuropäischen Lohnunterschiede sollten europaweit endlich konstruktiv diskutiert werden. Österreich sollte dazu einen Anstoß in Europa geben.
Nachdem die österreichische EU-Ratspräsidentschaft für ihre konstruktive Rolle bei den Brexit-Gesprächen gelobt wurde, sollte die Bundesregierung diese positive Mittlerfunktion bei den Verhandlungen nach einem möglichen Brexit beibehalten. „Da wird es sehr rasch nach einer Brexit-Entscheidung darum gehen, Initiativen in Europa zu setzen.“ Als Brückenbauer über den Ärmelkanal könnte sich Österreich nach der vollzogenen Scheidung im Sinne des Freihandels sowie der guten europäischen Nachbarschaft für eine weiterhin enge Zusammenarbeit mit den Briten einsetzen.
„Auch in der Steuerpolitik muss man weiterdenken und langfristig lenken“, so Badelt. Viele Themenbereiche müssten dafür enttabuisiert werden. Mit den kolportierten Steuerreformplänen habe die Bundesregierung zwar eine positive Grundrichtung eingeschlagen, aber notwendige Systemänderungen fallen – zumindest nach dem bisherigen Kenntnisstand – zu zaghaft aus: „Es braucht eine weitergehende Ökologisierung des Abgabensystems und der Faktor Arbeit gehört noch stärker entlastet.“
Die Arbeitslosenrate wird 2019 weiter sinken – aber 2020 schon wieder leicht steigen. Prognostiziert ist jeweils eine Arbeitslosenrate von 7,3%. Die Bundesregierung sollte daher schon jetzt wieder eine aktivere Arbeitsmarktpolitik vorbereiten und dafür budgetäre Vorsorgemaßnahmen treffen. Mittelfristig müssen vor allem Lösungen für den akuten Fachkräftemangel gefunden werden. Hier hob Badelt die Frauenerwerbstätigkeit hervor, die leider „immer noch erschwert“ werde. Durch Kinderbetreuung könne man mit Frauen aber das Arbeitskräftepotential heben. Auch bei jungen Migrantinnen und Migranten werde derzeit wichtiges Potential für den Arbeitsmarkt leichtfertig verschenkt.
Abschließend ging Badelt auch noch auf die „erhitzte Debatte“ zur Reform der Mindestsicherung ein. Leider stehe allzu oft Polemik im Vordergrund. Auch hier würden langfristige Fragen nicht thematisiert. Es gebe immer mehr Menschen, die vom Erwerbseinkommen nicht leben könnten bzw. im Vergleich zu Transfereinkommen wenig verdienen. Auch das zeige, dass die Einkommen im unteren Bereich netto stärker entlastet werden müssten, so Badelt. Grundsätzlich müsse festgelegt werden, welche Untergrenze der Einkommen in Österreich als „menschenwürdig“ angesehen werden solle – „unabhängig von der Staatsbürgerschaft oder den Sprachkenntnissen“, so der WIFO-Leiter.
12.4.2019, Quelle: WIFO / www.wifo.ac.at